Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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(Bad) Sülze

(Bad) Sülze

(1) Das 1243 zum ersten Mal als Dorf erwähnte S. (mnd. Sulten, der Name nimmt Bezug auf eine Salzquelle) liegt an einer Biegung des Flusses Recknitz, der in die Ostsee mündet. Das Niederungsmoor im breiten Recknitztal bildete eine natürliche Grenze zum Fürstentum Rügen auf der gegenüberliegenden Flussseite. Seit Ende des 13. Jahrhunderts verlief von S. aus durch das Tal eine von den Herren von Rostock angelegte Passstraße. Zugleich verlegten sie den Vogteisitz von Marlow nach Sülze. Der überregionale Handel bevorzugte allerdings andere Routen als die Straßenverbindung von Rostock nach Greifswald.

Der dänische König verdrängte 1301 die Herren von Rostock aus ihrer Herrschaft, einschließlich der Vogtei Marlow/Sülze. 1317 erhielten die Herren von Mecklenburg die Herrschaft Rostock zunächst als Pfand, später als dänisches Lehen. Die 1348 zu Hzg.en erhobenen mecklenburgischen Landesherren teilten 1352 ihre Lande, wobei Sülze bei der mecklenburgischen Hauptlinie verblieb. 1371 wurde die Vogtei Marlow/S. an Bischof Friedrich Bülow von Schwerin verpfändet. Mit dessen Tod 1375 zogen die Herzöge das heimgefallene Pfand ein und gestatteten zwei bedeutenden Adelsgeschlechtern der Region, den Lühes in Kölzow sowie den Moltkes in Strietfeld, zum Ausgleich für ihre offenen Forderungen die Vogtei Marlow/Sülze langfristig zu besetzen. Der Moltkesche Anteil an der besetzten Vogtei ging zu Beginn des 15. Jahrhunderts an die Kardorfs über. 1448 legitimierte der Herzog von Mecklenburg den zur Gewohnheit gewordenen Zustand durch Ausstellung eines Pfandbriefs über die Vogtei an die Gebrüder Lühe. Zwei Jahre später stärkten die Lühes ihre Position, indem sie beim Herzog eine Belehnung mit der Vogtei erwirkten. Vier Jahrhunderte lang befand sich in der Folge S. im Besitz der Lühes. Erst 1768 veräußerten sie die Jurisdiktion über die Stadt an den Herzog von Mecklenburg-Schwerin. Eine kontinuierliche Hofhaltung der Familie Lühe bestand nur vom Ende des 14. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. In der frühen Neuzeit hielten die Lühes sich auf ihren Rittersitzen im Stadtumland auf. Ihre Interessen in der Stadt wurden von Stadtvögten wahrgenommen.

(2) Um 1260 hatte sich S. zu einer unregelmäßig gewachsenen Stadt mit einem dreieckigen Marktplatz im Zentrum fortentwickelt. Die Siedlung erhielt das in der Herrschaft Rostock übliche lübische Stadtrecht. Das Recht zur Stadtbefestigung wurde 1298 verliehen. Bis zum Ende der Frühen Neuzeit behielt die Stadt die damals mit Mauern abgesteckten Grenzen bei. Ende des 18. Jahrhunderts bestand die Stadt aus ungefähr 180 Häusern mit ca. 1500 Einwohnern.

Für die Ausübung der Gerichtsbarkeit führte die Stadt eine jährliche Gebühr sowie einen Anteil an den Gerichtsbußen an den Stadtherrn ab. Im Jahr 1570 beschwerten sich die Ratsleute der Stadt bei Herzog Ulrich von Mecklenburg über Eingriffe der Lühes in die städtische Gerichtsbarkeit. Mitte des 18. Jahrhunderts prozessierten die Lühes bis hinauf zum Reichskammergericht über die Frage, ob ihnen in Marlow und S. das Recht zur Absetzung eines Bürgermeisters zustehe oder nicht. Das Fehlen sonstiger umfangreicher Prozessakten lässt den Schluss zu, dass sich über weite Zeiträume das Verhältnis zwischen der Stadt und den Stadtherren aus der Familie Lühe einvernehmlich gestaltete.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der im 15. Jahrhundert bestehenden, allerdings kleinen Hofhaltung auf die Stadt blieben begrenzt. Die Grundversorgung der Familie und des Hofs mit Lebensmitteln wurde durch den zur Burg gehörigen Bauhof sichergestellt. Die geringe Dienerschaft sowie die Nachfrage nach Gütern auf dem Markt (Höherwertiges wurde wohl aus der Ferne bezogen) dürften die Stadtentwicklung nur unwesentlich befördert haben. Überhaupt dürfte die Wirtschaft S.s stark landwirtschaftlich geprägt gewesen sein. Nordöstlich der Stadt befand sich die ergiebige Saline, die den Mittelpunkt der städtischen Wirtschaft darstellte. Die Salzpfannenrechte befanden sich in verschiedenen Händen. Der landesherrliche Anteil gelangte Ende des 14. Jahrhunderts zusammen mit der Vogtei an die Lühes, die den Salinenbetrieb entweder verpachteten oder verpfändeten. Mit dem Verkauf ihrer Salinenanteile an den Herzog von Mecklenburg-Güstrow büßten die Lühes 1662 bzw. 1664 ihr einträglichstes Recht in der Stadt ein. Nach und nach vereinigten die mecklenburgischen Herzöge auch die übrigen Salzrechte in ihrer Hand.

(3) Die im 13. Jahrhundert erbaute Stadtkirche war das einzige Gotteshaus der Stadt. Die mecklenburgischen Landesherren behielten sich das Kirchenpatronat gegenüber den Lühes vor. Im Spätmittelalter stifteten zwar ein paar Ratsherrenfamilien Altäre in der Stadtkirche, nicht aber die Lühes, denen zu diesem Zweck offenbar die Kölzower Dorfkirche, die Stadtkirche in Marlow sowie das Kloster Rühn geeigneter erschienen.

Im 16. Jahrhundert schlossen sich die mecklenburgischen Adelsgeschlechter rasch der lutherischen Lehre an. Der kirchliche Umbruch stellte zugleich eine Gelegenheit zur Erweiterung adliger Rechte dar. In S. setzten die Lühes zu Beginn der 1530er Jahre selbstherrlich einen lutherischen Prediger ein und planten, ihre Stadtherrschaft auf Kosten der mecklenburgischen Herzöge auszudehnen. Religiöse Motive vermischten sich dabei mit wirtschaftlichen Erwägungen, denn die Lühes versäumten es nicht, der Pfarre einen Teil des Vermögens abzunehmen. Langfristig behaupteten sich die Lühes nicht gegen die Herzöge im angemaßten Patronatsrecht. Daneben existierte im Spätmittelalter ein vor den Stadtmauern gelegenes Hospital.

(4) Das Rathaus befand sich am Marktplatz. Der Vorgänger des heutigen Baus fiel dem Stadtbrand 1770 zum Opfer, Aussagen zum Aussehen lassen sich nicht machen. Südöstlich des Markts liegt die Stadtkirche, die ihr Erscheinungsbild trotz erlittener großer Brandschäden bewahrte.

Kurz vor 1300 errichteten die Herren von Rostock eine Burg am nordwestlichen Stadtrand. Ende des 14. Jahrhunderts ging die Burg mitsamt der Vogtei an die Lühes über. Sie nutzten diese ein Jahrhundert lang verschiedentlich als Wohnsitz, bis dieselbe im Rahmen der Rostocker Domfehde in den 1480er Jahren zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Die Gestalt der Burg ist unbekannt. Der zur Burg gehörige Wirtschaftshof lag an der gegenüberliegenden Stadtseite (heutige Bauhofstraße).

(5) Von überörtlichem Interesse war die Salzgewinnung. Das für das Verkochen der Sole notwendige Brennmaterial entstammte größtenteils dem ausgedehnten Niederungsmoor im Recknitztal, in welchem ausreichend Torf gewonnen wurde. Daneben lieferte die nahe Ribnitzer Heide Feuerholz.

Die Teilnahme an Städtebünden war mecklenburgischen Landstädten untersagt. Auf frühneuzeitlichen Landtagen wurde die Stadt von den Lühes repräsentiert, im 18. Jahrhundert übernahm die Vorderstadt Güstrow diese Funktion.

(6) Dank der Salzgewinnung hob sich S. von den kleinen Landstädten etwas ab. Zwar gehörte die Stadt vier Jahrhunderte lang den Lühes, diese residierten aber nur vom Ende des 14. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts für längere Zeiträume auf der Burg. Die Auswirkungen der Lüheschen Hofhaltung auf die Stadtentwicklung blieben aller Wahrscheinlichkeit nach begrenzt. Bezeichnend ist, dass sie die Stadtkirche nicht in ihre Memoria einbanden, sie nahmen keine Altarstiftungen vor. Nachdem die Burg zerstört worden war und nicht wieder aufgebaut wurde, brach die ohnehin schwach ausgeprägte Residenzbildung der Lühes völlig ab. Vornehmlich dürften sie aus der Verpachtung der Saline Gewinn gezogen haben. Das Ende der Lüheschen Stadtherrschaft läutete somit der Verkauf der Salzrechte in den 1660er Jahren ein. Mit dem Rückkauf der Jurisdiktion über die Stadt ließen sich die Herzöge bis zum Jahr 1768 Zeit.

(7) Ein verheerender Stadtbrand 1770 vernichtete alle Schriftquellen vor Ort. Die verbliebene Überlieferung zur Stadtgeschichte befindet sich in anderen Archiven, z. B. dem Stadtarchiv Rostock, mehrheitlich jedoch im Landeshauptarchiv Schwerin. Zu erwähnen ist insbesondere der Schweriner Aktenbestand zu den Bodenschätzen und Salinen. Sämtliche Schriftquellen bis zum Jahr 1400 sind im Mecklenburgischen Urkundenbuch (1863–1977) abgedruckt. Zur urkundlichen Überlieferung des 15. Jahrhunderts liegt die Regestensammlung mecklenburgischer Urkunden vor, in der auch einige Sülze betreffende Karteikarten enthalten sind.

(8)Koch, August Ludwig: Geschichte der Saline zu Sülz, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 11 (1846) S. 97–122. – Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Bd. 1 (1896), S. 382–388. – Hoffmann, Karl: Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 94 (1930) S. 1–200, hier: S. 78–80. – Schmaltz, Karl: Kirchengeschichte Mecklenburgs, Bd. 2, Schwerin 1936, S. 51–54.

Tobias Pietsch