Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Gadebusch

Gadebusch

(1, 2) Der Name G. erscheint erstmalig 1194 als Landschaftsbezeichnung provincia Godebuz, die heutige Form 1514. Die bis ins 14. Jahrhundert anzutreffende Schreibweise Chotebuz deutet auf eine slawische Besiedlung hin, wie überhaupt anzunehmen ist, dass eine ältere slawische Burganlage für die Entstehung von Burg und Stadt G. entscheidend war. G. lag an der Handelsstraße, die Schwerin mit Lübeck verband, etwas unterhalb der Quelle des Flüsschens Radegast. Als Teil der Grafschaft Ratzeburg war der Ort 1203 als dänisches Lehen an das Haus Mecklenburg gefallen. Wahrscheinlich hatte bereits der 1225 ums Leben gekommene Nikolaus II. als Herr zu Gadebusch um Stadt und Burg eine Teilherrschaft innerhalb der Herrschaft Mecklenburg inne. 1225 erhielt G. Stadtrecht. Nach der ersten Hauptlandesteilung 1229 fiel G. an dessen Neffen Johann I. und damit endgültig an die Herren, seit 1348 Herzöge von Mecklenburg. Heinrich I. von Mecklenburg (reg. 1264–1275 und 1299–1302) förderte G., indem er 1271 das Lübecker Recht anerkannte. Bereits Johann I. hatte G. als Nebenresidenz genutzt. In den Jahren der Vormundschaftsregierung für die Söhne des auf einer Pilgerreise ins Heilige Land für 25 Jahre in Gefangenschaft geratenen Heinrich I. von Mecklenburg bewohnte dessen Bruder Johann die Burg in G. Mehrmals dienten Amt und Stadt G. zur Versorgung weiblicher Mitglieder des Fürstenhauses. Bis zum Erwerb der Grafschaft Schwerin 1358 war G. nach Wismar zweitwichtigste Nebenresidenz. Auch nachdem Schwerin Wismar als bevorzugte Residenz abgelöst hatte, blieb G. Nebenresidenz. 1434 wählte Agnes, Witwe Herzog Albrechts III. von Mecklenburg und Kg.s von Schweden, die G.er Pfarrkirche als Begräbnisort. Von 1477 bis 1491 war G. Leibgedinge Herzogin Dorotheas, Witwe Herzog Heinrichs IV. von Mecklenburg. Auch sie ist in der Stadtkirche begraben worden. Bis zur Reformation gehörte G., für das nach der Erhebung des Gemeinen Pfennigs (in Mecklenburg Kaiserbede) 1495 741 Einwohner anzunehmen sind, zum Sprengel der Bischöfe von Ratzeburg. Eine Blütezeit erlebte G. dadurch, dass es im Zuge der Reformation 1554 Sitz des Administrators des Bm.s Ratzeburg wurde. Als solcher fungierte Herzog Christoph zu Mecklenburg (1537–1592), der sich seit 1569 mit seiner ersten Gemahlin Dorothea von Dänemark (1529–1575) häufig in G. aufhielt, weswegen er 1571–1573 die Burg zum heute noch bestehenden Schloss ausbauen ließ. 1583 privilegierte er die G.er Schützenzunft. Nach Tod Christophs 1592 dienten Stadt und Amt G. seiner überlebenden Frau Elisabeth von Schweden als Leibgedinge, Witwensitz wurde G. jedoch nicht. G. wurde erneut 1608 unter Herzog Johann Albrecht II. und seiner Gemahlin Margaretha Elisabeth Sitz einer Hofhaltung. Mit dem 1611 in Fahrenholz geschlossenen Hausvertrag der Mecklenburgher Herzöge kamen Stadt und Amt G. zum Schweriner Landesteil. Unter Herzog Adolf Friedrich I. (1588–1658) und seinen Nachfolgern verlor G. seine Bedeutung als Nebenresidenz. Nach dem Hamburger Vergleich 1701 blieb G. bei Mecklenburg-Schwerin. Von 1743 bis 1768 war G. an das Kurfürstentum Hannover verpfändet und von hannoverschem Militär besetzt, um die Kosten der 1717–1727 andauernden und u. a. von Kurhannover durchgeführten Reichsexekution gegen Mecklenburg-Schwerin abzutragen. G. war Sitz eines Amts.

(3) Mit dem Bau der unter landesherrlichem Patronat stehenden Pfarrkirche St. Jakob und St. Dionysius ist um 1190 begonnen worden. Nach Schlie stellte G. um 1230 »eine wohlgeordnete Parochie dar«. Heinrich I. von Mecklenburg förderte sie durch die Stiftung von Brot und Wein. 1306 vereinigte Heinrich II. von Mecklenburg die von seinem Vater Heinrich I. für die Burgkapelle gestiftete Vikarie mit der Pfarrkirche St. Jakob und St. Dionysius. 1423 erfolgte die Weihe der als Grablege der Kg.inwitwe Agnes von Schweden vorgesehenen Marienkapelle, die nach dem 1412 in Doberan beigesetzten Albrecht III., König von Schweden und Herzog von Mecklenburg, als Königskapelle bezeichnet wird. Seine Witwe Agnes wurde hier 1434 beigesetzt. Daneben beherbergte die Pfarrkirche die erstmals 1466 als Grablege der Familie Lützow belegte Holdorfer Kapelle und die ältere St. Annen Kapelle. Seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind ein Beginen-Konvent am Jungfernstieg, das St. Georg Hospital und, wahrscheinlich als Armenherberge, das Heiligengeist-Stift belegt. Die vor den Toren der Stadt in Jarmstorf gelegene Kapelle von St. Gertrud wurde im Jahr 1400 von Königin Agnes gestiftet, die Kapelle zum Heiligen Kreuz geht auf eine Stiftung des 15. Jahrhunderts zurück. Die Reformation setzte der G.er Rat mit landesherrlicher Unterstützung gegen den heftigen Widerstand des altgläubigen Pfarrers und Kanzlers Herzog Albrechts VII. von Mecklenburg-Güstrow, Joachim von Jeetze, durch. Auf Betreiben entweder Herzog Albrechts oder Joachim von Jeetzes war bereits der Kaland abgeschafft worden. In der Reformation ist St. Jakob zum alleinigen Namenspatron der Pfarrkirche geworden.

(4) Umgeben von einer auf einem Wall stehenden Befestigungsmauer lagen Burg und späteres Schloss auf einer Anhöhe südöstlich der Stadt. Stadtwärts vor dem Wall befand sich ein massiver runder Zwinger. Im 17. Jahrhundert führten das Lübische-, das Wismarsche- und das Mühlentor in die Stadt. Unter Einbeziehung eines um 1340 entstandenen Vorgängerbaus ist 1618 das an der Nordseite des dreieckigen Marktplatzes gelegene Rathaus fertiggestellt worden. An dessen, sich im Erdgeschoss mit einer Gerichtslaube öffnendem Renaissancegiebel, findet sich das städtische Wappen und die Inschrift »SENATUS POP QUE GADEBUSCENSIS IN HANC FORMAM REDACTA CURIA EST« mit der Jahreszahl 1618. Das rückseitig in Fachwerk angebaute Ratsdienerhaus aus dem Jahr 1580 gilt als ältestes Wohnhaus der Stadt. Eine Darstellung von Stadt und Schloss um die Mitte des 17. Jahrhunderts findet sich im Topographischen Werk Matthäus Merians.

Die Burg wurde 1571–1573 unter Einbeziehung älterer Bausubstanz zu dem bis heute (mit Ausnahme des Anfang des 19. Jahrhundertsabgebrochenen Rundturms) weitgehend unverändert erhaltenen Schloss, im sogenannten Johann-Albrecht-Stil umgebaut. Aus der Zeit um 1570 ist eine unter Herzog Christoph entstandene Hofordnung erhalten geblieben, die u. a. einen Burgfriedensbereich festlegte, der »so weit als ein Trumbetenschall sich erstrecket« gelten sollte.

(5) Zur Vergrößerung der städtischen Feldmark überwies Heinrich II. von Mecklenburg G. im März 1309 das Dorf Zwernin zu lübischem Recht. In Landfriedensverträgen aus dem 14. Jahrhundert verpflichteten die Landesherren den städtischen Rat zur Stellung von zehn Mann. Nachweise über eine Beteiligung G.s an Städtebünden fehlen. Neben der Burg bzw. dem Schloss existierten im Stadtgebiet keine weiteren herrschaftlichen Gebäude. 1452 geben die Rechnungen des hzl.en Vogts Lüdeke Bassewitz Auskunft über regelmäßige landesherrliche Besuche auf der Burg: Zwischen Februar und September 1452 weilte der Hof Herzog Heinrichs IV. von Mecklenburg-Schwerin (reg. 1422–1477) mit bis zu 220 Pferden sechsmal in G., davon zweimal in Begleitung König Christians I. von Dänemark. 1491 ist ein fsl.er Tiergarten bezeugt. Unter dem Vorsitz der Herzöge Heinrich V. und Albrecht VII. kam 1512 in G. ein Vergleich zwischen Angehörigen der Lübecker Geistlichkeit und der bei dieser verschuldeten Ritterschaft des Klützer Winkels zustande. 1542 ließ Herzog Albrecht VII. in G. eine Münze einrichten, die bis 1624 Bestand hatte.

(6) Innerhalb des als Landschaft bezeichneten ständischen Corpus der mecklenburgischen Städte nahm G. eine untergeordnete Position ein. Nach Einwohnerzahl rangierte die Stadt unter den kleineren Landstädten Mecklenburgs im Mittelfeld. Als Landstadt des mecklenburgischen Kreises wurde sie auf den Landtagen in der frühen Neuzeit und noch bis 1918 durch die Vorderstadt Parchim vertreten. Im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts gingen zunehmend landesherrliche Rechte an den Rat über, so dass sich die Selbstverwaltung der Stadt konsolidierte. Kaum untersucht ist die Oberschicht der Stadt, immerhin lassen sich bis in das 16. Jahrhundert vereinzelt Angehörige adliger Geschlechter im Rat nachweisen. Im Zuge des Übergangs von Stadt und Vogtei an die anderen Orten den Vorzug gebende Schweriner Linie des Hauses Mecklenburg büßte G. nach 1611 seine immer wieder währende Bedeutung als Nebenresidenz ein. Fortan fungierte die Stadt hauptsächlich als Zentrum der Vogtei bzw. des Amtes. Haupterwerbszweige waren Handwerk und Landwirtschaft, Fernhandelsbeziehungen spielten kaum eine Rolle.

(7) Archivalien befinden sich im Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS) im Bestand 2.12–1/26 Acta aulica, I. Hof- und Rangordnungen, fasc. 1; Hofordnung Herzog Christoffs, o. D.; V Hofhaltung; IX Fürstliche Schlösser und Häuser, Nr. 171; 2.22–10/11 Domanialamt Gadebusch-Rehna. – Relevant sind auch: Topographia Saxoniae Inferioris, Bey Matth. Merians S. Erbe, Franckfurt 1643. – Mecklenburgisches Urkundenbuch (1863–1977). – Kern, Arthur: Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1905 (Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte, hg. von G. Steinhausen, 2. Abteilung, Ordnungen, 1. Band), S. 246–251. – Engel, Fritz: Die mecklenburgischen Kaiserbederegister von 1496, Köln/Graz 1968 (Mitteldeutsche Forschungen, 56).

(8)Lisch, Georg Christian Friedrich: Geschichte der fürstlichen Residenz Schlösser zu Wismar, Schwerin und Gadebusch, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 5 (1840) S. 1–73. – Lisch, Georg Christian Friedrich: Gadebuscher Amts- und Schloß-Rechnung 1451–52, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 39 (1874) S. 1–19. – Lisch, Georg Christian Friedrich: Die Reformation zu Gadebusch, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 26 (1861) S. 30–47. – Bührke, Wilhelm: Geschichte der Stadt Gadebusch und ihrer Umgegend, Gadebusch 1897. – Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Bd. 2 (1898), S. 456–487. – Hoffmann, Karl: Die Gründung der Stadt Gadebusch, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 94 (1930) S. 28–33. – Hamann, Manfred: Mecklenburgische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Landständischen Union von 1523, Köln/Graz 1968 (Mitteldeutsche Forschungen, 51). – Stuth, Höfe und Residenzen (2001).

Sebastian Joost