Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Vetschau (Wētošow)

Vetschau (Wētošow)

(1) V. liegt am Südrand des Oberspreewaldes an einem zur Spree fließenden Mühlenfließ. In den Quellen wird V. in der Nähe einer Wasserburg um die Wende zum 14. Jahrhundert als Dorf greifbar. Die Wasserburg diente der Sicherung des umliegenden Landes. 1302 befreite Landgraf Dietrich III. von Thüringen († 1307), zugleich Markgraf der Lausitz, das Dorf Veczicz von allen Forderungen; diese Urkunde gilt als erste, wenngleich unsichere Erwähnung V.s. Herkunft und Bedeutung des Namens sind ungewiss. 1371 wurde die Einbindung V.s in das prosperierende Salzhandelsnetz von Luckau über Tornow-V.-Cottbus-Forst und Sorau nach Schlesien bekundet. 1527 wurde V. als Städtlein, Mitte des 16. Jahrhunderts als Stadt bezeichnet. 1548 erfolgte die Stadtrechtsverleihung durch König Ferdinand I. V. gehörte zur Niederlausitz und machte die Besitzerwechsel mit: Im 13. Jahrhundert zunächst wettinisch, fiel es 1303 an Brandenburg, ging 1363 an Böhmen über und 1448 wieder zurück an Brandenburg, wechselte 1471–1490 in ungarische Herrschaft, danach kam es wieder zu Böhmen, 1635 übernahm Sachsen die Herrschaft, 1815 Preußen.

V. war eine Mediatstadt, die wechselnden Herren gehörte, zu denen im 14. und 15. Jahrhundert die Herren von Strehle, von Torgau, von Biberstein, von Pannwitz sowie von 1417–1538 von Zabeltitz und von 1538–1688 die Herren von Schlieben gehörten. Eustachius von Schlieben erwarb 1540 Burg und Stadt V. aus dem Besitz des Wolf von Zabeltitz, um sie im Folgejahr zum Leibgedinge seiner zweiten Ehefrau, Katharina von Schapelow, zu bestimmen. V. diente ihm als Nebenresidenz, war jedoch nicht der Hauptsitz der Familie. Dies änderte sich auch unter Schliebens Erben nur zeitweise.

(2) Das Schloss wurde auf einer Insel südwestlich der Stadt errichtet. Amtsgebäude und Ställe, insbesondere im Westen, sind dem Schloss wie ein Riegel vorgelagert. Eine ca. 300 m lange Straße verband das Schloss mit der Stadt. Diese bestand aus dem rechteckigen Kirchplatz mit der Wendisch-Deutschen Doppelkirche im Zentrum und einer sich gen Nord-Osten fortsetzenden Straße mit Seitenstraßen. Der Ortskern misst nur etwa 100 × 200 m. Die unmittelbare Umgebung der Stadt bildeten, abgesehen von den Ackerfluren im Süden und Westen, Gärten sowie Waldflächen. Die Stadt war nicht befestigt. An dem nach Südosten führenden Cottbuser Weg gab es ein Hospital zum Hl. Kreuz.

Die ursprünglich slawische Bevölkerung erlebte in der frühen Neuzeit verstärkten Zuzug durch deutsche Bewohner. Mit der Verleihung des Stadtrechts 1548 einher ging die Etablierung eines Rats. Die Rechtsprechung oblag der Erbherrschaft, die untere Gerichtsbarkeit wurde nach der Stadterhebung dem Rat übertragen. Seit dem 17. Jahrhundert werden die vier Gewerke der Schuhmacher, Schneider, Bäcker und Fleischer erwähnt. Für eine weitere Differenzierung und Versorgung eines gehobenen Bedarfs sprechen die Weberinnung, Kürschner, Huf- und Waffenschmiede sowie Töpfer. Alle Haushalte und Handwerke der Stadt hatten Abgaben an die Herrschaft zu entrichten. Bezeichnend ist ferner, dass zugleich mit dem Stadtrecht auch ein Jahrmarkt verliehen wurde. Im späten 16. Jahrhundert gab es einen dreitägigen Hauptmarkt, einen zweitägigen Viehmarkt und einen dritten Markt, den Mägde- und Gesindemarkt.

(3) An das Kirchenschiff der Wendischen Landkirche, der (bis zur Auflösung der Parochie vor dem Ersten Weltkrieg) Hauptkirche, schließt sich nördlich die Deutsche Stadtkirche an. Beide Kirchen, auf langgestrecktem Grundriss erbaut, werden durch die vorgelagerte Sakristei an der Ostwand architektonisch miteinander verbunden. Ältester Teil ist der Turm, der von einem Vorgängerbau des 14. Jahrhunderts stammt, den man für die Wendische Gemeinde errichtet hatte. Auf den spätgotischen Turmunterbau setzte man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Hauptgeschoss aus Fachwerk, das mit Backstein verblendet ist. Die Südseite des Turmes weist Schäden von einem Stadtbrand im Jahr 1619 auf. Die Wendische Kirche wurde nach dem Stadtbrand von 1619 erst um 1650 wieder errichtet. Die deutsche Herrschaft benutzte zunächst eine Kapelle, die an der Nordwand der Wendischen Kirche angebaut war. Das Patronat über die Kirche hatte die Herrschaft inne, wie die Brüstungen der Herrschaftslogen zeigen, die mit den Wappenschilden der Patronatsherren Lynar, Reuss, Promnitz und Pourtalés geschmückt sind.

(4) Das Schloss, ein dreigeschossiger Bau mit Mansarddach, ist durch einen Turm an der Ostseite markant herausgehoben und dominiert durch seine Größe wie der Turm der nordöstlich gelegenen Wendisch-Deutschen Doppelkirche den städtischen Raum. Im Innenraum der Wendischen Kirche befindet sich das Epitaph für Eustachius von Schlieben († 1686); seine Vita ist von einem Akanthusrahmen eingefasst. Wie die Wendische Kirche besitzt auch die Deutsche Kirche eine doppelgeschossige Hufeisenempore aus Herrschaftslogen und darüber gelegenen Dienerschaftsemporen. In der Mitte der Brüstung ist eine Kartusche mit dem schliebenschen Wappenschild angebracht. Das Wappen trägt einen blau-silbern geschachteten Balken, darüber in Rot goldene Buchstaben und als Helmzier einen Bügelhelm mit Akanthusranken. An der Südseite der Kirche befindet sich die verglaste Patronatsloge.

(5) Eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung hatte V. als Markt für die Nahregion in der Niederlausitz, zudem lag der Ort an einer der wichtigeren regionalen, die Oder querenden Ost-West-Handelsrouten. Ob und inwieweit Teile der Tuchproduktion ausgeführt wurden muss offen bleiben. Die Anwesenheit von Kürschnern und Waffenschmieden kann als Indiz für die Nachfrage hochwertiger Güter gedeutet werden, die wiederum aus der Funktion V. als Nebenresidenz resultierte.

(6) Die in der Neuzeit wechselnde politisch-administrative Zugehörigkeit der in dem Mkgftm. Niederlausitz gelegenen Stadt V. und ihre Funktion als Nebenresidenz ließ keine ausgeprägte, kontinuierliche Verflechtung zwischen Hof und Stadt entstehen. Personelle Abhängigkeiten zwischen der Verwaltung der Stadt und des Hofes sind nicht nachweisbar, in erster Linie wurden gewerbliche Dienstleistungen von der Herrschaft in Anspruch genommen. In der Stadtentwicklung dominierten neben Landwirtschaft Handwerk und Gewerbe.

(7) Es existieren Abbildungen der Stadt und des Schlossbezirks in folgenden Publikationen: Topographisches, biographisch-historisches, monatliches Tagebuch [=Eckardtisches Tagebuch], Zittau November 1779, zwischen S. 378 und 379. – BLDAM, Plansammlung Inv. Nr. 10–2202 und Inv. Nr. 20–0967 sowie im BLHA, AKS Karte 1463, Rep. 37 Lübbenau, Nr. 6273.

(8) Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Nieder-Lausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts oder geographisch-historische-statistische Beschreibung der Provinz Brandenburg, Bd. 2, bearb. von Heinrich Berghaus, Brandenburg 1855. – Lehmann, Rudolf: Die Herrschaften in der Niederlausitz. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte, Köln u. a. 1966 (Mitteldeutsche Forschungen, 40). – Lehmann, Rudolf: Urkundeninventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400, Köln u. a. 1968 (Mitteldeutsche Forschungen, 55). – Lehmann, Rudolf: Quellen zur Geschichte der Niederlausitz, Tl. 1, Köln u. a. 1972 (Mitteldeutsche Forschungen, 68,1). – Städtebuch Brandenburg und Berlin (2000). – Heegewaldt, Werner: Ein ungewöhnlicher Dachbodenfund. Das Wappenprivileg König Ferdinands I. für Vetschau von 1548, in: Niederlausitzer Studien 33 (2007) (Sonderdruck).

Stefanie Leibetseder