Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Schwedt an der Oder

Schwedt an der Oder

(1) S. liegt auf dem höchsten Punkt einer Insel zwischen zwei Armen der Oder. Bereits in slawischer Zeit besiedelt (der Name wohl slawischen Ursprungs), besaß S. als Oder-Übergang und als Kreuzungspunkt der Straße Berlin-Stettin und Prenzlau-Königsberg (Neumark) gewisse Bedeutung. S. lag im Hochmittelalter im Grenzbereich zwischen Brandenburg und Pommern, er wechselte mehrfach die Zugehörigkeit. Endgültig brandenburgisch wurde er 1479. 1265 wird S., seit dem 13. Jahrhundert zeitweise Sitz eines mkgfl.en Vogts, das erste Mal in einer Urkunde als Civitas bezeichnet. Um 1300 gab es mehrere Besuche der Brandenburger Markgrafen, wie in S. ausgestellte Urkunden zeigen. 1481 kaufte Graf Johann von Hohenstein (ca. 1420–1498) S. und führte die Stadt mit Vierraden zur Herrschaft S. zusammenführte. Kurfürst Joachim I. von Brandenburg bestätigte 1515 auf Bitten Graf Wolfgang von Hohenstein († 1523/35) die stadtrechtliche Qualität S.s.

Nach dem Aussterben der Grafen Hohenstein 1609 fiel die Herrschaft und damit auch S. an die Markgrafen zurück. Sie kam in den persönlichen Besitz Kurfürst Johann Sigismunds (1572–1620) und diente anschließend zur Versorgung seiner überlebenden Frau Anna (1576–1625). Nach ihrem Tod übereignete Kurfürst Georg Wilhelm (1595–1640) die Herrschaft seiner Frau Elisabeth Charlotte (1597–1660). Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm (1620–1688) beließ seine Mutter bis 1660 im Besitz von Stadt und Herrschaft. Anschließend wurde die Herrschaft in zwei Amtsbezirke aufgeteilt, diese an höhere Amtsträger verpachtet. 1664 wurden die Ämter S. und Vierraden an Graf Gustav Adolf von Varrensbach verpfändet, doch konnte 1670 der Kurfürst die durch Meliorationsinvestitionen mittlerweile erhöhte Pachtsumme für den Rückkauf nicht aufbringen, so dass seine zweite Frau Kfs.in Dorothea Sophie (1636–1689) einsprang und die Ämter unter der Bedingung auslöste, sie für sich und ihren Sohn Philipp Wilhelm (1669–1711) als Pfandfideikommiss zu erhalten (hinfort Herrschaft S.-Wildenbruch).

Somit entstand 1670 eine Nebenlinie der Kurfürsten von Brandenburg, die bis auf Landes- und Steuerhoheit (beim regierenden Haus verbleibend) alle grundherrlichen Rechte ausübte. Für diese Nebenlinie, deren Herrschaftsgebiet durch Zukäufe vergrößert wurde, wurde S. Residenzstadt. Die Nebenlinie blieb dynastisch erhalten, da 1711 der ältere Sohn Philipp Wilhelms, Markgraf Friedrich Wilhelm (1700–1771), nachfolgte, nach dessen Tod sein jüngerer Bruder Friedrich Heinrich (1709–1788). Mit seinem Tod erlosch die Linie und die Herrschaft S.-Wildenbruch fiel an das preußische Königshaus zurück. S. wurde 1789 Sitz einer Kriegs- und Domänenkammer.

(2) Im Spätmittelalter übte die Gerichtsbarkeit vor Ort, sofern S. nicht verpfändet war, ein landesherrlicher Vogt bzw. Amtmann aus, der sich im Ort wiederum von Schultheißen vertreten ließ. 1515 wurden von Kurfürst Joachim I. auf Ansuchen Graf Wolfgang von Hohenstein († 1523/35) die Stadtrechte bestätigt, zugleich wurden die Errichtung eines Rathauses, die Einsetzung von Gewerken und Innungen, die Schaffung von Ordnungen und Statuten, die Einschränkung von Diensten angekündigt. Zur Größe des Rats, Kooptationsverfahren und Berufung durch den Stadtherrn können keine Aussagen gemacht werden. 1548 erhielt S. einen Wochenmarkt, 1604 die niedere Gerichtsbarkeit. 1649 bestätigte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Privilegien sowie die 1621 erlassene Polizeiordnung.

Nach der Übernahme durch die Kurfürsten von Brandenburg 1609 stand die Stadt unter der Verwaltung eines Amtshauptmanns. Einen Einschnitt bedeutete 1670 die Schaffung der Herrschaft S.-Wildenbruch durch Kfs.in Dorothea. Eine ihrer ersten Maßnahmen war die Abschaffung der persönlichen Dienste der Bürger und Bauern, die durch eine Geldabgabe ersetzt wurden, nur Amtsfuhren und die Hilfe an den Deichen bei Hochwasser blieben bestehen. 1680 wurde auf Veranlassung des brandenburgischen Kurfürsten mit dem Bau einer Brücke begonnen, 1681 und erneut 1684 wurde die Stadt durch Brände zerstört. Danach wurde S. gemäß den Ideen der barocken Idealstadt errichtet (u. a. 1685 Verbot der Verwendung von Stroh bzw. Schilfrohr für das Dachdecken).

S. scheint ab Mitte des 14. und weiter im 15. Jahrhundert an wirtschaftlicher Bedeutung verloren zu haben. Ab Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sich die Gewerke verstärkt (Privilegierung der Kürschner und Garnwerker 1589, Verzeichnis der Bäckermeister ab 1594), dann wieder nach dem Dreißigjährigen Krieg, nun den Bereich der Nahrungsmittelaufbereitung und des Hausbaus umfassend, jedoch nur einen Tuchmacher (1627) nennend, ehe 1646 sechs weitere durch Kfs.in Elisabeth Charlotte aus Schlesien angeworben wurden, die aber nur drei Jahre blieben; erst ab 1680 gab es wieder Tuchmacher. Für eine wirtschaftliche Förderung sorgten die über die Pfalz und die Schweiz eingewanderten Hugenotten ab 1685, die u. a. als Strumpfwirker, Perückenmacher und Seidenraupenzüchter tätig waren, und die den Tabakanbau als Gewerbezweig heimisch machten. Kfs.in Dorothea berief 1686 den niederländischen Tabakpflanzer Cornelis van Couverden nach S., der die französischen Kolonisten im Anbau von Tabak unterwies. Nur ihnen stand gemäß einem Privileg von 1686 die Tabakverarbeitung zu.

S. war im Spätmittelalter durch Wall und Graben geschützt. Drei Tore gab es (Schlosstor, Vierradener Tor und Angermünder Tor), 1587 wurde ein Torgeld eingeführt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde S. 27mal besetzt und schwer zerstört. Die danach verbesserte Stadtummauerung hatte im 18. Jahrhundert vier Tore, Teile dieser stehen noch heute.

(3) Kirchlich gehörte S. zum Bistum Cammin (Pommern). Pfarrkirche war die St. Katharinen-Kirche, die im späten 13. Jahrhundert errichtet wurde. Im 16. Jahrhundert wurde sie umgebaut und diente ab 1689 auch als Garnisonskirche für die in der Stadt stationierten Dragoner. Über Klöster und Hospitäler sowie weitere geistliche Einrichtungen ist nichts bekannt.

Seit der Reformation, die in S. wie in ganz Brandenburg ab 1540 eingeführt wurde (Übertritt Graf Wilhelm von Hohensteins mit Kurfürst Joachim II. von Brandenburg bereits 1539), wurde die Einwohnerschaft zum neuen Glauben überführt. Hierzu diente die neue Kirchenordnung, die u. a. zu einer Neustrukturierung von Schule und Armenförderung führte. Die Schule wurde zur festen Anstalt mit Rektor, Kantor und Küster. Ab 1686 kamen auf Bitten Kfs.in Dorotheas französisch-reformierte Flüchtlinge nach S., die hinfort eine eigene, französischsprachige Gemeinde bildeten. 1707 hatte Markgraf Philipp Wilhelm, selbst reformierten Glaubens, die Mittel für alle Konfessionen beherbergenden Schul- und Kantorhäuser am Kirchplatz zur Verfügung gestellt, 1771 folgte ein eigenes Haus für die reformierten Prediger. Philipp Wilhelm veranlasste nach seiner Hochzeit 1699 die Errichtung einer deutschsprachigen reformierten Gemeinde, die ihre Gottesdienste im Schloss abhielt. Der 1700 berufene Hofprediger Wilhelm Ludwig Becker war auch für die Seelsorge der deutschsprachigen Gemeinde zuständig und sollte für eine Vereinigung mit der französischsprachigen Gemeinde sorgen.

(4) Geprägt wurde S. von der wie die Stadt 1265 erwähnten Burg, 1330 als slot bezeichnet. Unter den Grafen von Hohenstein wurde die Anlage ab 1553 zum Schloss ausgebaut (1637 abgebrannt). 1645 befahl Kurfürst Friedrich Wilhelm den Wiederaufbau des Schlosses, doch wurden nur Teile instandgesetzt. Auch der Pfandherr Graf von Varrensbach ließ die Reparaturarbeiten fortsetzen. Erst unter Kfs.in Dorothea wurde der Bau vom niederländischen Baumeister Cornelis Ryckwaert († 1693) vervollständigt. Deutlich erweitert wurde das Schloss durch Markgraf Philipp Wilhelm ab 1701, auf dessen persönliche Idee die spätere Dreiflügelanlage zurückging. Zum Wasser hin ließ er ein japanisches Lusthäuschen und einen französischen Garten anlegen, 1708 folgte eine Orangerie. Unter Friedrich Wilhelm wurde 1719–1724 der Schlossbau weitgehend abgeschlossen, die Schlosskapelle erbaut, im Umfeld zudem Kastanienalleen in und nach S. angelegt.

Weitreichende Eingriffe in das Stadtbild zeitigte die Etablierung der Herrschaft S.-Wildenbruch durch Kfs.in Dorothea 1670. Sogleich wurde das alte Amtshaus abgerissen. Sie beauftragte nach dem zweiten Stadtbrand 1684 den niederländischen Baumeister Michel Mattysch Smids (1626–1692) mit der Anfertigung eines Bebauungsplanes, bei dem die alten Straßenverläufe der sich rechtwinklig kreuzenden Berliner Straße und der Vierradener Straße beibehalten wurde, die anderen jedoch begradigt und 21 Baublöcke geschaffen wurden. Bis 1690 entstand eine Residenzstadt, die dem Ideal einer barocken Planstadt entsprach. Die innerstädtische Hauptachse der Schlossfreiheit zwischen dem Schloss und dem Jagd- und Lustschlösschen mon plaisir war in Brandenburg einmalig. Sie prägt S. bis heute. Ab 1671 begann die Gestaltung des neuen, barocken Schlossgartens sowie der repräsentativen Schlossfreiheit mit einer Lindenpflanzung. Unter Markgraf Philipp Wilhelm entstanden an der äußeren, der Stadt zugewandten Seite des Schlossvorplatzes mehrere Freihäuser, die der Landesherr seinen Hofleuten und anderen bevorzugten Personen schenkte. Zudem ordnete er an, die Bürgerhäuser zu weißen, zu schmücken und mit massivem Schornstein zu versehen.

Als weiterer ländlicher Besitz ist die Domäne »Neues Vorwerk« zu nennen, die der ab 1610 als Amtshauptmann agierende Ober-Land-Jägermeister und Hauptmann Jobst von Oppen ab 1613 angelegen ließ. Sie wurde nach 1690 als Jagdgebiet mit Vorwerk Philippsruhe genutzt und vor 1735/36 zum Schloss mon plaisir umgebaut (das heute noch erhaltene mon plaisir ist der dritte, 1778 entstandene Bau). 1701 wurde die bereits 1670 in der Achse des Schwedter Schlosses angelegte, 96 Meter breite Prachtstraße über zwei Kilometer bis an den Heinersdorfer Forst herangeführt und vierreihig mit Linden und Kastanien bepflanzt, so dass das Schloss mit Philippsruhe verbunden wurde. Die Schlossfreiheit übertraf damit sogar die zum Vorbild genommene Berliner Promenade »Unter den Linden«. Unter Friedrich Wilhelm wurden weitere innerstädtische Alleen angelegt.

Vom letzten S.er Markgrafen Friedrich Heinrich wurde 1778 der Park Heinrichlust angelegt. Weiter ließ er die Orangerie 1783 zu einem Theater umbauen. 1776–1779 erhielt unter seiner Ägide die französisch-reformierte Gemeinde ihre Kirche, die nach einem Entwurf von Georg Wilhelm Berlischky (1741–1805) errichtet wurde (daher Berlischky-Pavillon genannt), und die als Begräbnisstätte der S.er Markgrafen diente (1984 in den Berliner Dom überführt).

(5) Überregionale Bedeutung hatte S. nicht. S. war zudem nicht Mitglied von Städtebünden. Jedoch war S. Sitz des Amts S., das 1653 neu gebildet wurde. 1660 wurde das Amt S. anlässlich einer Verpachtung verkleinert und 1664 das neue Amt Vierraden gebildet. Die 1670 gebildete Herrschaft S.-Wildenbruch bildete im Grenzbereich von Uckermark, Neumark und Pommern so etwas wie eine eigenständige Herrschaft, die ehemalige Komturei mit Burg im etwa 30 km entfernten Wildenbruch (Swobnica) wurde ab 1680 zur Nebenresidenz ausgebaut. 1701 führte Markgraf Phillipp Wilhelm eine Domänen- und Justizkammer ein, die bis zum Heimfall S.s an die königliche Linie Bestand hatte.

(6) S. war als Residenzstadt der brandenburgische Nebenlinie S.-Wildenbruch bedeutend, die von 1670 bis 1788 bestand. Nach dem Stadtbrand von 1684 wurde S. nach den Idealen einer barocken Plan- und Residenzstadt tiefgreifend verändert. Baulich lehnte man sich teilweise an das Vorbild Berlin an, weswegen S. auch als die »kleine Berliner Residenz« an der Oder bezeichnet wurde. Als Stadt ist S. bisher wenig untersucht worden, weswegen man über die Verflechtung von Stadt und Hof nur wenig sagen kann.

(7) Der Bestand des Schwedter Archivs wurde 1945 fast vollständig zerstört. Im Stadtarchiv befindet sich ein Altbestand von 18 Magistratsakten zwischen 1600 und 1800 und eine Akte zu Vierraden. Ein weiterer Bestand an Archivalien des 18. Jahrhunderts liegt im Stadtmuseum Schwedt/Oder: Konvolut Collier, Aktenverzeichnis Rep. 123 Schwedt I bis VI. Weitere ungedruckte Quellen zur Herrschaft Schwedt findet man im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA): Rep. 37 Herrschaft Schwedt-Vierraden, Rep. 78 Kurmärkische Lehnskanzlei, II S Markgrafen zu Schwedt. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStAPK) wären heranzuziehen Rep. 21 Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise; Rep. 36 Hof und Güterverwaltung. Des Weiteren im Brandenburgisch-Preußischen Hausarchiv (BPH) Rep. 35 Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Familie; Rep. 26 Stifter der Nebenlinien zu Schwedt bzw. Sonnenburg und ihre Familien. Im Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStASt): G 237 Herzogin Friederike Sophie Dorothea. Überdies ist der Bestand Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abteilung Dessau (LHASa, DE), Abteilung Dessau, A7 b Das Fürstenhaus, zu beachten.

(8)Böer, Ludwig: Die Geschichte der Schwedter Stadtmauer, Schwedt 1937. – Böer, Ludwig: Das ehemalige Schloß in Schwedt/Oder und seine Umgebung, in: Heimatbuch des Kreises Angermünde, Bd. 4, Augsburg 1979. – Stadt Schwedt: Zeit der Markgrafen. Hohenzollern im Schwedter Schloß, Schwedt 2002. – Wintzingerode, Heinrich Jobst von: Schwierige Prinzen. Die Markgrafen von Brandenburg-Schwedt (Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 62), Berlin 2011. – Ich bin ein Mensch mit feinem Widerspruch. Zum 300. Geburtstag von Friedrich Heinrich (1709–1788) Prinz in Preußen und Markgraf von Brandenburg-Schwedt, hg. von der Stadt Schwedt, Schwedt 2011. – Philipp Wilhelm (1969–1711). Ein Hohenzollernspross begründet die Markgrafschaft Brandenburg-Schwedt, hg. von der Stadt Schwedt, Schwedt 2014. – Hinterkeuser, Guido: Das markgräfliche Schloss in Schwedt an der Oder und die Architektur in Brandenburg-Preußen, in: Zeitensprünge. 750 Jahre Schwedter Geschichte, hg. von der Stadt Schwedt, Schwedt 2016, S. 85–93 – Neitmann, Klaus: Stadt – Stadtherr – Landesherr. Schwedt von der zweiten Hälfte des 13. bis zum frühen 17. Jahrhundert, in: Zeitensprünge. 750 Jahre Schwedter Geschichte, hg. von der Stadt Schwedt, Schwedt 2016, S. 7–30.

Anke Grodon