Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Freyenstein

Freyenstein

(1, 2) F. lag auf den Ausläufern eines Höhenrückens in der Nähe der Dosse, die nordöstlich der Stadt durch ein Niederungsgebiet fließt. Der Fluss markierte bereits im Spätmittelalter die Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg. Nach Ende des Wendenkreuzzuges von 1147 blieben die ehemals slawischen Herrschaftsgebiete östlich der Elbe in christlich-deutschrechtlicher Hand. Mit der Wiedergründung des Bm.s Havelberg am angestammten Kathedralsitz nach 1147 wurde das Gebiet in Herrschaftsbezirke eingeteilt, die ab Mitte des 13. Jahrhunderts als terrae bezeichnet wurden. Da F. in der terra Wittstock lag, ist die Gründung der Stadt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die Bischöfe von Havelberg anzunehmen. Die Besiedlung durch Einwanderer aus dem Westen dürfte relativ umgehend eingesetzt haben. Die Stadt nebst Burg sicherte die in der Dosseniederung verlaufende Fernstraße von Wittstock nach Norden zu den mecklenburgischen Städten Plau, Güstrow und Rostock. 1244 haben die Herren von Werle F. als Lehen übertragen bekommen. Nach kämpferischen Auseinandersetzungen im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zwischen dem Bischof von Havelberg und den Markgrafen von Brandenburg dürften letztere seit 1263 Besitzer der Stadt gewesen sein. Nach den mehrfachen Zerstörungen wurde die Stadt an ihrem Standort aufgegeben und zu einem unbekannten Zeitpunkt (aber vor 1287) nach Nordosten etwas näher an die nunmehr nur noch ca. einen Kilometer entfernte Dosse heran in deren Niederung verlegt. Die neue Siedlung erhielt 1287 von den Markgrafen Otto IV. und Konrad das Stadtrecht (als einzige Stadt der Prignitz das Recht der Stadt Brandenburg). 1295 schenkten die Markgrafen die alte Stadtstelle den Bürgern zum »freien und ewigen« Besitz. Auf das Vorhandensein einer Burg in der Frühphase der neuen Stadt lassen die überlieferten Quellen nicht schließen.

1332 nahmen die Herren von Werle auf militärischem Weg die Stadt für etwa 20 Jahre in Besitz, zugleich wurde nun eine Burg sowie ein von den Stadtherren eingesetzter Vogt erwähnt. 1359 verpfändete Markgraf Ludwig II. von Brandenburg F. an die Familie Rohr. 1461 übernahm die Familie Plesse die Herrschaft, bevor die Stadt 1492 an die Rohr zurückveräußert wurde. Unter den Rohr nahm F. den Charakter einer Mediatstadt an und wandelte sich durch den Bau des heute noch erhaltenen Alten und Neuen Schlosses zu einer Residenzstadt. Die Rohr verkauften F. 1620 an die Familie Winterfeld, die die Stadtherrschaft bis 1872 innehatten. Größere Schäden entstanden im Dreißigjährigen Krieg, so dass der Ort 1652 nur noch wenige Einwohner zählte. Stadtbrände von 1647 und 1718 warfen die Entwicklung F.s zurück. 1805 verfügte die Kurmärkische Landkammer, dass F. nicht mehr als Stadt, sondern als Flecken zu bezeichnen sei.

Als Glücksfall für die Archäologie erwies sich die Verlagerung F.s an einen unmittelbar benachbarten Ort in den Jahren vor 1287. Am ersten Standort dürfte die Siedlung etwa 70 Jahre bestanden haben, ehe sie wüst fiel. Nur wenige solcher Anlagen sind in Deutschland in dieser Größe (25 ha) und Qualität erhalten geblieben. Durch Grabungen und moderne geomagnetische Messmethoden konnte eine weitreichende Rekonstruktion des Stadtgrundrisses mit einer Vielzahl von Kellern ermöglicht werden. Mittig lag ein großer rechteckiger Marktplatz, der von allen Seiten mit dichter Bebauung eingefasst war. Er dürfte das wirtschaftliche Zentrum der Stadt gebildet haben. Die Straßen sind in einem rechtwinkligen Raster, typisch für Planstädte dieser Zeit, angeordnet. Zumindest einige waren mit sorgfältigen Feldsteinpflasterungen befestigt. Von Bedeutung ist der Nachweis einer bislang unbekannten Burganlage, die sich einst im Nordwesten der Altstadt befand. Sie ist aber im Verlauf der Jahrhunderte vollständig eingeebnet worden.

Die »Neustadt« F. weist im Südosten heute noch zwei dicht benachbarte Schlossbauten auf. Der regelmäßige elipsenförmige Stadtgrundriss von 300 × 400 m mit drei Längs- und vier Querstraßen wird dabei durch den die beiden Schlösser umgebenen Schlossteich unterbrochen, wobei das Schlossareal in den Stadtmauerring hineinragt. Die beiden Anlagen werden heute als das Alte und das Neue Schloss bezeichnet. Die Stadt wurde von einer Feldsteinmauer mit halbrunden Türmen, zwei Stadttoren sowie Wall und Graben gesichert.

F. lässt sich höchstwahrscheinlich als Burgort bzw. -stadt verstehen. Die Einbindung in die adlige Herrschaft während der frühen Neuzeit verhinderte die Ausbildung einer größeren städtischen Autonomie. Die zweite Stadtrechtsverleihung 1287 sah vor, dass ein vom Stadtherrn eingesetzter Stadtrichter (Schulze) Gericht hielt; Stadt, Schulze und Stadtherr teilten sie die Gerichtseinnahmen zu gleichen Teilen. Zugleich wurde in der Urkunde ein städtisches Ratskollegium erwähnt.

Für 1545 lassen sich 550–600 Einwohner nachweisen. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges hatte die Stadt zwischen 600–650 Einwohner, zu Ende des Krieges konnten noch 28 Bewohner registriert werden. 1686 waren es bereits wieder annähernd 450 Bürger und Mitte des 18. Jahrhunderts wurden 714 Einwohner gezählt.

Wirtschaftlich war F. hauptsächlich von Landwirtschaft und Handwerk geprägt. 1391 wird pauschal ein Gildemeister ohne Angabe des Gewerks erwähnt. Daneben gibt es auch niedergelassene Kaufleute, für die vor allem Fischhandel angenommen wird. Bei der Verleihung des Stadtrechts wurde den F.er Bürgern Zollfreiheit in der Mark Brandenburg zugesichert, was den Handel hätte fördern können. Die alte Siedlungsstelle wurde der neuen Stadt F. durch den Markgrafen 1295 geschenkt. 1328 erwarb F. das Dorf Buddenhagen. Die ab dem 15. Jahrhundert unter der adligen Herrschaft mediatisierte Stadt blieb auf landwirtschaftliche und gewerbliche Selbstversorgung beschränkt. Ein Marktprivileg ist nicht überliefert, jedoch ist mit gewohnheitsrechtlichen Jahrmärkten zu rechnen. So ist für Mitte des 18. Jahrhunderts vermerkt, dass entgegen der kgl.en Akzise Jahrmärkte zur Aktivierung des Handels mit dem benachbarten Mecklenburg durchgeführt wurden.

Nach dem Verkauf F.s durch Kurfürst Johann von Brandenburg 1492 an seine Räte Kurt und Dietrich von Rohr beachteten die neuen Eigentümer die alten Rechte und Privilegien der Stadt nicht mehr. Gleich nach Übernahme der Stadt 1492 wurde das städtische Gericht aufgehoben, die Bürger und Einwohner hatten vor dem adligen Gericht zu erscheinen. Rat und Gemeinde wehrten sich gegen neu gestellte Frondienste, so dass es 1500 zu einem Vergleich kam. Einen weiteren Streitpunkt bildete die erzwungene Übergabe des seit 1295 im Besitz der Neustadt befindlichen Areals der Altstadt an die Herren von Rohr. Diese und andere Reibereien endeten durchweg zu Ungunsten der Bürgerschaft. Sozial und wirtschaftlich wurde die Neustadt F. zunehmend eingeschränkt. 1554 setzte die Familie Rohr durch, dass alle innerstädtischen Rechtsgeschäfte ihrer Zustimmung bedurften. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde die Landwirtschaft wichtigster Erwerbszweig, der Anteil von Handwerkern und Gewerbetreibenden ging soweit zurück, dass sie keine eigenen Gilden bilden konnten. Der Herrschaftswechsel 1620 zur Familie Winterfeld änderte daran nichts, das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Stadtherren blieb prekär. Die Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft gegen die Winterfeld eskalierten in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.

(3) Die Neustadt F. war 1287 Sitz einer Propstei. Am Patronat über die Stadtkirche hatten Rat und Bürger keinen Anteil, es stand allein dem Stadtherrn zu. 1309 verlieh er es dem Johanniterorden. Anlässlich der ersten Generalvisitation in F. 1545 ist eine Schule bezeugt, deren Entstehung unklar ist, gewiss aber in vorreformatorische Zeit zurückreicht. 1657 kämpfte der Schulmeister um seine Bezahlung. Weder die Bischöfe von Havelberg noch das Domkapitel förderten die Entwicklung von Klöstern. In ihrer eigenen Territorial- und Grundherrschaft fanden keine Ordensniederlassungen statt.

(4) Die 1332 bei der Neustadt F. erwähnte Burg dürfte wohl älter sein und bereits 1287 angelegt worden sein; unterstützt wird diese These durch den Ortsnamen F., bei dem es sich um einen typischen Burgnamen handelt.

Das Alte Schloss der Familie Rohr ist vermutlich an Stelle der älteren Burganlage errichtet worden. Der heute noch sichtbare Bestand stammt aus dem 16. Jahrhundert Es handelte sich um eine Dreiflügelanlage mit einer nach Süden weisenden Hauptfront, die 1551 bis 1572 nach Plänen des Architekten Dominikus Parr errichtet, jedoch nicht vollendet wurde. Im Dreißigjährigen Krieg gab es weitere Zerstörungen. Erhalten geblieben ist der Kopfbau des viergeschossigen Westflügels mit Segmentbogenfenstern und Treppenturm. Die an der Nordfassade vorspringenden dreigeschossigen Erker, Giebelfelder und der Oberteil des Treppenturms sind mit plastischen, ursprünglich bemalten Terrakottareliefs aus der Lübecker Werkstatt des Statius van Düren geschmückt. Es dürfte sich um eine höherwertige Anlage gehandelt haben.

Die Familie Winterfeld konzentrierte sich auf die Erhaltung des 80 m westlich des Alten Schlosses gelegenen Neuen Schlosses (die Ruine des Alten Schlosses wurde nicht abgerissen). Es wurde um 1543 unter Dietrich von Rohr als Dreiflügelanlage erbaut. Residenzstädtisches Kennzeichen ist, dass das Neue Schloss direkt mit dem Wittstocker Tor verbaut wurde. Bereits 1565 wurden tiefgreifende Umgestaltungen ausgeführt. Mit der Übernahme F.s durch die Familie Winterfeld 1620 wurde das Innere umgestaltet, nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Säle durch kleinteiligere Räume mit Enfilade ersetzt. Die Baumaßnahmen sprechen für eine stete Nutzung während der frühen Neuzeit.

Die Stadtkirche, eine dreischiffige Halle, liegt auf einer kleinen Anhöhe direkt am Marktplatz. Sie dürfte um 1300 erbaut worden sein, der westliche querrechteckige Turm ist um 1500 erbaut worden. Nach dem Brand von 1718 wurde die Kirche neu eingewölbt und der Turmabschluss erneuert.

Neben Resten der Stadtmauer, deren Verlauf sich heute noch gut im Stadtbild nachverfolgen lässt, hat sich eines der beiden mittelalterlichen Stadttore, das nach Süden führende Wittstocker Tor, erhalten. Das Plauer Tor im Norden wurde im 19. Jahrhundert abgetragen. Der vor der Stadtmauer liegende Wall mit Graben wurde im 18. Jahrhundert eingeebnet und ist heute noch als Gartengürtel vor der Stadtmauer wahrzunehmen.

(5) 1328 verkaufte der Markgraf von Brandenburg das Dorf Buddenhagen samt Patronat dem Rat und der Bürgerschaft von F. Die Bewohner wurden in der Folge in die Stadt F. umgesiedelt, das Dorf Buddenhagen fiel hierdurch wüst. Eine Einbindung F.s in Städtebündnisse ist nicht bekannt.

(6) Die Geschichte F.s als adlige Residenzstadt der frühen Neuzeit ist noch nicht untersucht worden. Bemerkenswert ist, dass die adligen Familien Rohr und Winterfeld ihre Stadt nicht förderten, sondern dafür sorgten, die Bürger auf den Status von Gutsuntertanen zurückzustufen. F. wurde zum Flecken gemacht: Der Stadt wurde 1492 das Gericht entzogen, 1554 den Bürgern bzw. Einwohnern die selbständige Geschäftsfähigkeit. Über Verflechtungen zwischen Stadtgesellschaft und Hof ist nichts bekannt. Als gegen Ende des Dreißigjährigen Kriegs die Einwohnerschaft auf unter 30 zusammengeschmolzen war, gelang innerhalb einer Generation ein Wiederanstieg auf über 400, der ohne die Herrschaft nicht möglich gewesen wäre.

(7) Das zu weiten Teilen nur aus Urkunden bestehende Gutsarchiv der Familie Winterfeld über die Herrschaft Freyenstein befindet sich in Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 37. Es enthält auch Teile mit Bezug auf die Stadt (Kommunal-Sachen 1728–1841), siehe Heegewaldt/Harnisch, Herrschafts-, Guts- und Familienarchive (2010), S. 78–80. Ebendort findet sich der Hinweis, dass ältere Findmittel auch das 1945 bei einem Magazinbrand des Geheimen Preußischen Staatsarchiv, dem älteren Lagerort, vernichtete Aktenarchiv verzeichnen: Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK), Altfindbücher (D) Nr. 37/11 und Nr. 37/12.

(8)Büttner, Georg: Die Kunstdenkmäler des Kreises Ostprignitz, Berlin 1907. – Enders, Lieselott: Die Prignitz, Potsdam 2000. – Enders, Lieselott: Art. „Freyenstein“, in: Städtebuch Brandenburg und Berlin (2000). – Schenk, Thomas: Die »Altstadt« von Freyenstein, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, Rahden/Westfalen 2009.

Joachim Wacker