Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Rhinow

Rhinow

(1, 2) Bereits in slawischer Zeit war R. Mittelpunkt eines kleinen Herrschaftsgebietes, das im Spätmittelalter neben dem Hauptort und seinem Vorgänger mit Burg und Kietz elf Dörfer und vier Wüstungen umfasste. Vermutlich im Zusammenhang des Wendenkreuzzuges (1147) geriet es in den Besitz deutsch-rechtlicher Herrschaftsträger, vielleicht in den der vom Erzstift Magdeburg abhängigen Herren von Jerichow. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde R. unter die Landesherrschaft der Markgrafen von Brandenburg gebracht. Die wohl noch aus slawischer Zeit stammende Burg, die vom Flüsschen Rhin geschützt wurde, blieb in der Zeit der deutsch-rechtlichen Herrschaft – durch eine Mühle ergänzt – bestehen. Daneben war auf dem Gemarkungsteil »Mühlenburg« eine Siedlung entstanden. Zu einem unbekannten Zeitpunkt – wohl im 13. Jahrhundert (zugeschrieben Markgraf Konrad II. [1281–1308/19]) – wurde diese um ca. einen Kilometer verlegt; sowohl der alte als auch der neue Siedlungsort boten einen Übergang über den Rhin für den Verkehrsweg von Brandenburg a. d. Havel und Rathenow in Richtung Neustadt und Kyritz. Am alten Standort, der ebenfalls am Rande des Rhinluches, eines großen Niedermoors, gelegen war, verblieb die ursprünglich zur Burg gehörende Dienstsiedlung, die dann als selbständige Gemeinde (Kietz) mit einer für die brandenburgischen »echten« Kietzsiedlungen typischen Struktur als Fischerdorf mit kleinen Hofstellen fortlebte. Ein Wohnhof mit vier freien Hufen in dem Städtlein wird 1534 genannt.

Nach dem Aussterben des brandenburgischen Zweiges der Askanier 1320 geriet R. in den Besitz der Grafen von Lindow-Ruppin. Das Landbuch Kaiser Karls IV. von 1375 führt R. unter deren Burgen auf (nicht als Stadt). 1386 befand sich der Herrschaftskomplex im Pfandbesitz des Bf.s von Brandenburg, der seinerseits die Burg Hohenauen und das lendeken R. an zwei Ritter weiterverpfändete. Für die Landesherrschaft zurückerworben wurde der Besitzkomplex von Kurfürst Friedrich II. von Hohenzollern 1441, bald darauf, 1445, an die im Havelland ansässige ritterbürtige Familie von der Hagen als Lehen vergeben. Der Zusammenhang zwischen Burg, Kietz, alter und neuer Stadt wird noch anlässlich dieser Belehnung deutlich, da die verschiedenen Gemarkungen und Siedlungsteile zusammen mit dem Hof in R. im Lehnbrief aufgeführt werden. Der hoff zu der Molenberg war zu diesem Zeitpunkt Herrschaftssitz. 1486 erwarb die Familie von der Hagen auch das benachbarte Hohennauen, so dass ein über die Grenzen des Ländchens R. hinausgehender zusammenhängender Besitzkomplex entstand.

Formale Bezeichnungen änderten sich im Laufe der Jahrhunderte. R. wird 1333 opidum, 1441 stedichen, 1445 und 1563 stad, 1608 und 1714 Städtlein, 1694 Flecken benannt, 1808 durch die preußische Städteordnung rechtlich als Stadt anerkannt. Bürgermeister und Rat sind für 1443 bezeugt. Das erst aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überlieferte Stadtsiegel soll Markgraf Konrad II. zeigen.

Anlässlich der Verabschiedung eines Rezesses zwischen Stadt und Herrschaft 1559 wurde festgehalten, dass es 27 Groß- und 10 Kleinbürgerstellen gab, ferner, dass ohne Zustimmung der Stadtherrn keine weiteren Feuerstellen errichtet werden sollten. Hinzu kamen die herrschaftlichen, um 1800 auf zwei Güter aufgeteilten weitere zehn Feuerstellen (mit Försterei und Windmühle). Die Sozial- und Gewerbestruktur ähnelte der eines Dorfes; 1800 gab es einen Lehrer, was auf eine Schule schließen lässt. Die Größe dürfte trotz Schwankungen sich in der frühen Neuzeit nicht wesentlich verändert haben (1624 294, 1740 361, 1790 294 Einwohner, 1800 467 Einwohner im städtischen und 107 im Gutsanteil).

Mittelpunkt der kleinen Stadtanlage (ca. 250 × 300 m) ist der nahezu rechteckige Markt, auf dem – für eine Stadt untypisch – die Pfarrkirche St. Jakobus liegt sowie zwei Parallelstraßen, an der Durchgangsstraße ein weiterer Platz (heute Gänsemarkt / Goetheplatz). Am Rand lag der herrschaftliche Wohnhof, der wohl spätestens seit dem 16. Jahrhundert genutzt wurde. Obwohl unbefestigt, wurde R. im 17. Jahrhundert in das System der landesherrlichen Akzise einbezogen. Wichtig für die Stadtwirtschaft waren die noch 1800 existierenden drei Jahrmärkte.

(3) Die Pfarrkirche, die 1734 grundlegend erneuert wurde, enthält Reste eines älteren Feldsteinbaus. Die Kirche gehörte 1216 zur Sedes Brandenburg, 1459 zur Sedes Rathenow, die nach der Reformation zur Superintendantur umgewandelt wurde. Die Kirche stand unter dem Patronat der Herrschaft und war stets Mutterkirche zu der in Stölln gelegenen Filialkirche.

(4) Mehrmals belasteten im 17. und 18. Jahrhundert Konflikte das Verhältnis zwischen Stadt und Herrschaft, die sich vor allem an herrschaftlichen Eingriffen in die Stadtstruktur durch die Anlage bzw. Erweiterung von Wohnhöfen entzündeten. Zu nennen ist ein Streit von 1683, der um die Umwandlung von fünf, im Dreißigjährigen Krieg wüst gefallenen Bürgerstellen zur Erweiterung des »Alten Hofs« ging, die zur Versorgung eines herrschaftlichen Familienmitglieds eingezogen wurden, wobei die Steuerlasten auf die verbliebenen Bürgerstellen umgelegt wurden. Hiergegen strengte die Bürgergemeinde einen Prozess vor dem landesherrlichen Gericht an und obsiegte, was dazu führte, dass der junge Herr 1683 die seinem Grund direkt benachbarte Baustelle des Hauses des R.er Bürgermeisters, der zugleich Akziseeinnehmer war, einer Fehde nicht unähnlich, verwüstete. Zur gleichen Zeit hatte eine aus dem Nebenlinie in Stölln stammende Frau von der Hagen ebenfalls wüste Bürgerstellen an sich gezogen und den »Neuen Hof« im Städtlein gegründet. 1753 besaßen zwei Vettern von der Hagen, Arend Christoph (1727–1792) und Heinrich Ludwig (1725–1768) jeweils einen Hof bzw. Gut (zweigeschossiges Wohnhaus, Brauhaus, Stallungen, Scheune u. a.); Meierei, Witwenhaus und Mühle wurden gemeinsam genutzt. Karl Friedrich Leopold von der Hagen (1752–1810) vereinigte 1792 beide Güter, für seine Aufenthalte in R. – einen ständigen Wohnsitz mit repräsentativer Hofhaltung hat es in R. zu dieser Zeit nicht gegeben – nutzte er nicht den alten Hof mit dem zweigeschossigen Massivbau, sondern das in Fachwerk errichtete eingeschossige »Neue Haus«. Der Garten oder Park als ein wichtiges Element standesgemäßer adliger Sitze fehlte an beiden Häusern.

Als 1746 die Herren von der Hagen als Gerichtsobrigkeit ein Gefängnis auf dem Marktplatz errichteten, kam es zu einer weiteren Klage der Untertanen gegen ihre Herrschaft.

(7) Das Stadtarchiv befindet sich als Bestandteil des Gutsarchivs im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, Rep 8 Stadt Rhinow, Rep. 37 (Gut Rhinow).

Codex diplomaticus Brandenburgensis, Bd. A VII (1847), S. 1–40.

(8)Köhler, Emil: Chronik der Stadt Rhinow, Rathenow 1891. – Historisches Ortslexikon Brandenburg XI, 1972, S. 316–320. – Anderlik, Heidemarie: Entstehung und frühe Entwicklung der havelländischen Kleinstädte in: Das Havelland im Mittelalter. Untersuchungen zur Strukturgeschichte einer ostelbischen Landschaft in slawischer und deutscher Zeit, hg. von Wolfgang Ribbe, Berlin 1987 (Germania Slavica, 5), S. 383–408. – Göse, Frank: Zwischen adliger Herrschaft und städtischer Freiheit. Zur Geschichte kurmärkischer adliger Mediatstädte in der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 47 (1996) S. 55–85. – Mangelsdorf, Günter: Die Ortswüstungen des Havellandes, Berlin/New York 1994 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 86). – Schich, Winfried: Art. „Rhinow“, in: Städtebuch Brandenburg und Berlin (2000), S. 449–452. – Wendland, Folkwart, Wendland, Folkwin: Garten und Parke in Brandenburg. Die ländlichen Anlagen in der Mark Brandenburg und der Niederlausitz, Bd. 3, Berlin 2015.

Felix Escher