Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Rendsburg

Rendsburg

(1) R. liegt inmitten einer weiten Heide- und Moorlandschaft auf einem Geestrücken an einer Furt durch die Eider. Genutzt wurde die Furt vom nord-südlich verlaufenden Handelsweg (später Ochsenweg genannt), der Jütland mit dem Elberaum verband. Als Kreuzungspunkt hatte R. innerhalb Schleswig-Holsteins eine Mittelpunktlage inne.

Für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die Zugehörigkeit R.s zum Herzogtum Schleswig oder zur Grafschaft Holstein unklar. Erst nach einigen kriegerischen Auseinandersetzungen fiel R. vermutlich zwischen 1250 und 1252 an die holsteinischen Grafen und diente als strategisch wichtige Burg an der Grenze zu Schleswig bzw. zum Königreich Dänemark.

Eine erste Burg, der Ortsname verweist auf eine hochmittelalterliche Befestigung, gab es bereits im 12. Jahrhundert Diese wurde nach einer Zerstörung wahrscheinlich um 1200 durch Graf Adolf III. von Holstein wieder aufgebaut. Zur Residenzstadt wurde der Ort, indem Graf Heinrich I. von Holstein-Itzehoe kurz nach 1290 den Hauptsitz von Itzehoe nach Rendsburg verlegte. Sein Sohn Gerhard III. baute Burg und Stadt um 1321 nochmals weiter aus. Mit dem Tod Gerhards III. »des Großen« 1340 verlor R. an Bedeutung, einer seiner Nachfolger, Gerhard VI. (1384–1404), der ab 1386 auch über Dänemark herrschte, verlegte den Hauptsitz nach Gottorf. 1460 wurde R. zum Sitz der Witwe Adolfs VIII., Margarete von Mansfeld. Allerdings machte ihr Neffe, Graf Gerhard von Oldenburg, ihr die Einnahmen streitig und vertrieb ihren Statthalter 1466 aus dem R.er Schloss. Ohnehin hielt sich die Witwe die meiste Zeit über in ihrer Heimat Thüringen auf. Im 16. Jahrhundert diente die Stadt König Christian III. von Dänemark zeitweilig als Quartier. 1690–1695 wurde R., wo es seit 1665 eine Garnison gab, zur Festung ausgebaut. Das Schloss, das nach Ende der Schauenburgerdynastie 1459 nur noch gelegentlich als Reisequartier der Grafen bzw. Herzöge von Schleswig-Holstein und des dänischen Kg.s diente, wurde zwischen 1718 und 1726 vollständig abgerissen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hielt sich der dänische König Christian VII. längere Zeit hier auf, wo er 1808 verstarb.

(2) Erstmals urkundlich erwähnt wurde R. im Jahre 1199. Eine geschlossen besiedelte Ortschaft mit mehreren hundert Einwohnern und Stadtrecht dürfte es zwischen 1230 und 1240 gegeben haben. Eine Verleihung des lübischen Stadtrechts an R. ist nicht überliefert, vermutlich wurde es um 1235 verliehen. In dem Großen Privileg von 1339 bestätigte Gerhard III. das Stadtrecht. Gleichzeitig legte er das Stadtgebiet fest, schränkte die Befugnisse des Burgvogts ein und schenkte der Stadt 800 Hektar Land. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kam es mehrmals zur Bestätigung und gegebenenfalls zur Erweiterung dieser Privilegien.

Im 14. Jahrhundert dürften zwischen 500 und 1000 Menschen in R. gelebt haben, um 1500 etwa 1000. Zu Beginn des 17. Jahrhundert erfuhr der Handel eine Blüte und die Einwohnerzahl stieg auf etwa 3000. Ein Jahrhundert später war wegen der Garnison die Einwohnerzahl auf 6000 gestiegen (inkl. der Garnison).

Bürgermeister und Rat gab es spätestens seit 1280. Der Rat rekrutierte sich aus wohlhabenden Bürgern und bildete einen geschlossenen Kreis, da Neumitglieder nur durch Kooptation hinzugewonnen wurden. Die Ratsmänner schworen nur dem Rat Treue, nicht der Stadt und erst ab 1711 dem Landesherren. Zur Überwachung des Rates bildete sich Mitte des 16. Jahrhunderts ein Bürgerausschuss. Durch den Festungsbau und die dauerhafte militärische Belegung musste der Rat zahlreiche Kompetenzen an die ab 1669 eingesetzten Stadtkommandanten abtreten. Im Jahre 1714 setzte der König zudem einen Stadtpräsidenten ein, wodurch die bisherige kommunale Selbstverwaltung zu großen Teilen aufgehoben wurde. Proteste hiergegen gab es nur anfangs.

Aussagen zum Verhältnis von Stadt und Hof lassen sich für die Anfangszeit nicht treffen. Fest steht, dass der gräfliche Vogt bis 1339 eine wichtige Rolle in der Stadt spielte. Seine Befugnisse wurden mit dem Großen Privileg Gerhards III. stark beschränkt. So verlor er das Recht, Straftäter innerhalb des Stadtgebietes festnehmen zu dürfen. Die Polizeigewalt und die Gerichtsbarkeit gingen an den Rat über. Der Vogt war fortan nur für die Burg und die Vogtei bzw. das Amt zuständig. In der Stadt gab es einen Stadtvogt, der dem Rat untergeordnet war.

Die Versorgung der Burg und ihrer Bewohner wurde durch die umliegenden Gemeinden sichergestellt. Vor allem die Einwohner Büdelsdorfs hatten Fahr- und Küchendienste zu leisten, alle zum Burgbezirk gehörenden Gemeinden waren zur Lieferung von Naturalabgaben verpflichtet. Ab 1458 hatte auch die Stadt Abgaben an den Landesherren zu zahlen. Im 17. Jahrhundert kam es als Gegenleistung für die Landesverteidigung gegen die Schweden zu einer Reduzierung der Spanndienste gegenüber dem Amt.

Im 16. Jahrhundert wurde die erste Umwallung R.s fertiggestellt. Aufgrund ihrer strategisch wichtigen Lage wurde die Stadt zwischen 1690 und 1695 zur zweitstärksten Festung im dänischen Reich (nach Kopenhagen) ausgebaut. Im Norden der Stadt wurden die Ortschaften Kampen und Vinzier abgerissen, um dem Kronwerk Platz zu machen. Im Süden entstand der barocke Stadtteil Neuwerk. Durch Festungsbau und dauerhafte militärische Belegung wurde die wirtschaftliche Tragkraft für die nächsten 150 Jahre gebunden. Der 1784 fertiggestellte Schleswig-Holsteinische-Kanal erfüllte nicht die in ihn gesetzten Erwartungen.

(3) Bereits vor 1230 gab es in R. eine hölzerne Kirche. Diese wurde bei einem Stadtbrand 1286 zerstört und durch eine neue Backsteinhallenkirche, die Marienkirche, ersetzt, die man ab 1287 auf dem höchsten Punkt der Stadt zu bauen begann. Diese bildete zusammen mit Rathaus und Marktplatz den Mittelpunkt des Ortes. Das Patronat lag ursprünglich beim Hamburger Domkapitel, erst 1344 ging dieses endgültig nach langen Auseinandersetzungen auf die Schauenburger Grafen über. Neben der Marienkirche gab es eine Kirche im Vorort Kampen, welche im Zuge des Festungsbaus 1690 abgerissen wurde. Zugleich errichtete man eine Kirche im neu entstandenen Neuwerk, die heutige Christkirche.

Nach dem Bau der Marienkirche kam es 1328 zur Gründung der Mariengilde und zur Stiftung einer Vikarie durch die Gilde. Insgesamt gab es elf, von Laien gestiftete Vikarien. Neben der Marienkirche gab es drei Kapellen, eine davon, die Nicolai-Kapelle, wurde von Graf Gerhard III. gestiftet.

Im Zuge der Reformation kam es in R. zu mehreren Landtagen, von denen der vom Mai 1525 hervorzuheben ist, als man beschloss, der katholischen Kirche sehr hohe Steuern aufzuerlegen. Ferner wurde 1540 die Reformation für beendet erklärt und 1542 eine neue Kirchenordnung angenommen.

Durch ein 1692 ausgestelltes kgl.es Privileg waren jüdische Händler in die Stadt gelockt worden, denen erlaubte wurde, sich im Neuwerk anzusiedeln. R. war damit eine der wenigen Toleranzstädte. Die öffentliche Religionsausübung war den Juden zum Ärgernis von Magistrat und Geistlichkeit gestattet. 1732 konnte die jüdische Gemeinde schließlich im Neuwerk eine Synagoge errichten. Einen jüdischen Friedhof gibt es bereits seit 1695. Lediglich die Möglichkeiten zur politischen Betätigung und zum Handel mit Kramwaren waren für Juden beschränkt.

(5) Zum Zeitpunkt der Stadtwerdung im 12./13. Jahrhundert war das Umland höchstwahrscheinlich sehr dünn besiedelt, so dass R. seine Bedeutung vorrangig aus der Funktion als Eiderübergang und damit als Transitstation gezogen haben dürfte. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts verlor R. seine Grenzlage zwischen den Herrschaftsgebieten Holstein und Schleswig und wurde durch deren Vereinigung in einer Hand zum Mittelpunkt eines größeren Herrschaftsverbandes. Die zum Burgbezirk gehörenden Gemeinden waren für die Versorgung der Burg zuständig. Der Markt diente dem Handel mit dem Durchgangsverkehr, an der Schiffbrücke kassierte man Brückengeld. Durch die geographisch günstige Lage wurde R. zu einem wichtigen Umschlagplatz für Holz, Vieh und Getreide und verfügte über weitreichende Handelsbeziehungen zu anderen Städten des Landes. Nur einzelne R.er Kaufleute segelten bis an die niederländische Küste. Unter anderem in den Jahren 1525, 1533, 1542, 1544, 1626 und 1627 wurden Landtage in R. abgehalten.

(6) Besonders über die Zeit der Stadtwerdung im 13. Jahrhundert lassen sich wegen der spärlichen Quellenlage keine Aussagen zum Verhältnis zwischen Stadt und Herrschaft treffen. Erst während der Zeit der Schauenburger Grafen aus der Linie Holstein-R. sind gewisse Einblicke zu gewinnen. Eine Vorortfunktion, um nicht zu sagen eine Residenzstadtfunktion übte Rendsburg nur phasenweise, nämlich unter Gerhard III. dem Großen ab 1332 aus, als dieser auch über weite Teile Jütlands und Fünen herrschte (beendet 1340), und ab 1386, als es unter Gerhard VI. zu einer Vereinigung Holsteins mit Schleswigs kam (beendet 1404). Als es 1435/40 wieder zu einer Vereinigung kam, hielt Graf Adolf VIII. von Holstein bzw. als Hzg. I. von Schleswig, es eher mit dem bei Schleswig gelegenen Gottorf. Nach dem Ende der Schauenburgerdynastie diente R. etwa 30 Jahre zur Versorgung einer fsl.en Witwe, im 16. Jahrhundert zeitweise als Aufenthaltsort des dänischen Kg.s und als Ort der Landtage. Gefördert wurde die Stadt insbesondere von Gerhard III., der ihr zahlreiche Freiheiten verlieh. Im Großen Privileg von 1339 bestätigte er das Stadtrecht und schränkte die Befugnisse des Burgvogts innerhalb der Stadt ein. Gleichzeitig sorgten Gerhards Söldner für Unruhe in der Stadt. Formal war das Verhältnis der Ratsmänner gegenüber Stadt und Landesherren indes distanziert: Sie schworen lediglich dem Rat Treue und nicht der Stadt oder dem Landesherren, letzterem erst im 18. Jahrhundert

(7) Archivalien zur Geschichte Rendsburgs finden sich im Stadtarchiv Rendsburg (die Abteilung A umfasst die Zeit bis 1867), im Landesarchiv Schleswig-Holstein, im Reichsarchiv Kopenhagen und in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen. Weitere Archivalien und Objekte befinden sich im Historischen Museum der Stadt Rendsburg.

(8)Buchwald, Gustav: Zwei Fragmente von Rendsburger Stadtbüchern, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 7 (1877) S. 63–88. – Berblinger, Wilhelm: Gerhard der Große und seine Residenz Rendsburg, Rendsburg 1881. – Schröder, Friedrich: Rendsburg als Festung, Neumünster 1939 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 22). – Kaack, Hans-Georg: Die Ratsverfassung und -verwaltung der Stadt Rendsburg bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, Neumünster 1976 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 68). – Hoffmann, Erich: Graf Gerhard III. der Große von Holstein. Der Aufstieg eines Territorialfürsten des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 102/103 (1977) S. 9–48. – Hoop, Edward: Geschichte der Stadt Rendsburg, Rendsburg 1989.

Jonas Müller