Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Körlin an der Persante (Karlino)

Körlin an der Persante (Karlino)

(1) K. liegt in Hinterpommern am Zusammenfluss von Persante (Parsęta) und Radüe (Radew), von der der Mühlgraben abgeleitet ist; hinzu kommt ein weiterer Bach, das Krumme Wasser. Von drei Seiten ist die Stadt von den Gewässern umgeben, im nördlichen Teil dieser Halbinsel wurde die bischöfliche Burg angelegt. In K. kreuzten sich die Salzstraße, die parallel zur Ostseeküste von Stettin (Szczecin) über Naugard (Nowogard) nach Kolberg (Kołobrzeg), Belgard an der Persante (Białogard), Köslin (Koszalin) nach Danzig (Gdańsk) führte, mit einer von Nordwesten nach Südosten führenden Strecke, die Kolberg mit Neustettin (Szczecinek) verband und weiter nach Polen führte. K. kannte eine lange Siedlungstradition seit vorgeschichtlicher Zeit und dürfte im Hochmittelalter von Bedeutung als Handelsort gewesen sein, wie die Erwähnung einer Zollstelle an der Persante-Furt 1159 nahelegt, deren Einnahme an das Prämonstratenserkloster Grobe auf Usedom gehen sollten. 1248 wurde das Kolberger Land vertragsgemäß vom Herzog Barnim I. von Pommern-Stettin an den Bischof von Cammin übereignet. Näher zu fassen ist die Entwicklung K.s erst am Ende des 13. Jahrhunderts. Sie gehörte zu den Tafelgütern der Camminer Bischöfe Als erster residierte hier Bischof Friedrich von Eckstedt (reg. 1330–1343), ehe ab 1363 K. regulärer Hauptsitz der Bischöfe wurde. Doch die Eigentumsverhältnisse änderten sich: Vor 1372 wurde die Burg an die Adelsfamilie Stoltenberg verpfändet, und vor 1389 wurde die Burg von der Stadt Kolberg verwaltet. Während der Regierungszeit Bf.s Nikolaus’ von Bock (1398–1410) wurde die Burg erneut verpfändet, 1445 wieder eingelöst. 1449 verpflichtete sich der Bischof, über die Burg nur im Konsens mit Kolberg und Köslin und dem Domkapitel zu verfügen. 1480 wurde dieses noch weiter eingeschränkt durch die Zusage, die Burg nur an Vasallen des Domkapitels zu verpfänden. Nach 1471 behielt sie Graf Ludwig von Eberstein (nach 1471–1478) als Entschädigung für die Kosten bei der Verwaltung des Bm.s, doch der neugewählte Bischof Marinus de Fregeno (1478–1482) ließ die Burg 1481 erobern und sicherte sie so dem Bischof und dem Domkapitel. 1484 residierte der Administrator des Bm.s Cammin auf dem K.er Schloss. Kurz vor Ende des 15. Jahrhunderts. wurde K. erneut verpfändet, diesmal an die Adelsfamilie Bork. Von weiteren Verpfändungen ist jedoch keine Rede mehr. Bis zum Ende des Bm.s 1648 verblieb sie im Besitz der Bischöfe und des Domkapitels. Im Zuge der Säkularisation in der Reformation wurde das Bistum seit 1569 vertragsgemäß durch Mitglieder des Hzg.shauses Pommern regiert (so bereits seit 1556 durch Herzog Johann Friedrich). Nach Aussterben der Herzöge von Pommern 1637 und dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 wurde das Bistum aufgelöst, das Land kam an das Kurfürstentum Brandenburg. K. fungierte hinfort als Amtsstadt.

(2) Die Stadtentstehung K.s ist erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts näher zu fassen. Zu einem unbekannten Zeitpunkt verlieh der Camminer Bischof (möglicherweise Hermann von Gleichen [1251–1288/89]) der Siedlung das Lübecker Stadtrecht. 1299 wird in einer Urkunde ein civis zu K. erwähnt, 1308 wird K. als bfl.es opidum und castrum bezeichnet. 1378 werden zwei proconsules erwähnt. Die vor 1385 ausgestellten Ordnungen des Camminer Domkapitels nennen castrum Corlinense cum civitate.

Der wohl kleine Ort, für den Einwohnerzahlen erst für das 18. Jahrhundert belegt sind (1740 566 Einwohner, um 1800 ca. 900) dürfte weitgehend agrarisch geprägt gewesen sein. Zünfte werden erst im 16./17. Jahrhundert erwähnt (1549 Schneider, 1594 Brauer, 1658 Grobschmiede, 1664 Schuhmacher, die Ordnungen der Schneider und Brauer mehrmals bestätigt), die vom Bischof ihre Ordnungen erhielten. Im 18. Jahrhundert kam die Herstellung einfacherer Tuche hinzu. 1492 gab es außerhalb des Orts eine nach Zerstörung wieder aufgebaute Mühle. Vergrößert wurde K. 1691 durch die Übertragung der Wiek, eines Vororts, vom K.er Amt an die Stadt.

Die Herrschaft über die Stadt lag beim Bischof, wie es mehrmals im 14. Jahrhundert ausdrücklich bezeugt ist; vor Ort ließ sich der Bischof durch einen Stadtvogt vertreten. 1500 bestätigte Bischof Martin Karith das lübische Stadtrecht, behielt sich aber die Einsetzung eines Stadtrichters vor und bestimmte den Fang von Welsen als Straftat. Der Bischof beanspruchte die Hälfte der Bußen der oberen Gerichtsbarkeit für sich, gestand den Bürgern jedoch das Recht de non evocando zu; nach der Ordnung des Domkapitels vor 1385 besaß die Stadt ein Drittel der Einnahmen der städtischen Rechtsprechung. K. wurde von der Teilnahme an den bfl.en Kriegszügen befreit und sollte nur dem Schutz von Stadt und Schloss dienen (bis ins 18. Jahrhundert mehrmals erneuert). Die Nachfolger aus dem Hause der Herzöge von Pommern bestätigten die Privilegien, zuletzt 1623 Bischof Bogislaw XIV. Eine Schützengilde ist 1690 nachweisbar, doch dürfte sie älter sein.

Im 14. Jahrhundert finanzierte sich die Stadt in erster Linie durch die ihr zugewiesenen Einnahmen der K.er Zollstelle an der Straße nach Belgard an der Leba (Białogard). Die Statuten des Camminer Domkapitels von vor 1385 kennen keine Abgaben an den Bischof Festgelegt wurden solche Zahlungen durch die Privilegienbestätigung 1500, die jährlich fünf Gulden oder 20 Mark vorsahen.

Einschnitte in die städtische Entwicklung stellten die Plünderungen durch Herzog Bogislaw VIII. von Pommern-Stolp 1409 und die Besetzung durch ein Kolberger und Kösliner Kontingent 1481–1486 dar. Auch die Stadtbrände von 1555, 1556, 1643 und 1685 sind hierzu zu zählen sowie die Beschießung durch russische Verbände 1761 im Siebenjährigen Krieg.

(3) Die St. Michaels-Kirche ist erst 1335 mit der Nennung des Priesters fassbar. Sie war zudem für mehrere Dörfer des Umlandes zuständig, 1378 wird ein Vikar erwähnt. Das Patronat lag bei den Camminer Bf.en. 1411 gab es eine Vikarie-Stiftung durch einen Heinrich Schmid und seinen Brüdern, zu deren Unterhalt auch der Kolberger Bürger Wichard Voss eine Rente stiftete; nach dem Pfründenverzeichnis der Camminer Diözese von 1490 dürfte es sich bei den Stiftern um den K.er Bürgermeister und Stadträte handeln. Es gab noch zwei weitere Vikariatsstiftungen (1439 von Adam Podewils und um 1496 von Jakob Crugher). 1510 wurde die ältere Holzkirche im Auftrag Bischof Martin Kariths (1498–1521) durch den Bürgermeister und Kirchenvorsteher Klaus Ringhold durch einen gotischen Backsteinbau ersetzt (1685 schwer beschädigt). Nach Aufnahme der protestantischen Lehre in Pommern auf dem Landtag zu Treptow an der Rega 1534, blieb K. wahrscheinlich bis zum Tode des letzten Bf.s Erasmus von Manteuffel 1544 katholisch. In dieser Zeit ging das Patronat an den Stadtrat über; wohl dieser sorgte bereits 1537 für die Berufung des lutherischen Predigers Jost Pustkow nach K. In der Reformationszeit war K. der Hauptort der K.er Synode. Das Patronat über Pfarrkirche ging ab der Hälfte des 16. Jahrhunderts an den Herzog über. Ab 1729 besaß der K.er Rat das Recht, einen Diakon zu berufen.

In der Kirche wurden im 16. Jahrhundert zwei der Camminer Bischöfe beigesetzt, Erasmus von Manteuffel († 1544, später umgebettet in die Marienkirche von Polzin [Połczyn Zdrój]) und Martin Weiher († 1556).

Das Pfründenverzeichnis von 1490 nannte zudem ein Vikariat bei der St. Georgskapelle vor der Stadt, ein Georgsspital bestand um 1540.

(4) Ein (vermutlich älteres) Rathaus ist erst im 17. Jahrhundert erwähnt, 1685 fiel es einem Brand zum Opfer.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde mit dem Bau der bfl.en Burg begonnen. Nach 1486 setzte Bischof Benedikt von Waldstein (1485–1498) die von den Kösliner und Kolberger Bürgern zerstörte Burg instand. Das Haupthaus erhielt ein Sterngewölbe. Unter dem letzten katholischen Bischof Erasmus von Manteuffel wurde der Bau in mehreren Phasen erweitert. 1556, nach Übernahme des Camminer Bm.s durch die Herzöge von Pommern, kam es zu weiteren Umgestaltungen. Unter Bischof Johann Friedrich (1556–1574) wurde die Burg zu einer regelmäßig angelegten Dreiflügelanlage im Renaissancestil umgebaut. Bei einem Brand 1761 wurde das Schloss vernichtet, die Überreste wurden abgetragen. Es gibt zwei Ansichten von Stadt und Burg, zum einen die Pommernkarte des Eilhard Lubinus von 1618, zum anderen die Topografie von Matthäus Merian von 1652.

(5) Die Stadt besaß keine eigenen Dörfer, nur vom Stadtherrn bestimmte Nutzungsrechte an Gewässern, Wiesen und Wäldern im Umland.

Gewisse Bedeutung hatte K. dadurch, dass 1377 die Burg neben Belgard an der Persante und Arnswalde (Choszczno) zu einem der Orte des Schiedsgerichts bestimmt wurde, auf dem gegen Verstöße gegen den zwischen den Hzg.en von Pommern, den Bf.en von Cammin und den Herrschaftsträgern in der Neumark verabschiedeten Landfrieden entschieden werden sollte. Anzeichen einer gewissen Autonomie K.s war 1447 die Entscheidung zugunsten Kolbergs in deren Streit gegen den Camminer Bischof Henning Iven (1446–1468). Auf eine politische Nähe K.s zu Kolberg und Köslin deutet die 1449 eingegangene Verpflichtung Bischof Henning Ivens hin, über die K.er Burg nur mit Zustimmung dieser Städte und des Domkapitels zu verfügen. Hierfür bürgten Nickel und Hans Wulf aus K., wahrscheinlich Bürgermeister der Stadt. Zentrale Funktion für die gesamte Camminer Diözese wies die Ordnung des Domkapitels von vor 1385 K. zu, indem sie die Stadt zu einem Vorort bei Verhandlungen mit den Städten und den Klöstern des Bm.s bestimmte. Im 14. Jahrhundert befand sich das Offizialat der Diözese nicht in der Bf.sstadt Cammin, sondern in K.

(6) K. verkörpert den Typ einer kleinen Residenzstadt. Als solche fungierte sie im 14. Jahrhundert, ehe sie verpfändet wurde. Für längere Zeit war die Stadt Kolberg Pfandherrin. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam sie wieder in den Besitz des Bf.s und des Domkapitels, so dass sie im 16. Jahrhundert den bfl.en Hof aufnehmen konnte. K. hatte für die nähere Region eine gewisse Bedeutung als Marktort im Hinterland der wirtschaftlichen führenden, etwa 30 km entfernten Hafenstadt Kolberg (Kołobrzeg). Die soziale und kulturelle Verflechtung zwischen Hof und Stadt ist bisher nicht erforscht worden.

(7) Archivalische Quellen werden aufbewahrt im Staatsarchiv Stettin (Archiwum Państwowe w Szczecinie), Archiv der Herzöge von Pommern-Stettin III, Nr. 355–376, und im Landesarchiv Greifswald. – Brüggemann, Ludwig Wilhelm: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königlich Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern, Th. 2, Bd. 2, Stettin 1784, S. 518–525.

Diplomatische Beiträge zur Geschichte Pommerns aus der Zeit Bogislafs X, hg. von Robert Klempin, Berlin 1859. – Pommersches Urkundenbuch, Bde. I–VII, Stettin 1868–1936, Bde. VIII–XI, Köln/Wien 1961–1990, Bd. I, Köln/Wien 21970.

(8)Berghaus, Heinrich Karl Wilhelm: Landbuch des Herzogthums Kaschubien und der einverleibten Kreise der Neümark; oder des Verwaltungs-Bezirks der Königl. Regierung zu Köslin westlicher Theil. Erster Band enthaltend die Kreise des Fürstenthums Kamin und Belgard, Anklam 1867, S. 162–168. – Böttger, Ludwig: Art. „Koerlin a. Persante“, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Pommern, Tl. 3, Bd. 1, H. I: Kreis Köslin und Colberg-Köslin, hg. von Ludwig Böttger, Stettin 1889, S. 57–60. – Courtois, Johannes: Geschichte der Stadt Körlin a. d. Persante, Kolberg 1907. – Courtois, Johannes: Körlin a. d. Persante, in: Der Kolberg-Körliner Kreis. Die Geschichte seiner Städte und Ortschaften, hg. von Johannes Courtois, Kolberg 1908, S. 71–102. – Eggert, Oskar: Art. „Körlin“, in: Deutsches Städtebuch, Bd. 1: Norddeutschland (1939), S. 186–187. – Wedig, Reinhold: Geschichte der Stadt Körlin nach alten Akten, Berichten, Protokollen und Verschreibungen, ohne Ort 1952. – Gartkiewicz, Przemysław, Widawski, Jarosław: Odkrycie pozostałości zamku biskupów kamieńskich w Karlinie, in: Ochrona Zabytków 4 (1964) S. 39–42. – Gartkiewicz, Przemysław, Widawski, Jarosław, Radacki, Zbigniew: Zamek biskupów kamieńskich w Karlinie, in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 11 (1966) S. 303–325. – Radacki, Zbigniew: Średniowieczne zamki Pomorza Zachodniego, Warszawa 1976, S. 222–227. – Zur Geschichte der Stadt Körlin an der Persante, hg. von Elly Isleb-Gutzmann, Bochum 1987. – Janocha, Henryk, Lachowicz, Franciszek: Zamki Pomorza Środkowego, Koszalin 1990, S. 75–80. – Radacki, Zbigniew: Średniowieczne zamki na Pomorzu Zachodnim. Suplement do monografii z 1976 roku, in: Materiały Zachodniopomorskie NS 2–3 (2005–2006) S. 5–81. – Gwiazdowska, Ewa: Historyczne widoki Karlina, in: W poszukiwaniu tożsamości historycznej Karlina, hg. von Andrzej Chludziński, Karlino-Pruszcz Gdański 2010, S. 181–186. – Kalita-Skwirzyńska, Kazimiera: Rozwój przestrzenny miasta i jego zabudowa, in: W poszukiwaniu tożsamości historycznej Karlina, hg. von Andrzej Chludziński, Karlino-Pruszcz Gdański 2010, S. 165–180. – Rodig, Uwe: Quellen zur Geschichte des Körliner Handwerks im Landesarchiv Greifswald, in: W poszukiwaniu tożsamości historycznej Karlina, hg. von Andrzej Chludziński, Karlino-Pruszcz Gdański 2010, S. 141–147. – Rymar, Edward: Karlino – biskupie miasto rezydencjalne (XIII–XVI wiek), in: W poszukiwaniu tożsamości historycznej Karlina, hg. von Andrzej Chludziński, Karlino-Pruszcz Gdański 2010, S. 81–89.

Rafał Simiński