Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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BURGUND, GF.EN VON

I.

Angesichts einer erst allmähl. Emanzipation der späteren Fgft. B. aus dem Kgr. B., die mit dem Beginn des 11. Jh.s einsetzt, wird als der Begründer der Linie im allg. Ott-Wilhelm (um 960-1026) betrachtet. Er war der Sohn des von Otto dem Großen entthronten lombard. Kg.s Adalbert II. und gelangte durch Heirat inden Besitz der Gft.en von Mâcon und von Besançon, mußte aber Ansprüche auf das Hzm. B. aufgeben und an die Kapetinger abtreten. Nach seinem Tod wurde seine Herrschaft geteilt: Sein älterer Sohn Gui erhielt die Gft. Mâcon, während der jüngere Reginald (I.) mit der Gft. Besançon den Kern des östl. der Saône erwachsenden und später als Franche-Comté de Bourgogne (Fgft. B.) bezeichneten Territoriums erbte.

II.

Das Herrschaftsgebiet der Gf.en von B. entstand unter Ott-Wilhelm aus der Zusammenfügung einiger karoling. pagi und entsprach in etwa der Ausdehnung der antiken civitas Vesontium. Unklar sind Natur und Umfang der von Ott-Heinrich ausgeübten Rechte. Thietmar von Merseburg sagte über ihn, er sei zwar dem Namen nach Vasall, tatsächl. aber dominus in re gewesen. Mit der Ausdehnung der ksl. Oberhoheit über das Kgr. B. 1032 gerieten auch die Gf.en in die Vasallität des Reiches. Nach dem Tod desbedeutenden Ebf.s von → Besançon Hugo von Salins (1031-66) führte Gf. Wilhelm I. (1017-87), der auch die Gft. Mâcon von seinem in den Benediktinerorden eintretenden Vetter Gui II. noch einmal übernahm, durch eine geschickte Familienpolitik den Einfluß seines Hauses in der Region auf eine neue Höhe. In der Folge entfremdeten die Gf.en von B. sich zunehmend dem Reich. Gf. Reginald III. (1127-49) weigerte sich bei seinem Herrschaftsantritt gar, die Hoheit des Reiches anzuerkennen und mußte von Lothar von Supplingenburg zur Lehenshuldigung gezwungen werden - ein Geschehen, in dessenZusammenhang nach Auffassung einiger Gelehrter der Titel der »Freigrafen« entstanden sein soll, von dem sich dann die (allerdings erst für das 14. Jh. zu belegende) Bezeichnung ihres Herrschaftsgebietes als »Freigrafschaft« abgeleitet hätte. Die Vermählung von Reginalds III. Erbin Beatrix mit Friedrich Barbarossa (1156) stärkte die Bindungen der Gft. B. an das Reich. Um diese Bindung zu bekräftigen, führte Barbarossas Sohn Otto I. als erster Gf. von B. dann auch den Titel eines Pfgf.en. Nach mehrfachen Dynastiewechseln bis zum Ende des 13. Jh.s brachte der Vertrag von Vincennes (1295)), der anläßl. der Heirat von Gf. Ottos IV. Tochter und Erbin mit dem zweiten Sohn Kg. Philipps IV. geschlossen wurde, die Gft. unter frz. Kontrolle. 1330 gelangte die Gft. an den aus einer kapeting. Nebenlinie stammenden Hzg. Odo IV. von B. und damit kam es erstmals zu einer Vereinigung beider B. durch eine Personalunion. Nach dem Tod des letzten Sprosses dieses Hauses, Philippe de Rouvres (1361), traten beide Landesteile wieder auseinander, bis sie 1384 unter Hzg. Philipp dem Kühnen von B., der einer Nebenlinie des Hauses → Valois entstammte, erneut zusammengeführt wurden. Nach demErlöschen des burgund. Herzogshauses im Mannesstamm (1477) war das Erbe zw. dem Kg. von Frankreich und dem Haus → Habsburg umstritten. Durch die im Vertrag von Senlis (1492) erreichte Einigung fiel die Fgft. an das Haus → Habsburg. Ks. → Karl V. schlug sie dem 1546 gegründeten Burgundischen Reichskreis zu und untertrug sie bei seiner Abdankung (1556) zusammen mit der span. Krone und den Niederlanden seinem Sohn Philipp. Durch den Friedensvertrag von Nimwegen (1679) gelangte die Fgft. B. endgültig an Frankreich.

III.

Häufige Dynastiewechsel sind für die Geschichte der Fgft. B. im gesamten MA kennzeichnend geworden. Die auf Ott-Wilhelm zurückzuführende Hauptlinie des Grafenhauses erlosch 1127 mit Wilhelm III. Mit Reginald III., Gf. von Mâcon, folgte ihm sein nächster männl. Seitenverwandter, aber bereits dessen einzige Tochter Beatrix brachte durch ihre Vermählung mit Friedrich Barbarossa die Gft. an die → Staufer, während die Gf.en von Châlon, eine andere noch verbleibende Linie des von Ott-Wilhelm begründeten Hauses, leer ausgingen. Beatrix' und Barbarossas SohnOtto gab die Herrschaft seinerseits an seine Tochter Beatrix II. weiter, die sie durch ihre Vermählung mit Gf. Otto an das Haus Andechs-Meranien brachte, was zu Konflikten mit den Gf.en von Chalon führte. Diese wurden beigelegt, als die Tochter und Erbin des letzten Gf.en von B. aus dem Haus Andechs-Meranien, Ottos III., 1236 den ältesten Sohn Gf. Johanns I. von Châlon-Arlay heiratete. Der aus dieser Verbindung hervorgegangene Gf. Otto IV. hatte wiederum nur eine Tochter, die sich mit dem zweiten Sohn Kg. Philipps IV. von Frankreich, dem späteren Kg. Philipp V., vermählte.Die Erbin ausdieser Verbindung, Johanna III., ehelichte Hzg. Odo IV. von B., wodurch die burgund. Herzogs- und Grafenwürde erstmals in einer Hand vereint waren. Mit ihrem Enkel Philippe de Rouvres erlosch 1361 das alte kapeting. Herzogshaus von B. Das Hzm. kam nun an eine jüngere Linie des Hauses → Valois, während die Gft. B. an die jüngste Tochter Kg. Philipps V. zurückfiel, Margarethe von Flandern. Durch die Vermählung ihrer Enkelin mit Hzg. Philipp dem Kühnen von B. gerieten ab 1384 beide B. für mehr als neun Jahrzehnte allerdings wieder unter eine gemeinsame Herrschaft. Nach dem TodHzg. Karls des Kühnen geriet der in erster Ehe mit dessen einziger Tochter und Erbin Maria verheiratete Ehzg. → Maximilian von Habsburg über das Erbe in Konflikt mit Kg. Ludwig XI., der u. a. Ansprüche auf die Fgft. erhob. Der Kompromißvertrag von Senlis, den → Maximilian 1493 mit Ludwigs Sohn Kg. Karl VIII. schloß, regelte die Frage in diesem Punkt im habsburg. Sinne. Bei seiner Abdankung verfügte Ks. → Karl V. 1556 den Anfall der Fgft. B. zusammen mit den anderen an → Habsburg gekommenen Besitzungen aus der burgund. Erbmasse an die neu entstehende span. Linie des Hauses,bei der sie bis zum endgültigen Übergang an Frankreich verblieb.

Dunod de Charnage, François-Ignace: Mémoires pour servir à l'histoire du Comté de Bourgogne, 3 Bde., Dijon und Besançon 1735-40. - Gollut 1588. - Le Hête, Thierry: Les comtes palatins de Bourgogne et leur descendance agnatique. Histoire et généalogie d'une dynastie sur huit siècles (IXe-XVIIe siècles), La Bonneville-sur-Iton1995.