Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Nimwegen (Nijmegen)

Nimwegen (Nijmegen)

(1) N. entstand an einer militärisch-strategisch günstigen Stelle auf einem Höhenrücken entlang der Waal, des südlichen und breiteren der Arme des Rheins. In römischer Zeit wurde an dieser Stelle ein Stützpunkt errichtet, dem später eine Siedlung angeschlossen wurde. Im Früh- und Hochmittelalter befand sich in N. eine kaiserliche Pfalz, die Zentrum eines größeren Krongutgebiets inkl. eines größeren Reichswaldes war. Unter Kaiser Barbarossa wurde die Pfalz mit einer Burg verstärkt, die den Namen »Valkhof« erhielt, zu Mitte des 12. Jahrhunderts wurde zudem ein Reichszoll am Rhein eingerichtet. Nach Ende des 12. Jahrhunderts verloren die Reichsoberhäupter das Interesse an N., die Güter gingen der Krone nach und nach verloren, u.a. gelangte der östlich N.s gelegene Reichswald in die Hände der Grafen von Kleve und der von Geldern. Der Reichszoll, eine ertragreiche Einnahmequelle, kam im 13. Jahrhundert an die Grafen von Kleve, gegen Ende des 14. Jahrhundert an die von Geldern. 1247 verpfändete der römisch-deutsche König Wilhelm von Holland den Valkhof an den Grafen von Geldern, die Pfandschuld sollte nie beglichen werden. Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit gehörte N. zur Grafschaft, ab 1339 Herzogtum Geldern. N. spielte immer wieder eine Rolle als Aufenthaltsort für die Herzöge, wie Itinerare der Jahre 1392/93, 1431/32 und 1465/66 zeigen (Nijsten 1992, S. 388-391). In N. hatte zudem ein landesherrlicher Amtmann seinen Sitz.

Innerhalb des Landes Geldern fungierte N. seit etwa der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Hauptort des N.er Landesviertels (»Kwartier van N.«), dem in gleicher Funktion Arnheim, Zutphen und Roermond für ihre jeweiligen Viertel an die Seite zu stellen sind, zusammen bildeten sie die geldrischen Landstände. Politisch bedeutsam wurden sie 1423 beim Dynastiewechsel zur holländischen Familie Egmond. Seit den 1440er Jahren geriet N. in eine Oppositionsrolle gegenüber dem Landesherrn, die bis in die Zeit der ersten Besetzung durch den Herzog von Burgund 1473 und darüber hinaus andauern sollte und in der Bildung einer vom Landesherrn anerkannten Nebenlandesherrschaft durch Junghzg. Adolf 1459 (mit N. als Hauptort bzw. Residenzstadt) ihren Ausdruck fand, ehe dieser auf Anstiften seiner Mutter Katharina und der Stadt N. 1465 seinen Vater gefangen setzte und als Regent (aber den Hzg.stitel führend) die Herrschaft über ganz Geldern ausübte (bis 1471). Nach dem Tod Arnolds 1473 gehörte Geldern bis 1477 mit zu den Burgundischen Niederlanden, wonach kurzfristig wieder Adolf, diesmal als von den April 1477 in N. versammelten Ständen anerkannter Herzog regierte. Nach dessen Schlachtentod Juni 1477 übernahm seine Schwester Katharina van Egmond die Herrschaft. Verdrängt wurde sie 1481 von Maximilian I., der als Herrscher der Niederlande seine Landesherrschaft in Geldern wieder durchsetzte, die bis 1492 andauerte, als der Sohn Adolfs, Herzog Karl von Geldern, die Herrschaft übernahm und Geldern aus den habsburgischen Herrschaftskomplex löste, wogegen Maximilian und seine Nachfolger bis in die 1530er Jahre angingen (»Gelderse orlogen«). Bis 1538 regierte Karl von Geldern, unter dem N. als Hauptort weiterhin von politischer Bedeutung war, jedoch nicht zu den bevorzugten Residenzstädten gehörte. Mit dem Vertrag von Venlo 1543 kam N. wie das gesamte Herzogtum Geldern an die habsburgischen Niederlande.

Größere Bedeutung besaß N. als Festungsstadt während des Niederländischen Aufstands (1566-1648). 1573 nutzte Herzog Alba, der 1572 von König Philipp II. von Spanien zur Niederwerfung des Aufstands entsandt worden war, den Valkhof als Hauptaufenthaltsort. 1591 wurde N. durch Moritz von Nassau als Statthalter und Befehlshaber der niederländischen Stände eingenommen (»reductie van N.«), militärisch spielte N. als Festung eine bedeutende Rolle auch über den Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 hinaus, nun als Bollwerk gegen französische Bedrohungen. Während des Französisch-Niederländischen Kriegs 1672-1678 wurde N. von Truppen Ludwigs XIV. eingenommen. Durch die in N. stattfindenden Friedensverhandlungen wurde der Ort zu einem Zentrum der europäischen Diplomatie. 1787 zogen preußische Verbände in die Stadt ein, um die Macht Statthalters Wilhelm V. in Geldern wiederherzustellen. 1794 zogen französische Revolutionstruppen wie in den ganzen Niederlanden auch in N. ein, die die Stadt bis 1814 besetzt hielten.

(2) Am Beginn der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung stand ein ksl.er Burggraf, der zusammen mit mehreren Burgmannen die kaiserliche Burg und die ihr zugehörigen Güter beherrschten bzw. verwalteten. 1230 erhielt die Kaufleutegemeinschaft, die neben dem Valkhof entstanden war, von König Heinrich (VII.) Stadtrechte, die von den Aachener abgeleitet waren. Unter der Leitung des Burggrafen wirkte nun ein Schöffenkollegium als Vertreter des Stadtherrn, an der Spitze der Einwohnerschaft wurde ein Rat eingerichtet. Seit der Verpfändung N.s 1247 war der Graf von Geldern Stadtherr, dennoch bestätigten die Reichsoberhäupter mehrmals die Stadtrechte. Das Amt des Burggrafen verschwand zwischen 1250 und 1283 und wurde durch einen »iudex« ersetzt, Vorläufer des Amtmanns. Deutlicher fassen lässt sich der Stadtrat erst ab dem frühen 14. Jahrhundert Neue Ratsherren wurden vom sitzenden Rat kooptiert und auf Lebenszeit eingesetzt. Nach der »reductie« von 1591 erhielt der Statthalter das Recht, die Ratsherren einzusetzen, wie überhaupt die Autonomie der Stadt beschnitten wurde.

Gilden und Bruderschaften besaßen mit der »Sinter Claesgilde« ein Vertretungsorgan der Bürger, das im Laufe des Spätmittelalters an Bedeutung gewann. Während die Besetzung der Stadtratsstellen in zunehmenden Maße durch eine kleine Gruppe angesehener Familien monopolisiert wurde, gewann die Sinter Claesgilde das Recht, neue Mitglieder vorzuschlagen. 1591 wurde sie aufgelöst und durch das neue Gremium der sogenannten »gemeenslieden« ersetzt, das nur geringe Befugnisse hatte. Im weiteren Verlauf der frühen Neuzeit setzte auch bei diesen eine Oligarchisierung ein.

Gf. und Stadt ließen um 1250 eine erste Stadtbefestigung errichten, die im 15. und 16. Jahrhundert mehrmals ausgebaut und erweitert wurde. Die um 1460 erweiterte Ummauerung legte eine Einwohnerzahl von ungefähr 10000 nahe, die in etwa bis 1800 bestanden haben dürfte.

Westlich neben dem Valkhof entstand an der niedriger gelegenen »Waalkade« ein ummauerter Handelsplatz, der sich zu einem der führenden Märkte am Rhein für Wein, Getreide und Hering entwickeln sollte. Mit den Kriegshandlungen im Rahmen des Niederländischen Aufstands ging der Handel ab den 1560er/70er Jahren zurück. Im 17. Jahrhundert bekamen die N.er Kaufleute Konkurrenz durch die aus Holland, die zunehmend über die Waal in den Rheinhandel eindrangen. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts erlebte N. wie die gesamte Republik der Niederlande einen wirtschaftlichen Niedergang.

Wichtigster Wirtschaftsfaktor war zwar der Rheinhandel, daneben war N. aber sicherlich seit dem 14. Jahrhundert ein Gewerbezentrum, was sich in der Existenz mehrerer Zünfte ausdrückte. Schmiede, Gewandschneider, Weber und Brauer sind zu nennen. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung gehörte im 16. Jahrhundert diesen Sektoren an. Die Bedeutung des Tuchhandels, eventuell auch der Tuchherstellung, wird ersichtlich aus der Tuchhalle, die sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts am »Grote Markt« befand.

N. war zudem bedeutsam als Sitz bedeutender Künstler. Mehrere berühmte Miniaturisten stammten aus N. wie Johan Maelwael und die Gebrüder Van Limburg. Zu erwähnen sind überdies die Buchdrucker. Bereits in den 1470er Jahren war Gherard van der Leempt als solcher in N. aktiv, zu Beginn des 16. Jahrhunderts wirkten Albert und Frans van der Lempt. Für das späte 16. Jahrhundert ist Peter van Els zu nennen, welcher u.a. ein einflussreiches Geschichtswerk über die Grafen bzw. Herzöge von Geldern publizierte. Zusammen mit der Lateinschule lässt sich N. daher auch als (bescheidenes) intellektuelles Zentrum verstehen.

(3) Frühe Pfarrkirche war die St. Stephanuskirche (ndl. Stevenskerk), die sich direkt neben dem Valkhof befand. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts musste sie der zu errichtenden Stadtmauer weichen, Graf und Stadt verlegten sie etwas weiter westlich auf den Hundisburg genannten Hügel; 1273 wurde sie namens des Kölner Ebf.s durch Albertus Magnus geweiht. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts erhielt sie einen neuen Chor mit Umgang sowie mehrere Kapellen, Ausdruck der wirtschaftlichen Blüte zu dieser Zeit. Wie Katharina von Bourbon (†1469), die Ehefrau Herzog Adolfs von Geldern (reg. 1465-1469 und 1477), es testamentarisch festgelegt und mit einem großen Legat geförderte hatte, wurde die Stevenskerk 1475 von Papst Sixtus IV. zu einem Kapitel erhoben. Sie fand dort ihre letzte Ruhestätte, ihr Sohn Karl von Geldern ließ zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Prachttumba über ihr Grab setzen. Der 1605 fertiggestellte Turm misst 71 m, er stellte eine weithin sichtbare Landmarke dar.

Daneben gab es eine große Anzahl von Klöstern, u.a. von den Johannitern, den Franziskanern und Dominikanern. Ausdruck der Laienfrömmigkeit waren mehrere Beginenhäuser und Niederlassungen der Brüder vom Gemeinsamen Leben. Katharina von Kleve, die Ehefrau Herzog Arnolds van Egmond, stiftete 1471 eine Vikarie in der Pfalzkapelle.

Im Zuge der Gegenreformation wurde 1559 die Kirchenorganisation in den Niederlanden verändert, N. kam zum neugeschaffenen Bistum Roermond, was von der Stadt nicht akzeptiert wurde. Auch die Beschlüsse des Konzils von Trient wurden nicht umgesetzt. Die Reformatorische Bewegung fand in N. wenig Anklang, es gab nur eine kleine Gruppe von Reformierten, auch wenn der 1566 in den Niederlanden durchgeführte Bildersturm auch in N. vollzogen wurde. Nach der »reductie« wurde nur noch die Reformierte Konfession zugelassen, die Stevenskerk kam in die Hände der Reformierten Gemeinde. Dennoch blieb ein Großteil der Einwohnerschaft römisch-katholisch. Die Reformierte Stadtregierung verfolgte durchgehend eine tolerante Haltung, so dass sich im 17./18. Jahrhundert Jesuiten niederlassen konnte, die die Seelsorge für die Katholiken übernahmen. Außerdem konnten die Katholiken sich in das klevische Kranenburg (zwölf Kilometer südöstlich N.s) bzw. Huissen (13 km nordöstlich N.s) oder in das von den spanischen Habsburgern regierte Obergeldern begeben.

Zwischen 1655 und ca. 1680 war N. Sitz einer Hohen Schule, »Illustren Schule«. Die Initiative zu deren Gründung ging von den Gelehrten Johan Smetius und Lambert Goris aus, die eine konkurrierende Lehranstalt gegen die Universität Harderwijk zu etablieren suchten. Nach beider Tod 1653 setzte das »Kwartier van N.« die Gründung gegen den Widerstand der geldrischen Stände und des »Hofs«, des höchsten geldrischen Gerichts, um und fügten das Promotionsrecht hinzu, wodurch eine Universität entstand; 1659 folgte ein eigenes akademisches Gericht. Untergebracht wurde sie in der Johanniter-Kommende, die nach dem Tod des letzten Abts 1636 in die Hände der reformierten Stadtregierung gekommen war. Eine Pestwelle 1666/67 und die Besetzung durch die Franzosen 1672-1674 sorgten für einen Schwund an Studenten, weswegen das »Kwartier« 1675 die Finanzierung einstellte. Recht bald gab es Wiedergründungsversuche, die durchweg scheiterten, am erfolgreichsten war der von 1756, bei dem es für eine kurze Zeit zu einer Wiederaufnahme des Lehrbetriebs kam, der bereits im Laufe des Jahres 1757 wieder eingestellt wurde.

(4) Baulich geprägt wurde N. durch den etwas erhöht gelegenen Valkhof, die Pfarrkirche und die Stadtmauer. Die Pfarrkirche war von einem Kranz von Kanonikerhäusern umringt, gelegen am Großen Markt und durch ein zweijochiges Torhaus zu erreichen.

An der Burchstraat (erst 1950 aus der Korte und der Lange Burchstraat zusammengezogen) befindet sich etwa mittig zwischen der östlich liegenden Burg Valkhof und der westlich liegenden Stevenskerk das Rathaus. Der heutige Bau entstand 1554-1555 im Stil der Frührenaissance, wobei mehrere ältere Wohnhäuser zu einem Gebäude zusammengezogen wurden, indem ihnen ein Querriegel vorgesetzt wurde, der im Erdgeschoss den Schöffensaal und darüber einen weiteren Saal aufnahm. Im Schöffensaal fanden 1678/79 die Verhandlungen zum N.er Frieden statt, der den französisch-niederländischen Krieg beendete. Die aus diesem Anlass angekauften Gobelins stellen eine bis heute bedeutende Sammlung dar.

Eine besondere Rolle für das Selbstverständnis der städtischen Gelehrten spielten die zahlreichen Funde und Zeugnisse aus antik-römischer Zeit, die sich im Zeitalter des Humanismus einer besonderen Wertschätzung erfreuten und zugunsten sowohl einer städtischen als auch dynastischen Überhöhung interpretiert wurden. Einige Einwohner legten Sammlungen der römischen Zeugnisse an. Kaiser Friedrich Barbarossa ließ am Valkhof einen Stein anbringen, der die Gründung der Burg durch Julius Cäsar behauptete. Der Geschichtsschreiber und Kanoniker an der Stevenskerk Willem van Berchen vertrat dieselbe Meinung, zudem glaubte er auf einer Spolie in der Kapelle des Valkhofs den Namen Julius Cäsars entziffern zu können. 1644 schrieb der N.er Predikant Johannes Smetius eine Geschichte der Stadt, in der er der römischen Zeit breiten Raum widmete. Ihm und auch anderen Geschichtsschreibern zufolge war N. in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt die Hauptstadt des germanischen Stammes der Bataver.

Trotz der Stadtherrschaft durch die geldrischen Grafen bzw. Herzöge spielte der Bezug auf die Zugehörigkeit zum Reich noch lange eine Rolle zum Selbstverständnis der Führungsschicht. Neben den Stadtrechtsbestätigungen ist zu nennen, dass auf dem Siegel der Stadt der Kaiser mit den Reichsinsignien abgebildet war. Die Schauseite des Rathauses zeigt acht große Standbilder der Kaiser, unter ihnen Karl den Großen und Friedrich Barbarossa. Auch ein Bild Julius Cäsars war dort angebracht. In der Geschichtsschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts (und noch später) wurde immer wieder der Bezug zum Kaisertum betont. Diese Beziehung machte sich vor allem am Valkhof fest. Als der geldrische Landtag als Eigentümer der Burg 1795 beschloss, die bereits verfallene Burg schleifen zu lassen, führte das zu Unruhe und Widerstand, der jedoch nicht erfolgreich war: Bis auf die Nicolaas-Kapelle wurde die Burg abgerissen.

Ein Stich Franz Hogenbergs von 1576 von der Waal aus gesehen erschien in Georg Brauns Atlaswerk Civitates Orbis Terrarum. Ein Grundriss der Stadt und der Festungswerke wurde von Jan Blaeuw 1649 in seinem Atlaswerk veröffentlicht. Daneben ist ein Gemälde von Jan van Goyens von 1641 zu nennen, das vornehmlich den Valkhof als direkt an der Waal gelegene Burg zeigt.

(5) In Geldern bildeten sich bereits im frühen 14. Jahrhundert landständische Organisationen im Rahmen der Landschaften, die zu einer Einteilung des Herrschaftsgebietes in vier Landesviertel, auch Quartiere (ndl. kwartier) führte, erstmals 1347 deutlich fassbar. Von diesen Landesvierteln war das »Kwartier van N.« das vornehmste und stand rangmäßig an erster Stelle vor Zutphen, Arnheim und Roermond (letzteres wurde durch den Achtzigjährigen Krieg abgetrennt und kam zu den Spanischen bzw. Österreichischen Niederlanden), was sich darin ausdrückte, dass N. an erster Stelle des Herrschaftsumritts neuer Landesherren stand. Zu Arnheim bestand ein Konkurrenzverhältnis, das gelegentlich zu unterschiedlichen politischen Entscheidungen führte, N. führte oftmals die ständische Opposition an. Innerhalb ihres Kwartiers spielten die Hautstädte eine besondere Rolle als politischer Vorort, der die kleineren Städte dominierte. Zum N.er Quartier gehörten als größere Städte noch Tiel und Zaltbommel. 1343, nach dem Tod Herzog Rainalds I., wurde in N. ein Städtebund gegründet zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen. 1350 wählte N. wie Tiel in der landesweiten Parteiung die Seite der Bronkhorsten und den nicht-regierenden Bruder Herzog Rainalds, Eduard, der zu Silvester 1352 die Stadt seiner Herrschaft unterstellte. Formell als Hauptstädte bezeichnet erscheinen die vier Städte 1371, als sie die Zuständigkeit für Wechsel und Münze im Herzogtum erhielten. Seit 1417 gab es einen regen Austausch der Hauptstädte im Besonderen und der Landstände im Allgemeinen über die dynastische Nachfolgefrage, immer wieder diente N. als Versammlungsort, 1423 wurde in N. Arnold van Egmond zum Herzog gewählt. N. gehörte zum »Rat der Sechszehn«, einem von den Landständen gebildeten engeren Rat, der den jungen Herzog Arnold politisch begleiten sollte. Die Steuerpolitik brachte N., gravierender als die anderen Hauptstädte, ab 1447 in einen Gegensatz zu Herzog Arnold, wobei die Stadt dessen Ehefrau Katharina von Kleve unterstützte, um die herum sich die herzogskritischen Kräfte Gelderns sammelten. Zeichen der Entfremdung war, dass Herzog Arnold in den 1440er/50er Jahren zunehmend weniger die Fastnacht in der Stadt N. beging, während sein Sohn Adolf sehr wohl die Fasnacht mit der Stadt N. feierte. In die Auseinandersetzungen wurde als Vermittler Herzog Philipp der Gute von Burgund eingeschaltet, 1448 gab es einen großen Landtag in N., zu dem der burgundische Herzog, der Bischof von Utrecht und der Herzog von Kleve, aber nicht der eigene Landesherr eingeladen hatte, und auf dem eine neue, für den Landesherrn verbindliche Landesordnung verabschiedet wurde. Die Stadt arbeitete seit 1456/57 offen auf eine Absetzung des Hzg.s hin und unterstellte sich dessen Sohn Junghzg. Adolf, was zu einer zeitweiligen politischen Isolation N.s führte. Seit 1459 hielt sich Junghzg. Adolf vermehrt in N. auf und nutzte die Stadt als Ausgangspunkt seiner militärischen Operationen, im Nachhinein legitimiert durch den Frieden von Batenburg (13. Oktober 1459). Nach Verhaftung seines Vaters Arnold 1465 wurden dessen Parteigänger in N. inhaftiert, der Vater in Buren festgesetzt. In N. fand vor den Huldigungen ein Landtag statt, auf dem der ungewöhnliche Regierungswechsel erklärt wurde. Gegen Ende der Herrschaft Karls von Geldern in den 1530er Jahren war N. führend bei den Landständen zur Durchsetzung der Nachfolge Kleves im Herzogtum Geldern (N.er Vertrag 1538).

In wirtschaftlicher Hinsicht ist erwähnenswert, dass N. im Rahmen des Dynastiewechsels zum Hause Jülich 1372 einen Zoll für den Verkehr auf der Waal erhielt (wie auch Arnheim und Zutphen mit Zöllen versehen wurden). N.er Kaufleute genossen in Holland und Seeland Zollfreiheit (bestätigt 1379), 1381 erhielten sie die Freiheit von allen geldrischen Zöllen. Überregionale Bedeutung für den Rheinhandel, drückte sich aus in einer Zugehörigkeit zur Hanse seit 1402, die von Herzog Wilhelm gefördert wurde.

1424 gewährte N. dem gerade an die Regierung gekommenen Herzog Arnold van Egmond einen Kredit von 2000 alten Schilden, zugleich wurde die Verpfändung des Braurechts an die Stadt verlängert. 1427 verpfändete Herzog Arnold der Stadt N. das Gebiet des sog. Rijk, einer sich von Beuningen im Westen über Heumen im Süden bis nach Millingen im Osten um N. erstreckenden Landschaft zwischen Maas und Waal.

(6) N. lässt sich als eine Landstadt mit Reichsbezügen verstehen, die phasenweise in einer dynastischen Krise als (Neben-)Residenzstadt fungierte, die zudem als führendes Mitglied der Landstände entscheidend auf die Geschicke des Landes einwirkte. Auch wenn im 12. Jahrhundert wegen der kgl.en Pfalz ein deutlicher Bezug zum Reich bzw. zum Königtum gegeben war, so entwickelte sich N. doch zur geldrischen Landstadt. In politisch besonderen Lagen wie beispielsweise der 1431 verhängten Reichsacht gegen das gesamte Herzogtum Geldern spielte der wenn auch schwache traditionelle Bezug zum Reich eine Rolle, der sich darin ausdrückte, dass N. als einziger geldrischer Stand von der Acht ausgenommen blieb. König Otto I. hielt 949 in N. einen großen Hoftag ab, 1332 fand in N. die Hochzeit Graf Rainalds II. mit Eleonora, der Tochter des englischen Kg.s, statt. Nach dem Tod ihres Mannes 1343 führte Eleonora als Regentin kurzfristig von N. aus mithilfe eines Regentschaftsrats die proenglische Politik ihres Mannes fort. Im Nov. 1416 besuchte König Sigismund für eine Woche N., als er auf der Rückreise von England ins Reich war, und wo er die Privilegien des geldrischen Hzg.s bestätigte (auch die Bischöfe von Utrecht und Münster erhielten Bestätigungen). N.s formaler Status als an Geldern verpfändete Reichsstadt spielte eine Rolle bei der von Herzog Adolf von Jülich 1431 erwirkten Reichsacht gegen Geldern (Landesherrn und Stände), von der N. ausgenommen blieb (N.er Gesandtschaft nach Nürnberg).

Daneben fungierte N. im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Aufenthaltsort des Landesherrn, eine längere Nutzung als Sitz des Hofs ist allerdings nicht bekannt. Die Verflechtungen zwischen Stadtgemeinde und Hofgesellschaft sind bisher nicht tiefer untersucht worden.

Bedeutender als die Funktion als Residenzstadt war N.s Rolle als Vorort seines Landesviertels. Als solcher war N. an der Regierung des Landes mitbeteiligt, was sich auch an ihrer führenden Rolle bei den Landständen niederschlug. Prägend war ihre mehrere Jahrzehnte währende ständische Oppositionsrolle, die dazu führte, dass 1457 der seinen regierenden Vater Arnold bekämpfende Junghzg. Adolf von N. aus agierte (wohl bis 1465). Immer wieder fanden bedeutsame Landtage in N. statt, von denen der des Jahres 1538 hervorzuheben ist, als die Stände sich für den Herzog von Kleve als Nachfolger in der Landesherrschaft entschieden. Durch die steten politischen Aktivitäten gab es eine immer wiederkehrende Interaktion mit dem Hof. Dabei war die Stadt mit ihren etwa 10000 Einwohnern eine Größe, mit der man seitens der Landesherrn zu rechnen hatte, zumal sie vom Handel über den Rhein profitierte.

(7) Die archivalische Überlieferung der Stadt befindet sich im »Regionaal Archief Nijmegen« (RAN) in Nimwegen. Die Urkunden und Akten der landesherrlichen Seite sind in Arnheim (Arnhem), Gelders Archief (GA) vorhanden.

Herman Diederik Johan van Schevichaven, Jean Chrétien Joseph Kleijntjens, Louise Sormani: Rekeningen de stad Nijmegen 1382-1543, 8 Tl.e, Nimwegen 1910-1918. - Jappe Alberts, Wybe: Stukken betreffende de geschillen tussen hertog Arnold van Gelre en Nijmegen 1458-1459, Utrecht 1952 (Werken, uitgegeven door het Historisch Genootschap gevestigd te Utrecht, Serie 3, 79).

Gerard Geldenhouwer van Nijmegen (1482-1542). Historische werken: Lucubratiuncula de Batavorum insula. Historia Batavica. Germaniae Inferioris historiae. Germanicarum historiarum illustratio, hg. von István Bejczy und Saskia Stegeman, Hilversum 1998 (Middeleeuwse studies en bronnen, 59). - Johannes Smetius. Nijmegen, stad der Bataven, hg. von Antoon A.R. Bastiaensen, Sandra Langereis und Leo G.J.M. Nelissen, 2 Tl.e, Nimwegen 1999.

(8)Offermans, Paulus H.: Arbeid en levensstandaard in Nijmegen omstreeks de reductie, 1550-1600, Zutphen 1972 (Gelderse historische reeks, 3). - Peteghem, P. P. van: De Raad van de »rijksstad« Nijmegen. Een reconstructie van de laatmiddeleeuwse politieke structuren, Nimwegen 1985 (Nijmeegse studiën, 12). - Kuys, Jan: De ambtman in het kwartier van Nijmegen (ca. 1250-1543), 1987 (Publicaties van het Gerard Noodt Instituut, 10). - Begheyn, Paul J., Peters, Els F.M.: »Gheprint te Nymeghen«. Nijmeegse drukkers, uitgevers en boekverkopers 1479-1794. [Katalog der Ausstellung] Nijmeegs Museum Commanderie van Sint-Jan, van 15 september t/m 21 oktober 1990, Nimwegen 1990 (Catalogi van het kunstbezit van de gemeente Nijmegen, 6). - Thissen, Bert: Die Pfalz Nimwegen zwischen Reichs- und Territorialgewalt 1247-1371, in: Territorium und Residenz am Niederrhein, hg. von Klaus Flink und Wilhelm Janssen, Kleve 1993 (Klever Archiv, 14), S. 33-65. - Gropp, Stefan Siegmund: De stedelijke muntslag te Deventer en Nijmwegen (1528/43-1591). Stedelijk particularisme tegen Habsburgs centralisme in de Oostelijke Nederlanden, Hilversum 2004 (Werken, uitgegeven door Gelre, 57). - Nijmegen. Geschiedenis van de oudste stad van Nederland, deel 2: Middeleeuwen en Nieuwe tijd, hg. von Jan Kuys und Hans Bots, Wormer 2005. - Hageman, Maarten: Het kwade exempel van Gelre. De stad Nijmegen, de beeldenstorm en de Raad van Beroerten 1566-1568, Nimwegen 2005 (Werken, uitgegeven door Gelre, 59). - De gebroeders Van Limburg. Nijmeegse meesters aan het Franse hof 1400-1416, hg. von Rob Dückers, Pieter Roelofs und Boudewijn Bakker, Gent 2005. - Kurstjens, Huub: De Hohenstaufen en Nijmegen, ca. 1150-1250/Die Staufer und Nimwegen, etwa 1150-1250, Nimwegen 2015. - De Stevenskerk. 750 jaar spiegel van Nijmegen, hg. von Hettie Peterse, Elsbeth Rooker, Rob Camps und Karel Emmens, Nimwegen 2017.

Gerard Noordzij