Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Detmold

Detmold

(1) D. liegt in der Werrebucht zwischen dem Nordabhang des Teutoburger Waldes (früher Osning) und dem lippischen Hügelland in der Nähe des Zusammenflusses von Berlebecke und Werre. Das Tal der Berlebecke durch die letzten Ausläufer des Osning (Büchenberg/Papenberg bzw. Schanze/Weinberg) berührte das Stadtareal im Süden, der Fluss bog dort nach Westen ab, nun Lichthäupte und Knochenbach benannt. Im Vorfeld des Osning bündelten sich mehrere regional bedeutsame Wege. Ein erster führte von Paderborn im Süden nach D., ein zweiter kam von Horn im Süden vom westfälischen Hellweg. Nach Norden führten ein westlicher Weg über Lage nach Herford und ein östlicher über Lemgo an die Weser.

Die erste Namensnennung (abgeleitet von »Theotmalli«, so viel wie Volksgerichtsstätte) geschieht anlässlich eines 783 im Rahmen der karolingischen Sachsenkriege stattfindenden Gefechts. Nach einer Notiz der Vita Meinwerci (12. Jh.) zum Jahr 1023 soll eine ecclesia Thietmelle das Gedächtnis an die Schlacht bewahren. Papst Leo III. soll diese 799 bei seinem Paderbornbesuch geweiht haben. Ihre Lokalisierung ist ungewiss, mit Sicherheit handelte es sich nicht um die Vorgängerin der späteren D.er Marktkirche, da dieses archäologisch nicht zu belegen ist.

Die Stadt D. entstand wie andere lippische Städte im Rahmen der Konsolidierung der Landesherrschaft unter Edelherrn Bernhard III. zur Lippe (reg. 1230-1265). Wohl gleichzeitig, eventuell etwas früher wurde nordwestlich der Stadt eine landesherrliche Burg errichtet, dieser östlich vorgelagert wurde die Pfarrkirche. Nachgewiesen ist der erste Aufenthalt eines Edelherrn mit Simon I. für 1302. Erst seit 1467 ist durch eine längere Serie von Urkunden mit D. als Ausstellungsort der Aufenthalt des Hofs belegt. Entscheidend dürfte der Strukturwandel unter dem besonders lang herrschenden Bernhard VII. (reg. 1429-1511) gewesen sein, als vermutlich aufgrund der 1447 während der Soester Fehde (1447-1449) angerichteten Zerstörungen die bisherigen Orte Brake bzw. Lemgo in den Hintergrund traten und Blomberg und D. für die Herrschaft wichtiger wurden. D. wurde in eine Festung verwandelt. Ein erster Höhepunkt herrschaftlich-höfischer Nutzung dürfte unter Simon V. (reg. 1511-1536, seit 1528 als Gf.) und Bernhard VIII. (reg. 1547-1563) erreicht worden sein, als der unter Simon V. eingerichtete »ständige Rat« des Landesherrn seinen Sitz in der D.er Burg fand. D. blieb Residenz, bis Graf Simon VI. (reg. selbständig 1579-1613) nach seiner zweiten Heirat mit Elisabeth von Holstein-Schaumburg 1585 noch einmal Brake in Symbiose mit Lemgo bevorzugte, was wegen seiner Konfessionspolitik (1605 Wechsel zum Reformierten Glauben) keine Dauer beschert war. Sein Nachfolger Simon VII. (reg. 1613-1627) kehrte nach D. zurück, welches von da an bis 1918 unbestritten Residenzstadt blieb, die sich im Lauf des 17. Jahrhunderts auch als solche zu bezeichnen begann. Im späten 17. und 18. Jahrhundert erlebte D. eine bauliche Prägung nach den Vorstellungen der Zeit, in denen sich nicht zuletzt die Rangerhebung der Grafen zu Fürsten des Reichs 1720 (Verfahren abgeschlossen erst 1789) ausdrückte.

(2) Auch wenn es keine urkundlichen Nachrichten zur frühen Stadtgeschichte gibt, so ist sich die Forschung einig, dass D. zwischen 1250 und 1265 entstanden sein muss. Gestützt wird dieses durch Indizien wie das Auftreten späterer D.er Burgmannsgeschlechter (Schwartze, von dem Bussche) oder des Gografen von Tetmele in der Umgebung des Landesherrn um die Mitte der 1250er Jahre. Angelegt wurde D. nach dem auch in anderen lippischen Städten vorzufindenden Dreistraßenschema als eine sich west-östlich erstreckende Ellipse. Die Hauptachse bildete eine der Querstraßen, die Lange Straße, die vom Markt nach Süden zum Hornschen Tor führt, wo die Hornsche Straße nach Südosten zur Falkenburg (einer wichtigen Burg der Edelherren, etwa elf Kilometer südöstlich D.s) und ein zweiter Weg nach Paderborn abbiegt. Am Markt knickte die Lange Straße nach Nordosten ab zum Lemgoischen Tor, von wo aus eine Straße nach Brake (ebenfalls mit einer landesherrlichen Burg, etwa elf Kilometer nordöstlich D.s) und weiter nach Lemgo führte. Die Lange Straße trennt den westlichen Stadtteil, in welchem sich die wichtigsten öffentlichen Liegenschaften befanden (Burg, landesherrlicher Stadthof [Lippehof], Pfarrkirche, Markt, Burgmannshöfe). An dessen Südecke stand das Rathaus (Kreuzung Lange Straße-Bruchstraße). Im Südwesten befand sich mit dem Pfarrhof (Wehmhof) ein Komplex geistlichen Besitzes. In der Zeit von etwa 1470 bis 1539 erfuhr das Areal eine deutliche Ausweitung nach Norden hin, so dass eine nun nahezu kreisförmige Anlage entstand. Die erste Befestigung bestand aus einem Wall-Graben-System. D. verfügte über drei Tore (im Süden Hornsches Tor, im Norden Lemgoisches Tor, im Westen Bruchpforte). Die drei Längsstraßen (heute Meierstr. [früher Möhrstr.], Schülerstr. und Exterstr.) endeten im Osten stumpf an der Stadtmauer. Im 18. Jahrhundert erfolgte eine größere Stadterweiterung auf dem Areal der vormaligen Meierei Pöppinghausen.

In einer städtischen Urkunde von 1305 wurden Rat und Gemeinde erstmals erwähnt, aber erst 1366 wurde das Stadtrecht aufgezeichnet, im selben Jahr von Edelherr Simon III. noch als Weichbild bezeichnet. D. hatte das Lippstädter Recht erhalten, das um Detailregelungen ergänzt wurde (Schweinemast, Holznutzung, Baumaterial). Dem bereits bestehenden Jahrmarkt an St. Vitus (15. Juni) wurde ein weiterer zu Martini (11. November) hinzugefügt (letzterer 1604 auf St. Andreas, 30. November, verlegt). Es wurde zudem gestattet, den Weg von Horn nach Lemgo, der ursprünglich nördlich des Stadtgebiets verlief, durch die Stadt zu führen (eventuell wurde auch der Lippstädter Weg jetzt durch D. geleitet, wie von Edelherr Simon III. [reg. 1360-1410] zugestanden wurde).

Das Stadtsiegel zeigte in einem geöffneten Tor eine Stadtabbreviatur mit zinnengekrönter Mauer und zwei zinnengekrönten dreigeschossigen Türmen die fünfblättrige lippische Rose mit der Umschrift »+S. CIVITATIS + DE + DETMELLE.« (letztmals belegt 1428). Ein zweites Siegel mit der Rose im Dreipass und der Umschrift »SIGILLVM CIVITATIS DETMOLDE« wurde bis zum Ende des Alten Reichs benutzt. Beide verdeutlichen wie auch die Rats- und Bürgereidformeln die Einbindung in die symbolische Selbstdarstellung der Landesherren.

Über Zusammensetzung und Tätigkeit des Stadtrats ist bis ins 17. Jahrhundert nur wenig bekannt, erst die dann einsetzende Stadtbuchüberlieferung gewährt nähere Einblicke. Der Rat bestand aus einem alten und einem neuen Rat, je einem Bürgermeister, je zwei Kämmerern und je fünf weiteren Ratsherren. Die Wahl bzw. Umsetzung vollzog sich am Tag nach Dreikönig (nachreformatorisch: Epiphanias) in Anwesenheit landesherrlicher Kommissäre, die anschließend die Vereidigung vornahmen. Daneben bestand als Vertretung der Gemeinde ein Achtmännergremium von Eidgeschworenen. Soweit erkennbar gelangten Kaufleute, aber auch Handwerker in den Rat. Ein Patriziat hat sich nicht ausgebildet, wohl aber eine Führungsgruppe einflussreicher Familien, die den Rat dominierten und gleichzeitig dem Landesherrn unterstanden (z.B. im 15. Jahrhundert die Familien Ghyr und Mettegang). Noch deutlicher wird diese Bindung, als von 1634 bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fast ausschließlich Beamte und Juristen als Bürgermeister auftraten. Die richterlichen Befugnisse des Rates wurden mit der Einrichtung des Lippischen Hofgerichts 1593 beschnitten. Dieses Gericht wurde zum Obergericht der Grafschaft Lippe, es beließ allen städtischen Gerichten den Charakter einer ersten Instanz. Darüber hinaus ergaben sich zahlreiche Konflikte, insbesondere bei Versuchen, Hofbedienstete vor das städtische Gericht zu ziehen sowie durch Kompetenzstreitigkeiten von kommunalen und landesherrlichen Amtsträgern.

Als weitere Amtsträger sind die Rottmeister (zuständig für das Wehrwesen, 16 Rotten zu je 14-20 Steuerpflichtige), die Bauermeister (untergeordnete Rechtsprechungsinstanz mit Strafbefugnis bei Grenzstreitigkeiten, Flurschäden und Feldvergehen) und die Bruchherren (zuständig für die Hudeflächen außerhalb der Stadt) zu nennen.

D.s Wirtschaft war stark agrarisch geprägt. Trotz der günstigen Verkehrslage hat sich D. nicht zu einem Zentrum des Fernhandels entwickeln können. Auch fehlte ein nennenswertes Exportgewerbe. Über Handwerk und Gewerbe ist für das Spätmittelalter kaum etwas bekannt. 1453 wird eine Leinewebergilde erwähnt, 1499 soll es laut einer Aufzeichnung von 1558 ein Schmiedeamt gegeben haben. Erst im 17. Jahrhundert werden die Handwerksämter deutlicher sichtbar. Es gab acht bis neun »Ämter« oder »Gilden«, d.h. zünftisch verfasste Verbände der Grundversorgung (Krämer, Brauer, Bäcker, Schmiede, Schuhmacher, Schneider, Wollweber, Leinweber, Knochenhauer, Tischler). Hinzu trat 1659 das Sattleramt, das 1674/78 im Krameramt aufging (wohl eine Aufwertung der Sattler, die auf die Bedürfnisse des Hofes nach dessen Rückkehr nach D. zurückzuführen ist). Es kam von 1674/78 an zur vermehrten Ernennung von Freimeistern und Hofhandwerkern, seit 1678 war in jedes Amt ein Freimeister aufzunehmen. Dagegen nahm die Bedeutung der Textilgewerbe ab, die Weberei verlagerte sich weitgehend aufs Land, in D. verschwand das Wollweberamt im 18. Jahrhundert Die D.er Zünfte hatten keinen direkten Einfluss auf die Stadtverwaltung.

(3) D. gehörte zur Diözese Paderborn. Die genaue Zuordnung der hochmittelalterlichen ecclesia Thietmelle ist unklar. Die 1223 erstmals erwähnte D.er Pfarrkirche hatte ein St. Vitus-Patrozinium, was auf Beziehungen zum Kloster Corvey verweist, das in dieser Region über reichen Besitz verfügte. Bald nach 1265 unterstand sie dem Archidiakonat Lemgo. Im 15. Jahrhundert werden häufig Angehörige von Bastardgeschlechtern der Landesherren sowie der Burgmannen als Pfarrer genannt. Bruderschaften fehlen offenbar bis auf die Erwähnung einer Fronleichnamsgilde (1455 bzw. 1513), die als Kalandbruderschaft interpretiert wird. Neben der Pfarrkirche existierte noch eine Kapelle in der Burg.

Edelherr Bernhard VII. unterstützte die Reformbewegungen der Zeit und privilegierte 1460 das Schwesternhaus Marienanger, das seit 1453 auf dem Burgmannshof der von dem Busche auf Initiative eines Herforder Fraterherrn entstanden war (1456-1463 Einführung der Augustinusregel). Damit schuf Bernhard neben der Pfarrkirche ein zweites geistliches Zentrum im Ostteil der Stadt. Bedeutsam war die klösterliche Textilherstellung. Bis 1478 wurde es gemeinsam mit dem Schwesternhaus in Lemgo verwaltet. In der Reformation nahm es den neuen Glauben an, 1577 wurde es aufgehoben, bis 1615 waren die letzten Schwestern verstorben. 1602 wurden die Gebäude von dem neugegründeten Gymnasium übernommen.

Die häufig zu findende Behauptung, es habe ein Klarissenkloster gegeben, beruht auf einem Missverständnis. 1460 wurde das Hospital zum Hl. Geist gegründet, das 1580 an die Nordseite der Bruchpforte verlegt wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde es in ein Waisenhaus umgewandelt, in seinem Umfeld entstanden 1752/54 ein Zuchthaus (Korrekturanstalt und Arbeitshaus) sowie 1781 ein Lehrerseminar, das unter dem Einfluss der Gf.in Casimire die Ideen des Dessauer Philanthropinums aufnahm.

D. hat sich erst spät der reformatorischen Lehre angeschlossen, da Simon V. (†1537) am alten Glauben festhielt. Erst nach seinem Tod erließen die Stände 1538 unter dem Druck Landgraf Philipps von Hessen, an dessen Hof Bernhard VIII. erzogen wurde, eine reformatorische Kirchenordnung. 1542 wurde D. zum Sitz einer Superintendentur. Einen Konfessionswechsel gab es 1602, als Simon VI. sich zum Reformierten Glauben bekannte. Äußeres Zeichen war, dass er mit seiner Familie und dem Hof nach einer Predigt in der Marktkirche das Abendmahl nach reformiertem Ritus einnahm. Der D.er Rat wiedersetzte sich anfangs, doch fügte er sich bald. Das Luthertum war in D. nicht ganz erloschen, so hielt z.B. die Burgmannenfamilie Schwartz (ausgestorben 1717) daran fest und beging auf Haus Braunenbruch lutherischen Gottesdienst. Kurz nach seinem Regierungsantritt heiratete Graf Simon Henrich 1719 Johanette Wilhelmine von Nassau-Idstein, eine strenge Lutheranerin, die ihren eigenen Hofprediger mitbrachte und am Hof eine lutherische Seelsorge begründete. In D. wurde mit ihrer Unterstützung im Garten des Burgmannenhofes von der Borch 1733-1742 eine lutherische Kirche errichtet (1896 abgerissen).

Die D.er Judengemeinde, deren älteste Belege bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen (1452 iodenstede beim Markt, 1481 iodenstrate), bestand bis zur Vertreibung aller Juden aus Lippe 1614, doch bereits 1633 wurde ein Gebäude errichtet, dessen Bauweise es als jüdisches Bethaus auswies (Hintergrundbebauung Bruchmauerstr. 27, sog. »Hofsynagoge«). Bis 1702 unterstand die D.er Gemeinde einem Rabbiner in Warburg, dann setzte Graf Friedrich Adolf einen in D. ansässigen Vizerabbiner ein. Die 1742 errichtete Synagoge hatte nur bescheidenen Charakter. 1776 wurde die Verbindung zu Warburg ganz gelöst und in D. ein Landesrabbiner eingesetzt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wuchs die D.er Judengemeinde an, 1807 gab es 135 Juden. 1719 kam es zu Tumulten zwischen Zunfthandwerkern und den Juden. 1725 wurde die neu gegründete Tabakfabrik auf der Neustadt dem Hofjuden Joseph Isaak übertragen, und der Hoffaktor Raphael Levi wirkte 1771-1790 bei der Sanierung der zerrütteten Landesfinanzen mit.

Über ältere Schulen ist nichts Näheres bekannt außer der Existenz eines Schulmeisters an der Pfarrkirche 1357. 1602 wurde im Kloster Marienanger eine neue Lateinschule eröffnet, in der nach dem Willen Simons VI. die zukünftigen Eliten des Landes in der reformierten Konfession erzogen werden sollten. Als Rektor wurde Lazarus Schöner bestellt, der in Wittenberg und Jena studiert hatte und Rektor der Lemgoer Schule war, die damals die zentrale Bildungsstätte in Lippe darstellte. 1573 ist er, offensichtlich aus konfessionellen Gründen, in die Dienste Simons VI. getreten. Diese Schule ist Keimzelle des noch heute bestehenden Gymnasiums Leopoldinum. Schon 1600 war der Sitz des Generalsuperintendenten im Wehmhof errichtet worden.

(4) Die nach dem »lippischen Dreistraßenschema« angelegte Stadt erfuhr nach den Zerstörungen in der Soester Fehde eine durchgreifende Veränderung. Diese betrafen vor allem das nordwestliche Viertel und zielten auf die Stärkung der Burg, die in eine Wasserburg verwandelt wurde. 1580 wurde das Hl. Geist-Spital an die Bruchpforte im Westen verlegt. Die Bauten am Schlossbezirk gingen im 16. Jahrhundert weiter, nicht zuletzt, da die Landesherren seit 1528 den Gf.entitel führten und ein repräsentatives Zentrum wünschten. Neben den Wällen der Stadtbefestigung, die bereits unter Simon V. entstanden, konnte der Schlossausbau offensichtlich in den 1550er Jahren abgeschlossen werden. Der Umbau führte im Norden zu einer Erweiterung des Stadtareals auf 15,7 ha und geschah unter radikaler Beseitigung älterer Bausubstanz nicht konfliktlos (Beseitigung des Burgmannenhofs der von der Borck 1535). Jenseits des Stadtgrabens (»Faulergraben«) gegenüber dem Eingang des Schlosses wurde Ende der 1550er Jahre ein Lustgarten angelegt. Damit war ein repräsentatives Herrschaftszentrum entstanden, das auch ein vor 1579 fertiggestelltes Kanzleigebäude einschloss.

Deutlich gemacht wird die Dominanz dieses Umbaus für das Stadtganze in einem Stich Elias und Heinrich von Lenneps von 1663/65, auf welchem die bürgerliche Siedlung völlig zurücktritt und in dem der Residenzbezirk die Stadt gleichsam absorbiert (Schmitt/Schuchert 2007, Nr. 164, S. 160f.). Als weitere Darstellung sei ein Kupferstich in Merians Topographie 1647 und von Johann Georg Rudolphi von ca. 1670 genannt.

Unter Graf Friedrich Adolf (1697-1718), der den Fs.-titel anstrebte, wurde die Residenzstadt den zeitgemäßen Repräsentationsformen angepasst, die größtenteils durch Fachwerkbauten geprägte Altstadt nach Süden erweitert. Als Achse diente ein Kanal, der aus dem Stadtgraben heraus zur Meierei Pöppinghausen geführt wurde. Dort hatte bereits Gf.in Amalia zu Dohna, die Mutter Friedrich Adolfs, ein Mustergut und ein Lusthaus errichtet. Hier entstanden nun eine Orangerie (Krummes Haus), Fasanerie und ein Terrassengarten mit Fontänen, Bassins und Grotten. Diese »Friedrichsthal« benannte Anlage wurde nach einem Brand 1729 nicht weiter genutzt, verfiel und verschwand, nur das Krumme Haus blieb erhalten.

Bestand hatte jedoch die Anlage der »Neustadt« östlich des Kanals 1708-1720 in einheitlich festgelegter Bauweise, im frühen 19. Jahrhundert westlich des Kanals ergänzt. Die Neustadt erhielt 1708 eine eigene Gerichtsbarkeit. Südlich der Neustadt entstand seit 1709 ein Palais für Friedrich Adolfs zweite Gemahlin Amalie von Solms-Hohensolms, das zunächst nach Wiener und Kurmainzer Vorbild »Favorite«, später in Vereinigung der Namen der Ehegatten »Friedamadolphsburg« benannt wurde (nach neuerlichem Umbau 1840 »Neues Palais«). Die Neustadt war von gehobenem bürgerlichen Wohnen und fsl.er Repräsentation geprägt.

Eine weitere Umgestaltung vollzog sich in der Regierungszeit Graf Simon Augusts (1734-1782) am Schlossplatz. Dieser lag als unregelmäßiges Rechteck vor dem Schlossbau Jörg Unkairs (erbaut 1549-1557 1590-1621, Fertigstellung 1673) und war mit Wirtschaftsgebäuden besetzt. 1665 war an der Grenze zum Kirchplatz ein Neubau der Kanzlei, das Dikasterialgebäude, hinzugekommen. 1781-1800 wurde der Schlossplatz neu geordnet, die Burg entfestigt, die Wälle an der Schlossplatzseite abgetragen und der »Faule Graben« in die Straße »Rosental« umgewandelt, die in die Lange Straße mündete. Entlang dieser neuen Straße entstanden der Marstall, ein Reithaus und Remisen. Damit war eine unmittelbare Verbindung des Schlossvorplatzes zum Lustgarten hergestellt, ebenso ein allgemeiner Zugang von der Bürgerstadt zum Schlossbezirk möglich.

(5) Westlich der Stadt diente das ausgedehnte sumpfige Bruch den Bürgern als Hude. Die D.er Feldmark war relativ klein, der städtische Grundbesitz gering, Burgmannengeschlechter und der Landesherr blieben stets starke Akteure im direkten Umland (so erwarb bspw. Alrad Schwartz mit landesherrlicher Erlaubnis den wüstgefallenen Weiler Odermissen, der zum Mittelpunkt eines agraren Großbetriebs wurde, der eine Rolle bei feierlichen Einzügen in die Stadt spielte). Auswärtige Kontakte D.s sind nur schwach ausgebildet worden. Ein nennenswertes Exportgewerbe gab es nicht. D.s geringe Wirtschaftskraft hat dazu geführt, dass es kein Mitglied der Hanse wurde. Waren des gehobenen Bedarfs sind über Lemgo und über Bremen (mit Vlotho als Hafen) eingeführt worden. Im 15. Jahrhundert erscheint D. gelegentlich als Mitglied von Friedensbündnissen in Westfalen und im westlichen Niedersachsen.

(6) D. entstand im Rahmen des Landesausbaus im 13. Jahrhundert Seine frühe Bedeutung zog es aus der von den Landesherren geförderten Funktion als Verteilerzentrum im Fernverkehr (Burg D. zur Sicherung des Osningübergangs). Dennoch blieb D. bis ins 15. Jahrhundert die kleinste und unwichtigste Stadt der Herrschaft Lippe diesseits des Waldes, deren wichtigste Stadt gewiss Lemgo war. Erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts trat D. als Residenzort unter Edelherrn Bernhard VII. nach vorn, unter Simon V. (1511-1536, ab 1520 den Gf.entitel führend) wurde der »ständige Rat« nach D. verlegt. Beinahe durchgängig diente D. in der frühen Neuzeit als Residenz (Ausnahme Graf Simon VI. [1563-1613] ab 1585), was stete bauliche Anpassungen nach den jeweiligen zeitgenössischen Vorstellungen zur Folge hatte. Ab 1776 war D. die größte Stadt Lippes. Hinsichtlich der Verflechtung zwischen Stadt und Hof ist festzuhalten, dass im 17./18. Jahrhundert die nicht klar abgegrenzten Kompetenzen zwischen landesherrlichen Beamten (teils als Bürgermeister) und städtischen Amtsträgern häufig zu Konflikten führten und insgesamt eine Einschränkung der Spielräume der städtischen Selbstverwaltung zum Ergebnis hatten. Bisher nicht ausgewertete bzw. edierte Rechnungen und Korrespondenzen dürften weitaus mehr Hinweise zu Herrscheraufenthalten in D. erbringen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bildete sich ein kleiner aufklärerisch-gelehrter Kreis des hofgebundenen Bürgertums um Gf.in Casimire (1749-1778), seit 1769 Ehefrau Graf Simon August zur Lippe-Detmold (1727-1782).

(7) Die schriftliche Überlieferung befindet sich im Stadtarchiv Detmold und im Nordrheinwestfälischen Landesarchiv, Abt. Ostwestfalen-Lippe, in Detmold. Heranzuziehen ist auch das Archiv der Lippischen Landeskirche in Detmold.

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Peter Johanek