Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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(Burg) Stargard

(Burg) Stargard

(1) S. (seit 1929 Burg S.) liegt inmitten der an Hügeln reichen mecklenburgischen Seenplatte etwa acht Kilometer südöstlich Neubrandenburgs an der Linde, einem kleinen Fluss, der bei Neubrandenburg in die Tollense mündet. Vermutlich gab es bereits in slawischer Zeit ein nach dem Hauptort benanntes Land (terra) S., das im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus zunächst an das Herzogtum Pommern, 1236 an die Markgrafschaft Brandenburg kam. Die Markgrafen errichteten an dem Ort eine (schriftlich erst 1271 erwähnte, sicherlich ältere) Burg zur Sicherung der vornehmlich west-östlich verlaufenden Handelswege. Unterhalb der Burg entstand das 1244 erstmals urkundlich erwähnte deutschrechtliche Dorf, das etwas südöstlich der älteren slawischen Siedlung lag. 1259 erhielt die deutschrechtliche Siedlung Brandenburger Stadtrecht. S. ging auf dynastischem Weg spätestens 1304 an Fürst Heinrich II. von Mecklenburg über, zugleich wird die Existenz eines Stadtrats belegt. Bei der 1352 vorgenommenen Landesteilung der (seit 1348) Herzöge von Mecklenburg wurde für Johann I. (reg. in S. 1352–1392) eine eigene S.er Linie geschaffen, deren wichtigster Hauptort nicht S. (vier Aufenthalte), sondern Sternberg (19) und daneben Neubrandenburg (17) war. Johanns Söhne Johann II. und Ulrich nahmen 1408 eine weitere Teilung vor, S. kam an Ulrich (reg. 1408–1417), der, soweit man weiß, Neubrandenburg bevorzugte. Dies dürfte auch für seine Nachfolger Heinrich II. (reg. 1417–1466) und Ulrich II. (1466–1471) gelten; mit dessen Tod fiel S. an die Schweriner Linie zurück. Nach dem Tod Herzog Magnus II. 1503 wurde von den Erben S. neben Güstrow und Schwerin zu einem der drei Hoflager der mecklenburgischen Herzöge bestimmt. Der 1520 zwischen den Hzg.en Heinrich V. von Mecklenburg-Schwerin und Albrecht VII. von Mecklenburg-Güstrow geschlossene Neubrandenburger Hausvertrag sah mehrere gemeinsame politische Tätigkeitsfelder vor, u. a. die gemeinsame Herrschaft in S., weswegen es dort zweitweise zwei Fürstenhöfe gab, die von je einem Amtmann verwaltet wurden. Bei der 1555/56 vollzogenen Landesteilung zwischen den Hzg.en Johann Albrecht I. und Ulrich zu Mecklenburg kam S. an die Güstrower Linie (bestätigt durch die Zweite Mecklenburgische Landesteilung 1621). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schied S. aus dem Kreis der Hoflager aus, blieb Sitz eines Amts und wurde nur noch gelegentlich von den Hzg.en aufgesucht. Mit dem Hamburger Vergleich 1701 kam die Herrschaft S. an das neu gebildete Herzogtum Mecklenburg-Strelitz.

(2, 3) Trotz des 1259 verliehenen Stadtrechts entstand kein größeres Gemeinwesen. 1496 (Erhebung für den Gemeinen Pfennig) zählte S. 49 Haushalte, was größenordnungsmäßig einer Einwohnerzahl von nicht ganz 300 entspricht, was den 264 Einwohnern nahekommt, die für 1550 genannt werden. Die Stadtentwicklung dürfte hinter dem dominierenden Neubrandenburg, das als Fernhandelsstadt in die Hanse integriert war, zurückgestanden haben. Indiz für einen Ausbau der Stadt im 13. Jahrhundert dürfte die Erweiterung und Umgestaltung der älteren Dorfkirche zu einem größeren, einer Stadt angemessenem Kirchenbau sein (wohl um 1288); kirchlich gehörte S. zum Bistum Havelberg. Weiteres Indiz für einen Ausbau der Stadt dürften die beiden 1364 belegten Hospitäler sein: Das Hl.-Geist-Hospital mit seiner (eventuell um 1300 existierenden?) Kapelle brannte wie die halbe Stadt 1550 ab und wurde 1575/76 von Herzog Ulrich und seiner Ehefrau Elisabeth neu gegründet, wobei die vormalige Kapelle zum Wohnhaus umgebaut wurde. Zugleich wurden die Bewohner des St.-Georgs-Hospitals in das neugegründete Hl.-Geist-Hospital überführt. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert hat es vermutlich einen langsamen wirtschaftlichen Aufstieg gegeben, der in erster Linie auf der Tuchherstellung beruhte. Für das Jahr 1516 ist ein zwölfköpfiger Rat belegt, zwei Ratsherren wurden zu Bürgermeistern ernannt. Im 17. und 18. Jahrhundert erfolgte die Ernennung durch den Landesherrn auf Vorschlag der Gemeinde. Das Brandenburger Stadtrecht sah ein eigenes Gericht vor; ob dieses bestand, ist unsicher. Die Siegelführung ist für das 17. Jahrhundert sicher bezeugt. Der Dreißigjährige Krieg setzte dem Aufstieg ein Ende, bedeutete zudem einen demographischen Einbruch. Nach einem weiteren verheerenden Brand 1758 wurde S. mit einem neuen Grundriss aus sich rechtwinklig kreuzenden Straßen mit einem länglichen rechteckigen Markt in der Mitte (anstelle des älteren Angers?) angelegt, auch die Stadtkirche musste neu gebaut werden. Als Amtsstadt dürfte S. im 18. Jahrhundert etwas gewachsen sein, für 1802 werden 958 Einwohner genannt. Illustrationen des älteren Bauzustands sind nicht bekannt, weswegen keine Aussagen zu Stadtgestalt und -planung gemacht werden können. Lediglich hölzerne Befestigungswerke (zwei Plankentore) sind bekannt (im 19. Jahrhundert beseitigt).

(4) Dominiert wurde (und wird) der kleine Ort von der relativ großen Burg, weswegen die Stadt sich 1929 den Namenszusatz Burg beilegte. Die Burg liegt auf dem 90 m hohen Burgberg, sie ist als Höhenburg zu werten. Von der einst größeren Anlage sind heute noch elf Gebäude vorhanden, von denen einige (Bergfried, Burgschänke, Stallhaus) allerdings in der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Fundamente des Bergfrieds, Burgkapelle bzw. Oberer Turm und Niederer Turm stammen aus dem 13. Jahrhundert , Altes Herrenhaus aus dem 15. Jahrhundert , Neues Oberes Tor aus dem 16. Jahrhundert Dem 18. Jahrhundert gehört das Amtsschreiberhaus an. 1919 wurde das sog. Krumme Haus, das dem Mauerverlauf folgte, durch Brandstiftung vernichtet. Ein Rathaus gab es seit 1831.

(5, 6) Wirtschaftlich verblieb S. eine weitgehend von der Landwirtschaft geprägte Kleinstadt, die bei der Stadterhebung mit 66 Hufen Feldmark ausgestattet wurde (vergleichsweise wenig im Verhältnis zu Neubrandenburg [250], Friedland [200] und Müllrose [114]); kleinere Erwerbungen schlossen sich an, u. a. 1319 der Galgenberg. 1472 wurde das vormals der Stadt gehörende Gut Sabel dem Pfarrer der Stadtkirche übertragen. Ob die Herzöge der Nebenlinie Mecklenburg-S. sich wirklich in S. oder bevorzugt in Neubrandenburg, wo sie einen Stadthof besaßen, aufhielten, bedarf noch der abschließenden Klärung.

(7) Ein Stadtarchiv hat Burg Stargard nicht. Das Hausarchiv der Stargarder Linie der mecklenburgischen Herzöge war bereits im Spätmittelalter in desolatem Zustand, weite Teilen gingen beim Stadtbrand Neubrandenburgs 1676 verloren. In das Kanzleiarchiv der Fürsten, das die Keimzelle des heutigen Landeshauptarchivs Schwerin, fanden keine Stargarder Quellen Eingang, so Die Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin, Bd. 1: Urkunden und Aktenbestände 1158–1945, bearb. von Peter-Joachim Rakow, Christel Schütt und Christa Sieverkropp, Schwerin 1998 (Findbücher, Inventare und kleine Schriften des Landeshauptarchivs Schwerin, 4), S. 51.

(8)Schmidt, Beatrix: Burg und Stadt Burg Stargard im Mittelalter. Eine Studie auf der Grundlage schriftlicher und archäologischer Quellen, in: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 44 (1996) S. 337–393. – bei der Wieden, Brage: Art. „Burg Stargard“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996), S. 12 f. – Stuth, Höfe und Residenzen (2001).

Harm von Seggern, Steffen Stuth