LÜNEBURG C.7.
I.
Luniburc (956); Lhiuniburg (959); Luniburc (1134); Luneborch (1333); Luneborg (1468); L. (1791) (es liegt keine brauchbare Deutung vor) Schloß/Burg und Stadt - Hzm. Braunschweig - Res. bis 1371. - D, Niedersachsen, Reg.bez. L., Landkr. L.
II.
Als 1235 Otto dem Kind der seinem Hause gebührende, 1180 aberkannte Herzogstitel wieder zuerkannt wurde, wurde - reichsrechtl. einmalig - dieses neue Hzm. auf zwei Burgen, → Braunschweig und L., gegr. Aber damals schon stand neben der Burg die bürgerliche, kaum von welf. Ministerialität beherrschte Kommune. Das Stadtrecht von 1247 beruhte auf einer verlorenen Kodifikation möglicherw. aus der Zeit Heinrichs des Löwen. Die von der hzgl. Burg auf dem Kalkberg beherrschte Salinenstadt L. war trotz der Verpfändung hzgl. Salinenanteile (bis 1273) fest in welf.Hand, so daß 1288 Stadt, Schloß und Vogtei L. der Wittelsbacherin Mechtild als Leibzucht bei ihrer Heirat mit Otto dem Strengen verschrieben werden konnte. Das Bestreben der Bürgerschaft, sich aus der bfl. Gebotsgewalt zu befreien, äußert sich z. B. 1334 in einem Privileg, wonach nur Adelige im hzgl. Gefängnis verwahrt werden dürfen, alle anderen aber im Gefängnis des Rates. Der Kauf von Herrschaftsrechten - was 1293 mit dem Erwerb des Münzrechts begann - vom überschuldeten Stadt- und Landesherrn war ein weiterer Schritt auf dem Weg in die Unabhängigkeit, die fakt. 1371 erreicht wurde, alssich L. im L.er Erbfolgekrieg gegen die Welfen auf die Seite der Askanier stellte. Die Zerstörung des hzgl. Schlosses auf dem Kalkberg (dieser Berg ist inzw. wg. seines Wertes für die Bauwirtschaft weitgehend abgetragen worden) i. J. 1371 und der vergebl. Versuch des Hzg.s, die Stadt in der Ursula-Nacht dieses Jahres einzunehmen, markieren die Selbständigkeit, welche L. hinfort einnahm. Allenfalls zu Fastnachtvergnügungen konnten die Hzg.e die Stadt, nach der sie sich nannten, betreten. Sowohl die Zerstörung des Kalkbergs (1.2.) als auch die Ursula-Nacht (21./22.10.) bildeten bis in das16. Jh. hinein zentrale Bestandteile einer städt. Erinnerungskultur (Lentz 1994).
In dem Verhältnis zw. Hzg.en und Stadt nach dem Erbfolgekrieg ist auch einer der berühmtesten Herrschaftsverträge des MA, die Lüneburger Sate von 1392, begr., die mit ihrem paragraphenreich begründeten Widerstandsrecht v. a. von L. getragen worden war. Versuche der Hzg.e, die Stadtherrschaft zurückzugewinnen, scheiterten schon in Ansätzen. Selbst die schweren inneren Unruhen im Zusammenhang mit dem sog. Prälatenkrieg 1454 bis 1456 konnten die Hzg.e nicht für sich ausnutzen.
In dem sog. »Goldenen Kompromiß« von 1504, der tatsächl. in der Zukunft eine Quelle von Streitigkeiten wurde, gestanden sich beide Seiten Respekt ihrer Privilegien zu, aber L. bezeichnete den Hzg. als naturlicken erffgeborenn landesfürsten. Ein städt. Geschichtsschreiber des 17. Jh.s charakterisierte diesen Kompromiß als Eintritt der Stadt in ihr seculum senile. Dennoch blieb die Huldigung, welche die Stadt erstmals seit 1388 wieder i. J. 1519 dem Hzg. (Heinrich dem Mittleren) leistete, zunächst ohne Folgen. Dem bedeutenden Fs.en derReformationszeit, Ernst dem Bekenner, verweigerte die Stadt die Huldigung, und selbst die Reformation brachte bei gleichem Bekenntnis Fs. und Stadt nicht zusammen. Nach wie vor entzog sich L. der Landtagsfolge.
Im späten 16. Jh. gelang den Hzg.en allmählich, was ihnen noch im 15. Jh. verwehrt war, näml. unter Ausnutzung der Spannungen zw. Rat und Bürgerschaft die Verträge von 1562 und 1576 im Sinne landesfsl. Gebotsgewalt auszulegen. Dabei kam ihnen zugute, daß die wirtschaftl. Leistungsfähigkeit L.s wg. der sich erschöpfenden Salinenerträge stark zurückging. Der Bau eines Schlosses innerhalb der Stadt ist dann der Abschluß dieser Entwicklung.
III.
Von der ursprgl. Burg auf dem Kalkberg, der, nach zeitgenöss. Äußerungen, »Krone des Landes«, ist nach der Zerstörung von 1371 und der weitgehenden Abtragung des Kalkberges bis auf ein Säulenkapitell nichts mehr erhalten. Die L.er Handschrift des Sachsenspiegels enthält die einzig überlieferte Abbildung, wobei schon von der Entstehungszeit der Handschrift aus dem Ende des 14. Jh.s her fragl. ist, ob der Illustrator die Burg selbst noch gesehen hat. Wenn der Hzg. sich im 15. Jh. zu Fastnachtsvergnügungen in L. aufhielt, logierte er in einem1381 von seinem Großvogt angekauften Wohnhaus am Ochsenmarkt, das der hertogen huzs gen. wurde. Hier durfte der Landesherr nach dem Willen des Rates aber keine Küche einbauen, d. h., noch nicht einmal ein bescheidenes Hoflager begründen. Heinrich der Mittlere soll 1508 dieses Gebäude schloßartig ausgebaut, in die Höhe gezogen und mit zwei kleinen Türmen versehen haben, ein Bauzustand, der nur aus späten Ansichten des 16. Jh.s überliefert ist. Dieser Bau hatte ledigl. demonstrativen Charakter, sollte die Hoheit des Landesfs.en über die Stadt betonen. Ein Residenzcharakterwar nicht damit verbunden. Hofhaltung und Zentralverwaltung des Landes blieben in → Celle. Der letzte Celler Hzg. Georg Wilhelm ließ diesen Bau niederlegen und an anderer Stelle zw. 1693 und 1698 das neue Schloß als Witwensitz errichten.