Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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PFALZ-VELDENZ

I.

Gf.en von Veldenz (seit 1113/34); 1444 wurden die Veldenzer Territorien durch einen Erbvertrag Bestandteil des Fsm.s → Pfalz-Zweibrücken; 1543 entstand das Fsm. P.-V. als Nebenlinie von → Pfalz-Zweibrücken; 1694 Aussterben der Linie P.-V. Titel der Fs.en: → Pfgf.en bei Rhein, Hzg.e in → Bayern, Gf.en zu Veldenz.

Die Linie der Gf.en von Veldenz wurde um 1113/34 von Gf. Gerlach aus dem Hause der Nahegaugf.en (Emichonen) nach einer Erbteilung begr. Namengebend für das neue Grafenhaus wurde deren Stammsitz, die Burg Veldenz südwestl. von Bernkastel an der Mosel. Das nicht geschlossene Herrschaftsgebiet zw. Mosel, Blies und Alsenz setzte sich im wesentl. aus Lehen der Hochstifte → Verdun (u. a. Burg Veldenz) und → Worms (Obermoschel), des Erzstiftes → Mainz (→ Meisenheim) und des → Pfgf.en bei Rhein (Vogtei über die Güter des Remigiuskl.s in Reims)sowie aus Vogteirechten über einen Teil des Kl.s Tholey zusammen.

Die Stammburg Veldenz wurde bereits um 1200 aufgrund ihrer Randlage nicht mehr als zentraler Herrschaftssitz genutzt. Diese Stellung sollte zum einen die Burg → Meisenheim im Nahe-Glan-Raum einnehmen, zum anderen die um 1214 durch Gf. Gerlach III. erbaute Burg Lichtenberg bei Kusel.

Als Gerlach IV. 1259/60 starb, erlosch die Linie der Gf.en von Veldenz im Mannesstamme. Eine jüngere bzw. zweite Linie der Gf.en von Veldenz wurde durch die Heirat der Erbtochter Agnes mit Heinrich von Geroldseck aus der Ortenau 1268/70 begr. Jener trat die Nachfolge in den veldenz. Gütern an, indem er die alten Veldenzer Lehensbeziehungen erneuerte. Bis zum Tode Friedrichs III., des letzten Gf.en von Veldenz aus der jüngeren Linie, i. J. 1444 gelang es den nachfolgenden Generationen, trotz zweier Teilungen der Besitzungen in den Jahren 1343 und 1387, die jedoch 1396 wieder unter eineHerrschaft gelangen sollten, die Lehen zur Landesherrschaft auszubauen und außerdem auf der Grundlage des Bentheimer Erbvertrages von 1425 Anteile an der hinteren Gft. Sponheim zu erwerben, die dem Hause Veldenz 1428 zufielen.

Als Gf. Friedrich III. zw. dem 16. Sept. und dem 29. Okt. 1444 ohne männl. Erben starb, trat die bereits am 26. Dez. 1438 mit seinem Schwiegersohn Stephan von Pfalz-Zweibrücken (→ Pfalz-[Simmern-]Zweibrücken) vereinbarte Erbordnung in Kraft. Danach sollte Friedrich, der älteste der fünf Söhne aus der 1409 geschlossenen Ehe Stephans mit Friedrichs einziger Tochter Anna, die sponheim. Güter erben, während dem drittgeborenen Ludwig die Gft. Veldenz zufallen sollte. Friedrich erhielt sofort seinen Anteil am großväterl. Erbe, während Ludwig sich zunächst mit der Herrschaft Lichtenbergbegnügen mußte. Denn Stephan ließ sich vorerst selbst mit den Gebieten, aus denen die Gft. Veldenz bestand, belehnen und verwaltete diese, die nun als Amt Veldenz Teil des pfalz-zweibrück. Herrschaftsgebiets wurden. Nach der Abdankung Stephans 1453 erhielt sein Sohn Ludwig der Schwarze neben der Gft. Veldenz, die ihm nach dem Erbvertrag von 1438 zustand, zusätzl. das pfalz-zweibrück. Erbe, ausgenommen die Gft. Simmern. Diese erhielt Ludwigs Bruder Friedrich als väterl. Erbe. Zusammen mit dem Veldenzer Anteil am Sponheimer Erbe von Seiten des Großvaters begründete er die Linie Pfalz-Simmern(→ Pfalz-[Simmern-]Zweibrücken).

Unter Hzg. Ludwig I. von Pfalz-Zweibrücken (→ Pfalz-[Simmern-]Zweibrücken) brach das stets gespannte Verhältnis zur → Kurpfalz in offenen Krieg aus. In insgesamt vier Fehden von 1452/53 bis 1470/71 stand Ludwig in den Reihen der Gegner Kfs. Friedrichs I. von der Pfalz, u. a. auch als ksl. Kriegshauptmann Friedrichs III. Seine Hoffnungen, in diesen zum Reichskrieg ausgeweiteten Konflikten die ungeklärte Rechtsnatur seiner pfälz. Lehen in einem für ihn günstigen Sinn zu entscheiden, mußte er nicht nur begraben, sondern auch mit empfindl. Niederlagen und Gebietsverlustenbezahlen. Erst unter Hzg. Wolfgang kam eine dauerhafte Aussöhnung mit der → Kurpfalz zustande.

In die Zeit der Herrschaft des Hzg.s Ludwig I. fiel der Beginn des Silberabbaus unmittelbar am Stammsitz der Veldenzer Gf.en und die Einrichtung einer Münzprägestätte in Veldenz. Die Silbervorkommen schienen aber den Erwartungen nicht zu entsprechen, da die Prägeintensitätbereits unter Ludwigs Sohn Alexander schlagartig zurückging und der Silberabbau schließl. um 1500 vorläufig zum Erliegen kam. Erst unter Ludwigs Urenkel Georg Johann I. von P.-V. sollte die Münzprägestätte Veldenz 1570 ihre Arbeit wieder aufnehmen. Bereits zu Beginn des 17. Jh.s war die Silberausbeute jedoch so gering, daß eine kostendeckende Münzprägung nicht mehr mögl. war und die Münzstätte 1609 aufgegeben wurde.

Eine erneute Teilung des Hzm.s → Pfalz-Zweibrücken versuchte Ludwig I. zu verhindern, indem er seinen Söhnen Kaspar und Alexander die Herrschaft gemeinschaftl. übertrug. Bereits 1490, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, ließ Alexander seinen Bruder absetzen und Zeit seines restl. Lebens (bis 1527) gefangen setzen. Um einer Teilung des pfalz-zweibrück. Territoriums vorzubeugen, setzte Alexander seinen ältesten Sohn Ludwig II. als alleinigen Nachfolger ein. Ludwig II. wiederum hinterließ bei seinem Tod 1532 einen unmündigen Sohn, Wolfgang, dessen Vormundschaft bis 1542 Ludwigsjüngerer Bruder Ruprecht übernahm. Ursprgl. hatte dieser bereits 1520 allen Erbansprüchen auf das Hzm. → Pfalz-Zweibrücken entsagt, erhielt aber durch den mit seinem Neffen Wolfgang geschlossenen Marburger Vertrag vom 3. Okt. 1543 das Amt Veldenz, das Amt Lauterecken, das Gericht Jettenbach und den Remigiusberg und begründete damit die Linie P.-V., deren Herrschaftsgebiet sich zu einem selbstständigen Fsm. mit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat entwickelte. Eine Erweiterung des pfalz-veldenz. Gebietes um die Hälfte der Herrschaft Guttenberg, zwei Drittel der Herrschaft Alsenz undum die Gft. Lützelstein (La Petite Pierre) im Elsaß erreichte Ruprechts Sohn, Georg Johann I. mittels des Augsburger Abschieds vom 27. Mai 1566. Dieser beendete die Streitigkeiten zwischen Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken und dem Veldenzer um die Aufteilung der aus dem Heidelberger Sukzessionsvertrag von 1553 in Aussicht gestellten und 1556/59 übertragenen kurpfälz. Gebiete. Residenzort Georg Johanns I. wurde die Burg Lützelstein in der gleichnamigen Gft.

Mit dem Tod des Pfgf.en Georg Johann I. zu Veldenz-Lützelstein am 8. April 1592 kam es zur Teilung des Besitzes unter den zwei ältesten Söhnen, Georg Gustav (1564-1634) und Johann August (1575-1611). Ersterer erhielt das Amt Veldenz, das Amt Lauterecken und den Remigiusberg, der zweite die Gft. Lützelstein. Die Linie P.-V. sollte sich durch diese Erbregelung bis ins Jahr 1654 in die Zweige Lauterecken und Lützelstein aufspalten. Der dritte Sohn Georg Johanns I., Georg Johann II. (1586-1654), war zunächst nur mit einer Lebensrente abgefunden worden. Als sein Bruder Johann August jedocham 18. Sept. 1611 ohne Nachkommen verstarb, fiel dessen Erbteil an Georg Johann II. Die vier Kinder Georg Johanns II. starben vor dem Vater, so dass die Gft. Lützelstein 1654 an seinen Neffen Leopold Ludwig (1625-94), den Sohn Georg Gustavs, fiel, der durch dieses Erbe die Zweige Lauterecken und Lützelstein wieder vereinigte. Die Linie P.-V. erlosch mit seinem Tod am 29. Sept. 1694 im Mannesstamme. Seine drei ihn überlebenden Töchter hatten keine Nachkommen.

Nach heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des pfälz. Hauses um das pfalz-veldenz. Erbe, fiel 1733 schließl. der größte Teil an die Kurlinie.

II.

Der Hofhalt umfaßte zur Regierungszeit Hzg. Stephans 42 Personen; unter Hzg. Wolfgang vergrößerte er sich so sehr, daß nach dessen Tod 1569 das Personal aus finanziellen Gründen reduziert werden mußte. In den ersten beiden Jahrzehnten seiner Regierung bevorzugte Stephan Simmern als Aufenthaltsort, nach dem Anfall des Veldenzer Erbes (1444) → Meisenheim. Erst gegen Ende der Regierungszeit Ludwigs I. gewann → Zweibrücken, v. a. nach der Zerstörung von → Meisenheim 1461, an Bedeutung. 1463 wurde die Kanzlei dorthin verlegt, 1477auch die Hofhaltung.

Die Frühzeit und die Anfänge der pfalz-zweibrück. Landesverwaltung bedürfen noch eingehender Untersuchungen. Die vorliegenden Beiträge sind eher personengeschichtl. als behördengeschichtl. Natur bzw. im Rückblick von den Zuständen am Ende des Alten Reiches und ohne Differenzierung zw. den simmerschen bzw. veldenz. Seitenlinien auf der Grundlage der älteren Literatur beschrieben. Daher kann nur eine grobe Skizze gegeben werden. Später und schlichter als in den benachbarten Territorien entstanden die zentralen Regierungsbehörden. Aus dem Personenkreis von adeligen Lehnsleuten,die als »Räte von Haus aus« bei Bedarf und in bes. Angelegenheiten zu Rat gezogen wurden, bildete sich in den 40er Jahren des 15. Jh.s eine feste Gruppe von sechs Räten, darunter der Hofmeister und der Kanzler, die sich ständig in der Umgebung Hzg. Stephans aufhielten. Hier liegt der Ansatzpunkt für die Entstehung eines ständigen Hofrats, in dem Hofmeister und Kanzler stärker als die übrigen Räte mit der Hof- und Landesverwaltung betraut waren.

Das Hofmeisteramt war doppelt besetzt. Der rangniedrigere Haushofmeister war mit den tägl. Aufgaben der Hofverwaltung betraut, während der Hofmeister die Aufsicht über die Hofhaltung und disziplinar. Gewalt über das Hofpersonal hatte, für die Finanzverwaltung verantwortl. war und diplomat. Aufgaben übernahm.

Der in den 30er Jahren des 15. Jh.s zum ersten Mal belegte Kanzler versah zunächst ein einfaches Schreiberamt. Doch die lange und ununterbrochene Dienstzeit des ersten bekannten Kanzlers Nikolaus Langwerth von Simmern und seines Sohnes, der 1450 nach dem Tod seines Vaters im Amt folgte und sowohl Ludwig als auch noch Alexander diente, deutet auf ihre Vertrauensstellung. 1490 kamen ein Protonotar und ein Sekretär hinzu, die den Kanzler von den tägl. Routinearbeiten ablösten.

Noch an der Wende vom 15. zum 16. Jh. entstammten die Räte fast ausschließl. dem Adel, ab 1500 finden sich erste bürgerl. gelehrte Räte. Diese wurden jedoch nur bedarfsweise und kurzfristig bestellt und aus den benachbarten Territorien rekrutiert.

Die erste Veldenzer Kanzleiordnung von 1559 zeigt, daß im Verlauf der ersten Hälfte des 16. Jh.s die Entwicklung von Kanzlei und Rat zu Zentralbehörden abgeschlossen war. Die unter einem Dach vereinte Schreibstube und Ratsstube bildeten das Kernstück der Zentralverwaltung. Den Vorsitz des Rates hatte der Hofmeister, wenn der Fs. nicht persönl. anwesend war und die Sitzung leitete. Die Position des Kanzlers, dessen Amt 1555 mit dem gelehrten Juristen Dr. Ulrich Sitzinger besetzt wurde, war gegenüber dem des Hofmeisters gestärkt. In der Schreibstube arbeiteten zwei bis drei Sekretäre undmehrere Schreiber.

Unter Hzg. Stephan war die Finanzverwaltung noch dezentral in den Ämtern organisiert. Der Landesherr tätigte seine Einnahmen und Ausgabe durch unmittelbare Anweisungen an die lokalen Beamten. Da ihm eine zentrale Übersicht über seine Einnahmen fehlte, konnte er nie über größere Beträge verfügen. Wohl erst unter Hzg. Wolfgang wurde eine Zentralkasse eingerichtet; die Tätigkeit einer Rechenkammer ist zum ersten Mal für das Jahr 1511 nachzuweisen.

Als letztes entstand das Hofgericht als dritte zentrale Behörde neben Rat-Kanzlei und Rechenkammer. Während der vormundschaftl. Regierung für Wolfgang wurde 1536 eine Gerichtsordnung erlassen, in der ein Hofgericht als oberste Appellationsinstanz vorgesehen war. Nach der Kanzleiordnung von 1559 bildete sich das Hofgericht allerdings nur von Fall zu Fall und setzte sich noch aus Mitgliedern der Kanzlei zusammen; erst 1605 wurde eine eigene Hofgerichtsordnung für → Pfalz-Zweibrücken erlassen.

Quellen

Übergreifende Quelleneditionen fehlen. Als wichtigste Quellen für die Hof- und Zentralverwaltung sind die Kopialbücher des Bestandes F 1 im LA Speyer heranzuziehen, in dem aber erhebl. Kriegsverluste eingetreten sind. Ludwig Eid (vgl. Eid 1897, S. X) konnte noch den gesamten Bestand in Speyer benutzen, darunter auch das wichtige sog. »Lehen- und Rentenbuch des Herzogs Stephan (L-R)« (heute LA Speyer, F 1, Nr. 119a und Nr. 119b), das nicht bloß die Regierungszeit Stephans, sondern auch noch fast die gesamte Regierungszeit seinesNachfolgers Ludwig I. (1444/59-89) abdeckt. Nachzugehen wäre dem Hinweis von Herrmann 1971, S. 356 auf eine Hofordnung von 1442. Zu weiteren Beständen vgl. Herrmann 1971, S. 344 mit Anm. 1. - Kanzlei-Ordnung des Herzogs Wolfgang von Zweibrücken: vom 2. Januar 1559, hg. von Philipp Keiper und Ridolf Buttmann, Speier 1899 (Mittheilungen des Historischen Vereins der Pfalz, 23).

Ammerich 1981. - Andermann, Kurt: Veldenz, in: LexMA VIII, 1997, Sp. 1450. - Eid 1897 [vgl. dazu die Rezension von Rudolf Buttmann, in: West-pfälzische Geschichtsblätter 2 (1898) S. 3f.] - Fabricius, Wilhelm: Die Grafschaft Veldenz. Ein Beitrag zur geschichtlichen Landeskunde des ehemaligen Nahegaus, in: Mittheilungen des Historischen Vereins der Pfalz 33 (1913) S. 1-91; 36 (1916) S. 1-48. - Fischer, Dagobert: Le comté de La Petite Pierre (Lutzelstein) sous la domination de la maison palatine. Chapitre III: Le comté Lützelstein sous la branche palatine de Veldenz, in: Revue d'Alsace 9 (1880) S. 95-122. -Fuchs, Peter: Georg Johann I., der Scharfsinnige, Pfalzgraf zu Veldenz-Lützelstein, in: NDB VI, 1964, S. 221-223. - Vollständige Geschichte des Herzogthums Zweibrücken und seiner Fürsten, der Stamm- und Vorältern des k. bayer. Hauses, nebst fünf genealogischen Tabellen; nach Urkunden und sonstigen archivalischen Quellen bearb. von Johann Georg Lehman, München 1867. - Gümbel, Theodor: Geschichte des Fürstentums Pfalz-Veldenz, Kaiserslautern 1900. - Herrmann, Hans-Walter: DieGrafschaft Veldenz. Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, hg. von Hans-Walter Herrmann, Kurt Hoppstädter und Hanns Klein, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der Französischen Revolution, Saarbrücken 1977 (Mittheilungen des Historischen Vereins für die Saargegend. NF 4), S. 332-337, S. 344-375. - Petry, Klaus: Der Bergbau auf Silber und die Münzprägung an der Mittelmosel zur frühen Neuzeit unter besondererBerücksichtigung der Münzstätte Veldenz, in: Sobernheimer Gespräche III. Das Land an der Mosel - Kultur und Struktur, hg. von Klaus Freckmann, Bonn 1995, S. 81-106. - Rödel, Volker: Ludwig I., der Schwarze, von Veldenz, Herzog von Pfalz- Zweibrücken, in: NDB XV, 1987, S. 416-417.