Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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RIENECK

A. Rieneck

I.

Der Name leitet sich ab von Burg → Rheineck bei Bad Breisig und wird kurz nach dem Aussterben der Familie Ottos von → Rheineck 1150 aufgrund wahrscheinlicher familiärer Verbindungen und als Zeichen der beanspruchten Besitznachfolge übernommen und auf die Burg R. bei Gemünden an der Sinn übertragen, die möglicherw. bereits vorher bestand. Träger des Namens sind die Gf.en von → Loon, die um 1100 in die Familie des Mainzer Bgf.en und Erzstiftvogtes Gerhard einheirateten und damit dessen Besitz im Main-Spessart-Raum mit dem Zentrum → Lohr am Main erhielten. Seit der Mitte des 13. Jh.s leitet der Zweig der Gf.en von R.-Rothenfels seine Herkunft vom Schwanenritter Lohengrin ab und manifestiert dies ab 1257/58 mit der Aufnahme eines stehenden Schwans als Helmzier. Evtl. sind die Gf.en Auftraggeber des Versepos Der Schwanritter des Konrad von Würzburg (ca. 1220-1287). Nach dem Aussterben der Rothenfelser Linie 1333 geht der Schwan auf das Gesamtgeschlecht über, schon vorher erscheint er bei den 1272 einheiratenden Herren von → Hanau. Zeitw. führen auch die Bgf.en von → Rheineck den Schwan, wobei der Zusammenhang mit R. ungeklärt ist. 1367 wird durch Pfgf. Ruprecht d.Ä. entschieden, daß R. einen ganzen, stehenden, → Hanau aber einen halben, wachsenden Schwan führen solle. Beim Aussterben des Geschlechts 1559 werden Wappen, Namen und die Reichslehen an die Gf.en von → Hanau vererbt. Die mit der Burg R. selbst verbundene Reichsgf.enwürde geht durch kurmainzischen Verkauf 1673 an Johann Hartwig von Nostitz (auch: Nostiz) über.

II.

Die Gf.en von R. werden im System der Quaternionen zu den Bgf.en des Heiligen Römischen Reiches gezählt, wobei bewußt oder auch mißverstanden auf die alte Herrschaft am Rhein angespielt wird. Im 16. Jh. ist Gf. Philipp III. als Erbtruchseß des Fs.bf.s von Würzburg nachweisbar, seit dem 13. Jh. sind die Gf.en Inhaber des Erbkämmereramtes des Erzstifts Mainz. Prominentester Vertreter des Geschlechts ist Thomas von R. (1472-1547), u. a. als Domherr in Köln scharfer Gegner der Reformation. Die Gesamtgft. besteht wenigstens am Ende weitestgehend aus Lehen von Mainz, fällt an das Erzstift heim, welches daraus 1559 die Ämter Lohr und R. bildet.

III.

Der neunmal von Gold nach Rot (auch Rot/Gold) geteilte loon-r.ische Balkenschild weist auf die Frühzeit der Wappenentwicklung hin. Die Farben werden in den Sparren der Herren und späteren Gf.en von → Hanau, wie auch die Helmzier, übernommen. Niederschlag findet das Wappen auch in dem der Städte Lohr, R. und Grünsfeld und teilw. in den Wappen der Dienstmannschaft. Bildliche Darstellungen der Gf.en sind erst im 16. Jh. vorhanden, bemerkenswert sind die Grabmäler, bes. in St. Michael in Lohr und in der Pfarrkirche Grünsfeld. Der Erbanfall bringt eine Reihe von handgezeichneten Karten hervor, die für die Geschichte des Spessarts von überragender Bedeutung sind (heute im StA Würzburg und StA Marburg). Alle Bauten (→ Lohr, R., Gemünden, Rothenfels, Grünsfeld, Wildenstein) sind bescheiden-funktional.

IV.

Die Abstammung in agnatischer und/oder cognatischer Linie von Herrschaftsträgern im Main-Spessart-Raum ist anzunehmen. Über die eigene Genealogie wußten die Gf.en nur wenig, erst aus dem 16. Jh. stammt eine rudimentäre Aufstellung der Familienmitglieder, zurückreichend bis 1295; der letzte Gf. besaß eine genealogische Tafel. Die Gesamtgeschichte des Hauses ist als »biologisches Schicksal« zu beschreiben: Heiraten führten über vier Jh.e zu Machtgewinn wie Machtverlust, aussterbende Linien ließen die Gft. am Ende 1559 auf etwa ein Viertel ihres Potenzials um 1250 schrumpfen. Konnubien wurden u. a. geschlossen mit → Hanau, → Wertheim, → Zimmern und Lauda, Henneberg, → Hohenlohe, → Erbach, Ziegenhain, → Bickenbach, → Isenburg, → Sponheim, → Schwarzburg, → Eppstein→ Königstein, → Castell, Mosbach, Leuchtenberg. Nachgeborene Söhne traten meist in geistliche Institution, z. B. in Würzburg, ein. Es gelang R. jedoch nie, einen repräsentativen geistlichen Stuhl zu besetzen. Nicht verh. Töchter befanden sich meist in den Hauskl.n Schönau an der Saale und Himmelthal an der Elsava. Mit der Heirat der Agnes von Loon-R. mit Pfgf. Otto I. um 1169 wurden die R.ker zu den Vorfahren der Wittelsbacher. In einer mythischen Darstellung aus dem 16. Jh. führen sich auch die Zollern auf eine Heirat mit einer Gf.in von R. zurück.

Ruf, Theodor: Die Grafen von Rieneck. Genealogie und Territorienbildung. Bd. 1: Genealogie 1085 bis 1559 und Epochen der Territorienbildung; Bd. 2: Herkunftstheorien und Systematik der Territorienbildung. Würzburg 1984 (Mainfränkische Studien, 32,1, 32,2; Schriften des Geschichts- und Museumsvereins Lohr am Main, 18).