Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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POLHEIM

A. Polheim

I./II./III./IV.

Die Herren von P. zählten vom 12. bis zu ihrer kridabedingten Abwanderung nach Niederösterreich im 17. Jh. zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern in Österreich ob der Enns. Sie gehörten ursprgl. zur Oberschicht des ostbayerischen Adels. Ihr Stammsitz ist wohl westlich des Inn zu suchen. Bald nach 1100 nannten sich Angehörige dieses Geschlechts nach ihrer Burg P. auf dem Pollhamerberg im Bez. Grieskirchen und traten als freie Adelige (nobiles) im Umkreis der Bf.e von Passau und als Vasallen der mächtigen Gf.en von Formbach auf. Meginhard de Pollenheim und sein Bruder Gumpold wurden um 1105 erstmals als Zeugen einer Schenkung des Gf.en Dietrich von Formbach, einige Jahre später auch als solche für die Gf.en von Burghausen an das Stift Göttweig gen. Meginhard und sein Bruder Heimo gaben um 1110 Besitz zu P. und einen Anteil an der dortigen Kirche an das Kl. St. Nikola bei Passau, wohin ersterer auch um 1120 sechs Mägde für sein Seelenheil übergab. Die P.ische Genealogie selbst führt einen Pilgrim von P. als Spitzenahn zum Jahre 1073 als Zeugen in einer heute unbekannten Urk. des bayerischen Hzg.s Welf im Stiftsarchiv Lambach an, derzufolge dieser dem Würzburger Bf. Adalbero Freiheiten des Kl.s Lambach bestätigt habe.

Die nächste Generation begab sich unter dem Druck der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in die Ministerialität dieses Kl.s. Trotz des damit verbundenen gesellschaftlichen Abstiegs blieben die P.er eines der führenden Adelsgeschlechter des Landes, das durchaus auch politische Aktivitäten entfaltete. Ein weiterer Gumpold, ein Enkel Meginhards I., war ein selbstbewußter, streitbarer und geschäftstüchtiger Mann, der den Kreuzzug Kg. Konrads 1147 trotz des allg. Mißerfolgs heil überstand und seine finanziellen Probleme dadurch zu lösen versuchte, daß er mehrmals ein von seinem Vater an das Kl. St. Peter in Salzburg gestiftetes Gut zu Tafersheim bei Linz besetzte und nur gegen entspr. Zahlungen wieder herausgab.

Dessen Sohn Ulrich II. von P., den frühe Genealogien auch gern als Stammvater des Geschlechts führten, wandte sich um 1200 der neu aufstrebenden Macht im Hausruckviertel zu und wurde Schaunberger Dienstmann. Im Zisterzienserkl. Wilhering, deren Vögte die Schaunberger waren, errichtete er eine Grablege für seine Familie und sicherte durch Stiftungen das Gebet der Mönche für das Seelenheil der P.er. Sein Sohn Albero III. trat in den Dienst des Hzg.s von Österreich, wo er, ohne ein landesfsl. Amt zu bekleiden, rasch an Einfluß gewann. 1236 wechselte er im Konflikt zwischen dem Stauferks. Friedrich II. und dem gleichnamigen letzten Babenbergerhzg. ins ksl. Lager und wurde mit der Friedenssicherung und Verwaltung des Gebietes zwischen Enns und Hausruck betraut. Durch seine Heirat mit einer Tochter Ottos von Rohr erwarb er reichen Besitz in Wels, wo er in der Nordwestecke der entstehenden civitas, die neue Stadtmauer verstärkend, seine Stadtburg errichtete. Nach dem Tod des letzten Babenbergers und dem fünfjährigen Interregnum finden wir Albero nochmals an der Spitze des österr. Adels, als er 1252 am Einzug des böhm. Thronerben Ottokar II. Premysl als Hzg. von Österreich teilnahm. 1253 verstarb er und wurde in der P.er Grablege in Wilhering beigesetzt.

Seine Söhne Albero und Weikhard (Wichardus) bildeten nun zwei Linien, die vorerst durch Kinderreichtum und wirtschaftlichen Erfolg hervortraten. Die Genealogie der P.er in dieser Zeit des endenden 13. und beginnenden 14. Jh.s ist durch Fehler der Genealogen Berg, Preuenhuber und Hoheneck und deren Fortschreibung bis heute stark verunklärt. So liegt trotz mancher wertvoller Detailergebnisse durch neuere Forschungen noch keine verläßliche Gesamtgenealogie der P.er vor. Auch die Einordnung des Salzburger Ebf.s Weikhard von P. (gest. 1315) ist unsicher, der bisher als P.er geführte Passauer Bf. Weikhard (gest. 1282) ist ein Sproß der niederösterr. Herren von Perchtoldsdorf.

Um oder bald nach 1300 erwarben die P.er durch Heirat und Kauf zahlr. weitere Herrschaften im Land ob der Enns, so Steinhaus, Scharnstein, Wartenburg, Seisenburg und Rechberg bei Kremsmünster, aber auch solche in Niederösterreich wie Laxenburg und Rohr bei Baden. 1280 stifteten sie das Minoritenkl. in Wels, wo sie allerdings erst seit dem 15. Jh. Grablegen für die Welser und Wartenburger Linie einrichteten. Ein weiterer Weikhard, ein Sohn Wernhers von P. aus der Alberonischen Linie, begründete durch die Heirat mit Katharina, der Erbtochter Friedrichs von Leibnitz, die steirische Linie der P.er. Die Weikhardinische Linie starb mit Jans von P. vor 1395 aus. Sein Hauptsitz Wartenburg ging nun an einen weiteren Weikhard der Alberonischen Linie über. Dieser Neffe des Weikhard von Leibnitz wurde damit der Begründer der jüngeren Wartenburger Linie des Hauses P. Bemerkenswert ist, daß alle drei Linien, die Leibnitzer, Welser und Wartenburger Linie, bis 1533 bzw. 1539 je ein Drittel an der Welser Stadtburg und gemeinsam die polheimischen Aktiv- und Passivlehen besaßen, die jeweils der älteste lebende P.er aller drei Linien vergab bzw. empfing. Damit wurde bis in die frühe Neuzeit die Fiktion einer gemeinsamen P.er Großfamilie aufrecht erhalten, die ihr Zentrum in der landesfsl. Stadt Wels hatte, die geogr. in der Mitte des P.ischen Besitzes im Land ob der Enns und in der Nähe der namengebenden Burg zu Pollham lag.

Während die P.er bis zur Mitte des 15. Jh.s vorrangig ihren Besitz im Land ob der Enns bzw. in der Steiermark konsolidierten und politisch nicht sonderlich hervortraten, rückte unter Ks. Friedrich III. und seinem Sohn Maximilian I. der Hofdienst in den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. P.er aus allen drei Linien standen nun im Dienste der Habsburger und kaum ein österr. Geschlecht stand Ks. Maximilian I. näher. Martin von P. zu Wels und sein Wartenburger Vetter Wolfgang wurden engste Vertraute und Weggefährten von Ks. Maximilian, den sie auch auf seiner Brautfahrt nach Burgund begleiteten und für den sie mehrmals in Gefangenschaft gingen. Martin wurde oberster Hofmeister von Maria von Burgund und zugl. mit dem dreijährigen Prinzen Philipp in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Er starb 1498 als Burghauptmann von Steyr und wurde in Wels begr. Wolfgang, als Spielgefährte des Ks.s am Hofe aufgewachsen, wurde ein gewandter Turnierreiter. Mit der Brautwerbung um Anna von Bretagne beauftragt, stieg Wolfgang von P. 1491 im Zuge der Ferntrauung in Rennes als Stellvertreter des Kg.s ins Brautbett. Der P.er, der die Bretagne und sie gegen Frankreich schützen sollte, ahnte nicht, das sich Anna hinter seinem Rücken mit Kg. Karl VIII. verständigte und ihn heiratete. Wolfgang selbst ehelichte 1494 die 18jährige Johanna von Borselle, deren Erbgut in den Niederlanden er verkaufte, um dem Kg. bei der Bezahlung der Schulden helfen zu können. Dafür erhielt er die großen landesfsl. Herrschaften Attersee, Frankenburg, Kammer, Kogl und Burgvogtei Wels, alle im Land ob der Enns gelegen, als Pfand und kaufte 1502 auch noch die Herrschaft Puchheim. Zudem verblieb er als einer der höchstbezahlten Beamten im Dienst Maximilians, konnte aber die Verwaltung der niederösterr. Lande nie richtig in den Griff bekommen und hinterließ bei seinem Tod 1512 das Land in »blühender Unordnung«. Dennoch war er mit dem Orden vom Goldenen Vlies und der Erhebung in den Frh.enstand ausgezeichnet worden.

Trotz ihres Nahverhältnisses zum katholischen Herrscherhaus, dem sie ihren Aufstieg letztlich verdankten, wandten sich die P.er bald der lutherischen Lehre zu, die sie auf Reisen im Zuge von ständischen Gesandtschaften oder im Gefolge des Ks.s, aber auch durch persönliche Kontakte oder durch die Flut von Flugschriften und anderen Druckwerken kennenlernten. So wird schon in der nächsten Generation der P.er die Zuwendung zur neuen Lehre und die Förderung ders. deutlich erkennbar. Dies führte allmählich zu einer gewissen Distanz zum Herrscherhaus. Die Söhne gingen nun nicht mehr nach Wien, sondern an auswärtige Höfe und Universitäten, meist ins protestantische Mitteldtl. oder nach Italien. Nach solchen Bildungsreisen folgten die Übernahme einer der polheimischen Grundherrschaften als wirtschaftliche Basis, die Gründung einer kinderreichen Familie sowie der Erwerb von Ämtern und Funktionen des Hofes und (oder) ein politisches Engagement in der ständischen Organisation.

Cyriak von P. zu Wartenburg, ein Sohn des gen. Wolfgang von P., unterstützte den neuen Landesherrn Ehzg. Ferdinand, wurde dessen Rat und Landeshauptmann ob der Enns. Trotzdem förderte er die neue Lehre nach Kräften. Er wurde deshalb vom päpstlichen Nuntius als so gefährlich eingestuft, daß diesem sein früher Tod (1533) fast wie eine göttliche Fügung erschien. Seine Welser Vettern kauften Anfang des 16. Jh.s die Herrschaften Irnharting und → Parz. Sigmund Ludwig von P. verlegte nach → Parz.die alten Rechte der seit 1398 P.ischen Veste Tegernbach einschließlich der Verwaltung des Marktes Grieskirchen und begann mit dem Bau eines neuen Schlosses neben der alten Wasserburg. Er erzog seine Kinder ebenfalls schon ganz im Sinne Luthers. Sein ältester Sohn Paul Martin und Cyriaks Sohn Casimir gingen an den sächsischen Hof und traten in den Dienst Hzg. Johann Friedrichs. Beide kämpften im Schmalkaldischen Krieg auf der Seite der Protestanten, wurden von den ksl. Truppen 1547 gefangengenommen und mußten sich schriftlich dem Ks. unterwerfen. Paul Martin kehrte nicht mehr in die Heimat zurück, lebte in Thüringen und liegt in Altenburg begr. Casimir hingegen nahm seine Res. in Puchheim und begründete hier eine Nebenlinie der Wartenburger P.er.

Paul Martins jüngster Bruder Sigmund übersiedelte nach seiner Heirat nach → Parz, wo er den begonnen Neubau seines Vaters durch den »welschen Maurermeister« Martin Capran zu einem beachtlichen Renaissancebau vollenden ließ. Sein humanistisches Bildungsideal und seinen religiös-politischen Standpunkt demonstrierte er durch Freskenmalereien, die die gesamte Südfassade des Landschlosses → Parz zieren und antik-mythologische und christlich-allegorische Darstellungen mit biblischen Szenen kombinieren. 1566 hatte er von der steirische Linie, die neben P. bei Leibnitz im 16. Jh. auch die Herrschaften Burgau und Neidau bei Fs.enfeld besaß, die Herrschaft Steinhaus südlich von Wels erworben. 1571 starb diese Leibnitzer Linie mit Hans von P. im Mannesstamm aus.

Sigmunds Bruder Ludwig II. errichtete westlich von Wels das Landschloß Lichtenegg, dessen ksl. Erhebung zu einem Adelssitz er 1573 erreichte. Hier wurden auch seine Kinder geb. von welchen Gundakar der letzte bedeutende P.er im Land ob der Enns werden sollte.

Gundakar von P. (1575-1644) studierte in Jena, war mit zahlr. diplomatischen Aufträgen ständig unterwegs und diente als Rat und Hofkämmerer den Ks.n Rudolf II., Matthias und Ferdinand II. Er erreichte 1613 die Erhebung seines mit der Herrschaft → Parz geerbten Marktes Grieskirchen, wo er ein Gymnasium errichtet hatte, zur Stadt. Beim Einmarsch der bayerischen Truppen im Land ob der Enns i.J. 1620 erhielt er vom Ks. für seine standhafte Treue und vielfältigen Verdienste einen Schutzbrief für seine Untertanen und Güter. 1622 aber stürzte ihn eine ernste Krankheit in einen schweren Konflikt mit dem Ks., da er auf dem Krankenbett sowohl evangelisch als auch katholisch kommunizierte. Mit einer Erinnerungsschrift, in der er seine 26jährigen Dienste für die Habsburger darlegte, tat er seine unerschütterliche Ergebenheit neuerlich kund. Der Ks. verzieh ihm, nahm ihn in Gnaden wieder auf und ernannte ihn zum Reichshofrat mit entspr. Besoldung.

Gundaker versuchte vergeblich, die immensen Geldschulden der P.er, die durch Bevorschussung diplomatischer Tätigkeiten wie auch durch Mißwirtschaft einiger Familienmitglieder entstanden waren, durch Verhandlungen und Vgl. in den Griff zu bekommen. Die P.ische Krida war unabwendbar. Er mußte 1628 Schloß und Herrschaft P. zu Wels, 1630 Irnharting, 1632 Steinhaus und 1642 Lichtenegg verkaufen. Auch die Wartenburger P.er, die schon 1626 Puchheim durch Konfiskation an Gf. Adam Herberstorff verloren hatten, verkauften 1639 ihren Stammsitz Wartenburg. Als letzte Herrschaft im Land ob der Enns veräußerten die Erben des 1644 verstorbenen Gundakar 1662 Schloß und Herrschaft → Parz an David → Ungnad Gf. von Weißenwolf.

Die P.er zogen sich nun auf ihre niederösterr. Besitzungen zurück. Die Wartenburger Linie überlebte die 1710 zu St. Pölten abgestorbene Welser Linie und starb i.J. 1900 in Wien im Mannesstamm aus.

Quellen

Linz, Oberösterreichisches Landesarchiv, Archiv Schlüßlberg, Sammlung Hoheneck, Hs. 191: Georg vom Berg aus Rottenburg ob der Tauber, Genealogia des uralten und löblichen Herrn Geschlechts der wolgebornen Herrn und Freiherrn von und zu Polhaimb. – St. Pölten, Niederösterreichisches Landesarchiv, Hs. 348: Gundakar von Polheim, Chronologia Polhemia (1635). – Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Codex ser. Nov. 13979: »Polhaimisch Epitaphien Buech«, zusammengetragen von Gundakar von Polheim 1620. – Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Codex ser. Nov. 13978: »Polhaimbisch Wappenbuech«, zusammengetragen von Gundakar von Polheim. – Preuenhuber, Valentin: Annales Styrenses, samt dessen übrigen Historisch- und Genealogischen Schrifften, Nürnberg 1740, S. 447 ff. (Genealogia Polhaimiana).

Aspernig, Walter: Bischof Wichard von Passau (1280-1282), ein Polheimer und Mitbegründer des Welser Minoritenklosters?, in: Jahrbuch des Musealvereines Wels 33 (2001/02/03 [2004]), S. 39 ff. – Aspernig, Walter: Die Adelsfamilie Polheim und ihre Rolle in der konfessionellen Geschichte Oberösterreichs, in: Renaissance und Reformation Katalog zur Oberösterreichischen Landesausstellung, Linz 2010, 75-80. – Hageneder, Herta: Albero von Polheim († 1253). Erster Hauptmann des Landes ob der Enns?, in: Oberösterreicher. Lebensbilder zur Geschichte Oberösterreichs 7 (1991) S. 5 ff. – Hoheneck, Johann Georg Adam Freiherr von: Die Löbliche Herren Herren Stände des Erz-Herzogthumb Oesterreich ob der Enns, Tl. 2, Passau 1732, S. 785 ff. – Holter, Kurt: Die verschollenen Grabdenkmäler der Polheimer bei den Minoriten in Wels, in: Jahrbuch des Musealvereines Wels 16 (1969/1970) S. 33 ff. – Kirnbauer von Erzstätt, Johann Evang.: Niederösterreichischer ständischer Adel. J. Siebmachers Wappenbuch, Bd. 4, Abt. IV, Tl. 1, Nürnberg 1909, S. 354 f. [ND: Die Wappen des Adels in Niederösterreich, J. Siebmachers großes Wappenbuch Bd. 26,1, Neustadt an der Aisch 1983]. – Marckghott, Gerhart: Die frühen Polheimer, in: Jahrbuch des Musealvereines Wels 24 (1982/1983) S. 27 ff. – Wiesflecker, Hermann: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 5 Bde., Wien 1971-1986. – Weiss von Starkenfels, Alois Freiherr/Kirnbauer von Erzstätt, Johann Evang.: Der Oberösterreichische Adel. J. Siebmachers Wappenbuch, Bd. 4, Abt. V, Nürnberg 1904, S. 258 ff. [ND: Die Wappen des Adels in Oberösterreich, J. SIEBMACHERS großes Wappenbuch Bd. 27, Neustadt an der Aisch 1984]. – Wissgrill, Franz Karl: Schauplatz des niederösterreichischen landsässigen Adels vom XI. bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Polheim, Herren und Grafen, in: Jahrbuch des Heraldisch-genealogischen Vereines »Adler« in Wien, 5 (Wien 1878) S. 79 ff. – Zauner, Alois: Vöcklabruck und der Attergau. Stadt und Grundherrschaft in Oberösterreich bis 1620, Linz 1971 (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs, 12).