Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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BURG UND SCHLOSS

1200-1450

Seit dem 19. Jh. werden sowohl in der Fachterminologie der Bau- und Kunstgeschichte als auch in der Umgangssprache die Begriffe »Burg« und »Schloß« zur Beschreibung einer befestigten Wohnanlage des MA bzw. für den unbefestigten Wohnsitz verwendet. In der lat. Urkundensprache und in den erzählenden Schriftquellen wird der befestigte Wohnsitz des Adels in den verschiedenen Regionen des Reiches bis gegen 1300 als castrum, castellum oder arx bezeichnet. Selbst Pfalzen wie (Kaisers-)Lautern und Eger werden in hochma. Zeit als castrum / Burg angesprochen. In den deutschsprachigen Schriftquellen finden sich im SpätMA neben der Bezeichnung Burg die Termini veste und hus, während ab der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die Benennung schloss dominiert. Der Terminus Bevestigung bezieht sich auf die im 16. Jh. angelegten neuartigen Festungen. Im Kontext einer interdisziplinär betriebenen Burgenforschung beschäftigen sich Geschichts- und Kunstwissenschaft sowie die Bauforschung und seit jüngerer Zeit die Burgenarchäologie als Zweig der Mittelalterarchäologie mit dem Phänomen »Burg«.

Als i. J. 1444 Eneo Silvio Piccolomini die der Stadt Passau gegenüberliegenden bfl. Burgen Oberhaus und Niederhaus besichtigte, lobte er nicht nur deren starke Befestigungsanlagen sondern auch die prachtvolle Ausstattung der Räumlichkeiten: […] jenseits der Donau sind zwei Burgen des Bischofs, die eine hoch auf dem Berge gelegen, die andere an seinem Fuße am Wasser, wo sich die Donau und die Ilz […] vereinen […]. Der Aufstieg zu dem höher gelegenen Schloß ist ziemlich mühselig, und nur von einem Punkt aus könnte es belagert werden, aber dort ist es durch derartige Mauern und Gräben befestigt, daß sie durch keine menschliche Gewalt eingenommen werden können. Auch hier gibt es prächtige Säle und Gemächer, daß man beim Beschauen meinen möchte, es gäbe außerdem nichts so Schönes und Sicheres, aber wie man in das untere Schloß herabgekommen ist, so sieht man noch prunkvollere Räumlichkeiten, gewölbte Zimmer und mehrere Säle und kgl. ausgestattete Ruhelager. In den 1440er Jahren präsentierte sich die Feste Oberhaus als eine architekton. vielgestaltige Residenzburg. Bf. Leonhard von Laiming (1423-51) ergänzte die Bauten der 1219 von Bf. Ulrich II. gegründeten Burg durch den Osttrakt des Fürstenbaus und verstärkte die Anlage durch die »Batterie Linde«. Darüber hinaus initiierte Leonhard von Laiming den Wiederaufbau der 1435 zerstörten, um 1250 entstandenen Burg Niederhaus. Beide Anlagen wurden 1368 durch einen Wehrgang mit halbrunden Flankentürmen verbunden.

Bedingt durch den intensiven Um- und Ausbau zahlreicher Dynastenburgen in der Spätgotik und der Renaissance sind wir über die Baugestalt der Fürstenburgen zw. dem 13. und frühen 15. Jh. häufig nur unzureichend informiert. Ein prägnantes Beispiel bietet das nach archäolog. Befunden um 1200 gegründete Heidelberger Schloß, dessen erhaltener Baubestand aus dem 16. und 17. Jh. die hoch- und spätma. Entwicklung nur äußerst fragmentar. erkennen läßt. In Marburg blieben hingegen die wichtigsten Bauteile des Landgrafenschlosses aus dem späten 13. und dem 14. Jh. nahezu unverändert erhalten, da das Schloß bereits 1308 durch Kassel in seiner Funktion als Res. abgelöst wurde und man im 16. Jh. ledigl. die bestehende Substanz im Bereich der fsl. Wohn- und Arbeitsräume überformt hat. Zum Gründungsbau des Landgrafenschlosses gehörte ein rechteckiger Wohnturm des 11. Jh.s. Im ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jh. ergänzten die Thüringer Lgf.en die Anlage durch einen roman. Palas (Südflügel), eine Ringmauer sowie einen Bergfried (um 1220). Lgf. Heinrich I. von Hessen (1265-1308) erhob die Burg zur fsl. Res. Er ergänzte die Anlage 1292-94 durch den Nordflügel mit einem der größten und eindrucksvollsten in Dtl. noch erhaltenen profanen got. Säle von 482 qm Fläche. An der Ostseite des Südflügels entstand die 1288 geweihte Kapelle.

Das Nebeneinander von unbewohnbarem Bergfried, Wohnbau (Palas) und Kapelle, eine anspruchsvolle architekton. Ausstattung im Detail (Bauornamentik v. a. an Fenstern, Portalen und Kaminen) sowie die angestrebte regelmäßige Grundrißgestaltung kennzeichnen das Marburger Landgrafenschloß als »klassische Adelsburg«, eine Burgform die sich in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s entwickelte und im 13. Jh. ihren zahlenmäßigen und qualitativen Höhepunkt erreicht. Den Regeltypus eines Wohn- und Repräsentationsbaus einer Burg stellt der Saalgeschoßbau dar, der in seinem Erdgeschoß häufig mehrere, primär der Alltagstätigkeit dienende Räume aufnimmt, während sich im Obergeschoß ein zumeist temporär genutzter Saal befindet. In dieser räuml.-funktionalen Bedeutung wird der Begriff in der neueren Burgenforschung dem Palas gleichgesetzt. Der Saalgeschoßbau der Pfalz zu (Kaisers-)Lautern, wo Friedrich I. in seinen ersten Regierungsjahren (1152-60) nach den Ausführungen seines Chronisten Rahewin ein bes. schönes »Haus« innerhalb einer älteren Ringmauer aufführen ließ, stellt gewissermaßen ein Prototyp dieses neuartigen Konzepts der Kombination von »Wohnung« und »Saalbau« dar. Reine Saalbauten, die einen oder mehrere übereinander angeordnete, die gesamte Geschoßfläche einnehmende Säle enthielten, traten hingegen eher selten auf. Zu den größten Anlagen des Reiches zählte der 52 m lange und 16 m breite zweigeschossige Saalbau der Burg Nideggen, der nach 1336 im Auftrag des Mgf.en und späteren Hzg.s Wilhelm V. von Jülich (1328-61) errichtet wurde.

Neben dem repräsentativen Saalgeschoßbau kam im Burgenbau insbes. dem Bergfried als Machtsymbol herausragende Bedeutung zu. Ein Beispiel bietet die 1210 auf einem Basaltkegel südl. von Bonn errichtete ebfl. köln. Residenzburg Godesberg. Im Zentrum der Höhenburg errichtete Ebf. Konrad von Hochstaden (1248-61) einen von frz. Vorbildern abhängigen runden Bergfried. Der vom Verfasser der Annalen von St. Pantaleon als mirifica turre bezeichnete viergeschossige Bau des Konrad von Hochstaden wurde schließl. Mitte des 14. Jh.s unter Ebf. Walram von Jülich (1332-49) um drei Geschosse erhöht. Etwa zur gleichen Zeit ließ Walram von Jülich die hochma. Ringmauer von einer Zwingeranlage umgeben und die ledigl. durch Wall und Graben gesicherte weitläufige Vorburg durch eine steinerne Ringmauer neu befestigen.

Weitgehend unabhängig von den frühen, durch frz. Vorbilder inspirierten Kastellburgen des Oberrheingebietes (Lahr, um 1218 und Neuleiningen um 1238), ließ Rudolf I. von Habsburg in Wien ab 1275 die vierflügelige, mit vier annähernd quadrat. Ecktürmen versehene Hofburg aufführen. Die Wiener Hofburg gehört zur Gruppe der in Böhmen und Österreich seit der Mitte des 13. Jh.s verbreiteten »Kastelle mitteleuropäischen Typs«. Dem Schema der regelmäßigen Vierflügelanlage folgen auch die ab 1240 erbauten Burgen des Deutschen Ritterordens. Den Kern der Anlagen bildete das sog. Konventshaus, das die klösterl. organisierte Gemeinschaft der Ordensritter beherbergte. Die mehrgeschossigen Vierflügelbauten, deren geschlossene Baugestalt häufig durch Ecktürme bzw. eine Burgkirche akzentuiert wurde, wiesen Innenhöfe mit gewölbten Kreuzgängen und Arkadengängen auf. Zum Bauprogramm der Burgen gehörten neben dem Konventshaus Vorburgen mit Zwingeranlagen (»Parcham«). Größere Burgen verfügten zusätzl. über ein Vorwerk als Zeughaus (»Karwan«). Einen weiteren Bauteil bildeten die mit einem befestigten Zugangssteg versehenen Aborttürme (»Dansker«) an bzw. über fließendem Wasser, Ausdruck eines hohen Komfortanspruchs im Bereich der Geruchsbelästigung. Die in ihrem ältesten Baubestand in die siebziger Jahre des 13. Jh.s zurückreichende Marienburg wurde für die Residenzfunktion als Sitz des Hochmeisters ab 1309 erweitert. Im Bereich der Vorburg (Mittelschloß) entstand 1382-98 der Hochmeisterpalast mit einem aus der Flucht des Westflügels vorspringenden Querflügel, in dessen Obergeschoß sich zwei mit einem reichen Sterngewölbe abgeschlossene Speisesäle, der Winterremter (12×12 m) und der Sommerremter (14×14 m), befinden.

Der Wohn- und Wehrfunktion in einem Bauteil vereinende Wohnturm, seit dem 11. Jh. charakterist. Element der europ. Adelsburg, in der zweiten Hälfte des 12. und im 13. Jh. im Zuge der funktionalen Aufteilung in Palas als Wohnbau und Bergfried verdrängt, erlebte im 14. Jh. eine neue Blüte als Herrschaftssymbol ersten Ranges.

Ein herausragendes Beispiel bietet die 1348-57 im Auftrag von Ks. Karl IV. südwestl. von Prag errichtete Burg Karlstein. Der Baumeister Matthias von Arras, der für das Reichsoberhaupt verschiedene Bauten in Prag ausgeführt hat und zuvor am Papstpalast in Avignon tätig war, schuf in der Hauptburg von Karlstein das dreigliedrige Ensemble von Palas und zwei verschieden hohen Wohntürmen. Der mittlere Turm nahm die Marienkapelle und die Katharinenkapelle als Privatoratorium Karls IV. auf. In dem die gesamte Anlage dominierenden zweiten Donjon, dem Heilig-Kreuzturm (17,5 ×26 m Seitenlänge), waren die böhm. Krönungskleinodien, die Reichsinsignien und der umfangr., von Karl IV. gesammelte Reliquienschatz untergebracht. Die mit fünf Kapellen ausgestattete Burg erfüllte nicht nur die Funktionen einer Residenzburg sondern diente darüber hinaus als »Schatzbehältnis«. Sowohl in Architektur (hierarch. Staffelung von Palas und Wohntürmen) als auch Raumausstattung (Ausschmückung der Katharinenkapelle mit Halbedelsteinen, vergoldetes Gewölbe der Heilig Kreuzkapelle) ist Karlstein als Symbol des kgl. Macht- und Herrschaftsanspruchs zu verstehen.

Neben den mächtigen »donjonartigen« Wohntürmen, die sich in Größe – die Seitenlängen übertrafen oft fünfzehn Meter – und in der Ausbildung der Details – z. B. der durch die Verwendung von Ecktürmen ausgebildete Vierturmdonjon – eindeutig an frz. Vorbildern orientierten, begegnen breitrechteckige feste Turmhäuser (kastenförmige Turmbauten) und bergfriedartige Wohntürme, die sich mit einem Seitenmaß von zehn auf zehn Metern und ihrer schlanken Statur dem äußeren Erscheinungsbild der Bergfriede anglichen. Zu den bedeutendsten Wohntürmen der ma. Burgenarchitektur zählte der 1223-25 von Enguerrand III. Sire de Coucy errichtete, runde Donjon von Coucy mit einem Durchmesser von 31 m und einer Höhe von 54 m. Dem Vorbild frz. Vierturmdonjons folgt der rechteckige, mit vier runden Ecktürmen um 1200 auf einer älteren Burganlage von Hzg. Berthold V. von Zähringen errichtete Wohnturm von Thun in der Zentralschweiz (Grundfläche 21×27 m).

Der unter dem Mainzer Ebf. Heinrich von Virneburg (1337-53) zw. 1337 und 1345 aufgeführte Wohnturm der Burg zu Eltville gehört mit einem Seitenmaß von 10,80×11 m und einer Höhe von etwa 30 m zur Gruppe der »bergfriedartigen« Wohntürme und beherbergte in seinen vier Geschossen Wohngemächer von herrschaftl. Rang. Folgt man den Angaben eines 1465 aufgenommenen Inventars, so lassen sich in dem Turm die Grafenkammer im ersten und die Domherrenkammer im dritten Obergeschoß lokalisieren. In dem angrenzenden Saalgeschoßbau der Burg befanden sich in der ersten Etage ein Privatgemach des Ebf.s Adolfs II. von Nassau sowie im darüber liegenden Stockwerk Saal und Kapelle. Die Lage der übrigen einundzwanzig in dem Hausratsverzeichnis aufgeführten Räume beruht in weiten Teilen auf Vermutungen. Zusammen mit dem Wohnturm der ebfl. mainz. Burg in Aschaffenburg diente der Turm von Eltville als Vorbild für weitere Wohntürme kurtrier. Landesburgen im Mittelrheingebiet (z. B. Stolzenfels und Deurenberg). Nach dem Bau der Martinsburg in Mainz ab 1481 verlor Eltville seine Bedeutung als Res. der Mainzer Kfs.en.

Dem Typus des breitrechteckigen Turmhauses gehört der um 1300 vom Trierer Ebf. Diether von Nassau (1300-07) begonnene, 1307 fertiggestellte, auf einem Sandsteinfelsen im Kylltal unweit von Trier über leicht trapezförmigem Grdr. errichtete Wohnturm der Burg Ramstein (13×10,80 m) an. Die Burg diente nicht nur der Wahrnehmung territorialer Interessen des Erzstifts, sondern vornehml. als komfortables Domizil bei Jagdaufenthalten der geistl. Landesherren. Für eine Nutzung als fsl. Jagdsitz sprechen neben urkundl. Nachrichten der relativ hohe Wohnkomfort (zahlreiche Fenster und Kamine, zwei nach außen vorspringende runde Treppentürme), die repräsentativen baul. Details (Fenster mit Dreipaßblenden) sowie die exponierte Stellung des Wohnturmes in der Landschaft unter Verzicht auf eine Ringmauer. Über dem Erdgeschoß mit der Küche lagen im ersten Obergeschoß zwei durch Fachwerkwände geteilte herrschaftl. Gemächer mit Kaminen. In einem von beiden Räumen aus zugängl. Holzerker dürfte sich ein Abtritt befunden haben. Der südöstl. Raum, der als ebfl. Schlafgemach identifiziert wird, war nicht direkt von der Haupttreppe aus erreichbar. Eine separate Wendeltreppe zum Saal im zweiten Obergeschoß ermöglichte das individuelle Betreten der Stube und diente der Wahrung der Privatsphäre des ebfl. Gemaches. Das dritte Obergeschoß, das im Unterschied zu den übrigen drei Etagen keinen Kamin aufweist, beherbergte sehr wahrscheinl. Kammern für Dienerschaft und Wachpersonal.

Als fsl. Domizil während jagdl. Exkursionen dienten vereinzelt sogar hölzerne Wohntürme. So berichtet der Autor der Magdeburger Schöppenchronik zum Jahr 1422 von dem verheerenden Brand eines in Holzkonstruktion errichteten, als berchvrede bezeichneten Turmes in der Lochauer Heide südöstl. von Wittenberg. In dem stattl. Gebäude, aus dem sich Hzg. Albrecht III. von Sachsen mit seiner Gemahlin und einigen Jungfrauen retten konnten, kamen 15 Personen aus dem Gefolge des Fs.en ums Leben: In dem 1400 und 22 jare […] toch hertoch Albrecht van Sassen mit der hertochinnen und oren juncfrowen und etliken sinen mannen in de jacht up de heide to Lochow; und do de jacht gedan was, toch de here to rowe uppe den berchvrede, de in der selven heide up eine eiken gebuwet was. Des nachtes, do so alle sleipen, wart de berchvrede brenen, […] de hertoch de hertochinne naket dem bedde und reup de juncfruwen an, so dat se mit godes hulpe naket ut dem vure entleipen, sunder van siner manschop vorbrenden wol 15 in dem slape.

1450-1550

Zu den entscheidenden Charakteristika der dt. Burg- und Schloßarchitektur nach 1450 zählt das Zurücktreten der Wehrfunktion zugunsten einer zunehmenden »Wohnqualität«. Die Ausbildung fester Residenzorte und die Ansprüche einer sich erweiternden Hofhaltung an Wohnkomfort und Repräsentation korrespondierte seit der Mitte des 15. Jh.s mit Veränderungen bei der Gestaltung des Inneren und des Äußeren von Schloßbauten. Ungeachtet dessen bestimmten nach wie vor Befestigungsanlagen das Erscheinungsbild der adeligen Wehr- und Wohnbauten. Unbefestigte Stadtres.en wie die Hofburg zu Innsbruck bildeten hingegen eine Ausnahme.

Die Anfänge der Hofburg, die nach der 1279 urkundl. bezeugten andechs. Burg und dem von Hzg. Friedrich III. 1420 gegründeten Neuhof, die dritte landesfsl. Res. zu Innsbruck darstellte, lassen sich auf Hzg. Leopold IV. (reg. 1396-1406) zurückführen. Durch den sukkzessiven Ankauf von Häusern und Grundstücken entstand zw. 1396 und 1463 ein architekton. vielgestaltigtes Ensemble in Stadtrandlage innerhalb des städt. Mauerrings. Zur Stadt hin hat offenbar nie eine Befestigung bestanden. Zu der großzügigen Anlage gehörten u. a. der 1463 erstmals erwähnte und 1510 um ein Stockwerk erhöhte Saalbau sowie das als Zeughaus dienende Harnaschhaus. Als Ks. Maximilian (reg. 1493-1519) i. J. 1490 die Herrschaft in Tirol antrat, waren in der andechs. Burg und im Neuhof die Räumlichkeiten der Kanzlei und Bestände aus dem Zeughaus untergebracht. Vor 1495 wurde die Stadtres. durch das »Neue Frauenzimmer« ein Gebäudetrakt für die Fs.in und ihren Hofstaat, erweitert. In dem als »Schatzturm« bezeichneten vormaligen nordöstl. Eckturm der Stadtbefestigung wurden bereits zur Zeit des Hzg.s Sigmund (reg. 1446-90) wertvolle Kleinodien aufbewahrt. Als Pendant zum »Schatzturm« entstand 1494-96 an der Südostecke der Hofburg der Wappenturm. Im Auftrag Maximilians I. schmückte der Hofmaler Jörg Kölderer die Turmfassade mit insgesamt 54 Wappenschilden. Über einer Scheinbalustrade des vierten Stocks waren Portraits von Maximilian und seinen beiden Ehefrauen, Maria von Burgund († 1482) und Bianca Maria Sforza platziert. 1505 wird schließl. die gesamte Ostfront der Hofburg durch zahlreiche Erker zu einer vieltürmigen Schaufront umgestaltet. Mit einer derartigen Massierung von Türmen und Erkern ohne milit.-funktionalen Wert knüpft die Innsbrukker Hofburg an die Tradition des turmbewehrten fsl. Wohnsitzes an. Die bewußte Inszenierung der Fassade mit dem Turmmotiv findet schließl. ihren Abschluß in der fortifikator. sinnlosen Anlage von drei weiteren halbrunden Türmen unter Ferdinand I. in den Jahren 1536-38.

Wenige Jahre nach der Fertigstellung der Innsbrucker Hofburg, die fast gänzl. auf Wehrhaftigkeit verzichtet, entsteht in Kufstein im Auftrag Maximilians I. ab 1505 nach Belagerung und Einnahme der 1205 erstmals urkundl. erwähnten Burg unter der Bauleitung von Michael Zeller eine der stärksten und modernsten Festungen des Landes Tirol. Die Stelle des ma. Bergfrieds nimmt der 1518-22 über rundem Grdr. errichtete viergeschossige, mit zahlreichen Geschützständen versehene Kaiserturm mit seinem bis zu siebeneinhalb Meter starken Mauerwerk ein. In der Gft. Tirol verfügte Maximilian I. über mehrere starke Festungen, die vornehml. der Sicherung des Territoriums dienten und ggf. auch als Rückzugsort des Landesfs.en im Kriegsfall fungierten, jedoch nicht für einen dauerhaften Aufenthalt geeignet waren. Während der Regentschaft Maximilians I. in Tirol ist deutlich die Trennung zw. Wehr- und Wohnbau erkennbar.

Eine recht eigenwillige Schöpfung des landesherrl. Schloßbaus aus der Mitte des 15. Jh.s stellt die in den Schriftquellen 1462 erstmals erwähnte Sigmundsburg in Nordtirol dar. Der im Auftrag des Ehzg.s Sigmund für seine erste Gattin, Eleonore von Schottland († 1480) auf einer Insel inmitten des Fernsteinsees gelegene dreigeschossige Bau (Seitenmaße 20×18,50 m) mit vorspringenden runden Ecktürmchen (Durchmesser 4,20 m) und polygonaler Kapelle entspricht dem Typus des seit dem HochMA verbreiteten Vierturmdonjon. Eleonore von Schottland zog die Abgeschiedenheit des Inselschlosses oft monatelang dem betriebsamen Leben der Innsbrucker Res. vor. Ihr Gatte weilte häufig zur Jagd auf der Sigmundsburg. Darüber wählte das Herzogspaar 1463 und 1465 das Schloß als Zufluchtsort vor einer Seuche. 1478 brachte sich Eleonore hier vor den Türken in Sicherheit. Auf das Fehlen von Verteidigungseinrichtungen und die vornehml. Nutzung des Schlosses als privates Refugium des Landesherrn verweist bereits der Frater Felix Faber in einem Reisebericht aus dem Jahr 1484: […] wo wir zur Bergwacht Sigmundsburg kamen. Hier ist ein kleiner See, in dem sich die Bergwasser sammeln, und inmitten des Sees erhebt sich ein kleiner Hügel mit einem schmucken Schlößchen, mehr zum Vergnügen als zur Verteidigung angelegt. Denn der Herzog Sigismund führt ein vergnügliches Leben und hat sich an verschiedenen Orten seines Landes solche Häuser, Orte seines Vergnügens, erbaut (Garber 1923). Wertvolle Aufschlüsse über das Raumprogramm des Schlosses vermitteln Inventare und Baubeschreibungen aus den Jahren 1478, 1483, 1490, 1519 und 1553. Die Haupträume des Schlosses – drei Säle und vier Stuben – waren teilw. mit den Ecktürmen verbunden. Im Erdgeschoß befanden sich 1553 der untere Saal, die Kirchstube, eine Kammer sowie die Küche. Im ersten Obergeschoß waren zwei Säle, die Pflegerstube und die Herzoginstube untergebracht. Nicht eindeutig zu lokalisieren sind das Privatgemach des Ehzg.s Sigmunds, die Silberkammer und eine Gesindestube. Das in den Bestandsaufnahmen erwähnte eher spärl. Mobiliar wurde bei längeren Aufenthalten des Herzogspaares sicher durch Einrichtungsgegenstände aus der Innsbrucker Hofburg ergänzt.

Der Übergang von der spätma. Burg zum frühneuzeitl. Schloß vollzog sich an der Wende vom 15. zum 16. Jh. Neuzeitl. Elemente, wie die Anordnung der Räume zu Appartements (frz. »Gemach«) »als Folge von Räumen die einem gemeinsamen Zweck unterliegen, etwa als Wohneinheit für einen Schloßherrn oder einen Gast« (Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen, 2004), die Vereinheitlichung des Baukörpers, die vertikale Erschließung der Gebäude durch zentrale und aufwendig gestaltete Treppen oder Treppentürme sowie die Konzeption großer stützenfreier Säle, sind bereits im Schloßbau des ausgehenden 15. Jh.s greifbar. Als signifikante Dekorationselemente der frühen Renaissance finden zunächst bei Epitaphien und später in der Schloßarchitektur das Rundbogenportal, der ranken- und kandelaberverzierte Pilaster und der Halbkreisgiebel Anwendung. Die Vermittlung des Formengutes der Renaissance erfolgte durch die Druckgraphik sowie durch eigene Anschauung im Kontext von Reisen.

Zu den frühen landesherrl. Schloßbauten an der Wende des MA zur Neuzeit zählt u. a. die 1471 von dem Baumeister Arnold von Westfalen im Auftrag der wettin. Kfs.en Ernst und Albrecht von Sachsen begonnene Albrechtsburg in Meißen. Zu den modernen Elementen des Schlosses, dessen Architektur noch den Formen der Spätgotik verpflichtet ist, gehört der mittig vor den Hauptflügel gesetzte große Treppenturm. Hinter der in Arkaden aufgelösten Fassade befinden sich ein Laufgang sowie eine geräumige Wendeltreppe. Mit der Einfassung des Treppenturmes durch eine Arkadenstellung sowie der Anlage von hoch aufragenden Zwerchhäusern über den Fensterachsen folgte der Baumeister frz. Vorbildern (z. B. die Schlösser von Bauge (1454) und Le Rivau (um1450) sowie das hzgl. Schloß in Nantes. Umgestaltung ab 1466 durch den Kathedralbaumeister Mathelin Rodier). Die streng axial angelegten übergroßen Vorhangbogenfenster werden zu einem bestimmenden Element der Fassadengestaltung. Das erste Obergeschoß der Albrechtsburg beherbergt neben dem mit zwei Abortanlagen ausgestatteten Saal, eine kleine Kapelle für private Andachten, die Hofstube sowie zwei, aus Stube, Schlafkammer und Abort bestehende Appartements. Im zweiten Obergeschoß sind vier Appartements untergebracht. Das zu Wohnzwecken nutzbare Dachgeschoß bot Platz für weitere fünf Appartements. Neben der rhythm. Reihung giebelbekrönter Dachaufbauten (Zwerchhäuser) an der Trauflinie, ist der »fächerartig inszenierte Ausblick in die Umgebung des Schlosses« (Hoppe 2001) als die zweite grundlegende architekton. Innovation im frühen Schloßbau anzusprechen. In der Albrechtsburg waren hochrangige Räume in dem turmartigen, vor die rückwärtige Fassade tretenden Nordostbau untergebracht und damit wurde ein dreiseitiger Ausblick in die Landschaft ermöglicht. Diesem Vorbild folgt bspw. der dreiseitig über die innere Ringmauer vorspringende sog. Bibliotheksbau des Heidelberger Schlosses (um 1530), der im ersten Obergeschoß eine Tafelstube für den Kfs.en und sein engstes Gefolge (Herrentafelstube) aufnahm. Dreiseitig freigestellte Tafelstuben finden sich ferner bei dem neuburg. Jagdschloß Grünau (1530) sowie bei dem Residenzschloß in Neuburg an der Donau (Nordflügel ab 1530). Andernorts entstanden dreiseitig befensterte Repräsentationsräume durch sekundäre Aufbauten auf Geschütztürmen. Derartige Bauten lassen sich in der Münchener Neuveste (1530er Jahre), im Heidelberger Schloß (Glockenturm, um 1520, und Englischer Bau, 1614) sowie in der Willibaldsburg über Eichstädt (»Dirlitzturm«, 1569) nachweisen.

Der ab 1493 von dem Baumeister Benedikt Ried in der Prager Burg geschaffene stützenfreie Wladislawsaal, der sowohl got. Stilelemente (Gewölbe) als auch Renaissancedekor (Profilierung der Portale und Fenster) aufweist, gilt als eine der ersten Raumschöpfungen im Stil der Renaissance. Mit dem unter Ks. Ferdinand I. in der Prager Burg errichteten Lusthaus, dem sog. Belvedere, entstand ab 1535 eines der frühesten Renaissanceschlösser nördl. der Alpen.

Den unmittelbaren Einfluß der ital. Renaissance verrät auch die wittelsbach. Stadtres. in Landshut. Hzg. Ludwig X. von Bayern (reg. 1516-45) hatte die Renaissance-Baukunst 1536 anläßl. eines Staatsbesuches bei seinen Verwandten, den Gonzaga-Hzg.en in Mantua kennengelernt. Ein Jahr zuvor hatte Giulio Romano in Mantua den Palazzo del Te vollendet. Zur nachhaltigen Wirkung dieses Palastes notierte Ludwig X. in einem Schreiben an seinen Bruder, den in München residierenden Hzg. Wilhelm IV. (reg. 1508-50): […] der gleichen glaub ich, daß kain sollicher [Palast] gesehen worden an köstlichen gemachen und gepei auch gemäll, darvon vil zu schreiben und zu sagen wär […] (Thoma/Brunner/Herzog 1985). Dem an der Altstadtseite 1536 unter der Bauleitung des Augsburger Steinmetz Bernhard Zwitzel begonnenen Deutschen Bau wurde ab 1537 unter der Bauleitung des mantuan. Architekten Meister Sigismund der dreiflügelige »italienische Bau« angegliedert. Das Erdgeschoß des Westtraktes weist zum Binnenhof fünf Rundbogenarkaden auf, die auf toskan. Rotmarmorsäulen ruhen. Korinth. Pilaster fassen das darüberliegende Hauptgeschoß und das abschließende Halbgeschoß zusammen. Den Abschluß der Fassade bildet ein Gebälkgesims mit Konsolenreihe. Für Architektur und Innendekoration der 1543 vollendeten Landshuter Stadtresidenz, die auf dt. Boden keine Nachfolge gefunden hat, war die oberital. Palastbaukunst vorbildlich.

1550-1650

Kennzeichnend für die Schloßbaukunst der Renaissance, die etwa zw. 1550 und 1630 einen Höhepunkt erreicht, ist die weitgehende Miteinbeziehung und Weiterverwendung ma. Bauteile, die Rezeption »moderner« Dekorationsformen aus dem Ursprungsland der Renaissance, Italien, sowie das Bemühen um eine vereinheitlichte Gesamtgestaltung des Baukörpers und dessen regelmäßige Grundrißgestaltung.

Ein anschaul. Beispiel für angestrebte Regelmäßigkeit neuer Schloßanlagen bei gleichzeitiger Einbeziehung älterer Bauteile bietet das seit dem ausgehenden MA den Gf.en (seit 1495 Hzg.en) von Württemberg als Res. dienende Alte Schloß in Stuttgart. Das als Niederungsburg über einem rechteckigen Grdr. mit abgeschrägten Ecken angelegte Schloß, dessen älteste baul. Reste in die Zeit vor 1200 datieren, avancierte nach der Zerstörung der namengebenden Stammburg auf dem Wirtemberg 1325 zu einem bevorzugten Aufenthaltsort der Gf.en von Württemberg. An die südöstl. Ringmauer lehnt sich der mächtige Dürnitzbau mit seinem zweischiffigen Keller an, der aufgrund seiner Gesamtdisposition sowie der Architekturformen in das 15. Jh. zu datieren ist. Ein plausibler Grund für eine so aufwendige Baumaßnahme wäre in der 1441/42 erfolgten Württembergischen Landesteilung zu sehen. Während dem Gf.en Ludwig I. (1412-50) der W und S des Landes mit Urach als Regierungssitz zufiel, wählte sein Bruder, Ulrich V. (1413-80), der den östl. und nördl. Teil des württemberg. Territoriums erhielt, Stuttgart zu seinem Herrschaftsmittelpunkt. Hzg. Christoph von Württemberg (reg. 1550-68) initiierte den noch das heutige Erscheinungsbild prägenden Schloßneubau, angeregt durch dynast. und freundschaftl. Beziehungen u. a. zu Ottheinrich von der Pfalz. Bei der Neugestaltung des Alten Stuttgarter Schlosses nach Entwürfen von Alberlin Tretsch und Blasius Berwart 1554-62 wurde der ma. Kern der Burg in den unteren Teilen weitgehend unverändert beibehalten. In einem ersten Bauabschnitt erhielt der spätma. Dürnitz zwei neue Obergeschosse mit den Wohngemächern des Hzg.s und der Hzg.in. An der West-, Ost- und Nordseite des Innenhofes errichtete man ab 1557 an der Stelle spätma. Gebäude drei neue Gebäudetrakte, die zur Aufnahme von Schloßkirche, Apotheke, Küche, Vorratsräumen, Tanzsaal sowie Gastappartements bestimmt waren. Die den drei Flügeln hofseitig vorgelegten Galerien weisen gotisierende Stichbogenarkaden und Kreuzrippengwölbe mit korinthisierender Säulenordnung und Balustraden auf, und dokumentieren die eigenwillige Umsetzung ital. Renaissancemotive (Hofarkaden) durch die noch von der Spätgotik geprägte süddt. Bauhütte. An der Südostecke des aufgestockten Dürnitzbaus wurde 1572/73 ein mächtiger runder Eckturm aufgeführt, während der ältere Rundturm an der Südostecke vermutl. bereits unter Hzg. Ulrich von Württemberg (reg. 1498-1519 und 1534-50) nach 1535 entstanden war.

Im niederbayer. Landshut hatte die Hofhaltung des wittelsbach. Erbprinzen und nachmaligen Hzg.s Wilhelm V. und seiner Gattin Renata von Lothringen 1568-79 eine ausgedehnte Umgestaltung der 1204 von Hzg. Ludwig dem Kelheimer (1183-1231) gegründeten und im 15. Jh. erweiterten Burg Trausnitz zur Folge. Im Jahr 1575 vollendete der Baumeister Georg Stern d. J. den sog. »Italienischen Anbau« an der Rückseite des ehemaligen Palas. In dem Anbau führte der Maler Alessandro Scalzi gen. Padovano 1578 nach Entwürfen des Friedrich Sustris die illusionist. Wandmalereien der »Narrentreppe« mit lebensgroß gemalten Figuren aus der Comedia dell`arte, aus. Der spätgot. Wasserturm der Burg, Bestandteil des an der Nordseite gelegenen Zwingers, wurde 1576 in ein zweigeschossiges Lusthaus umgewandelt. Im Zwingergarten entsteht 1577 ein Vogelhaus. An anderer Stelle werden die Zwingermauern verändert, um in diesem Bereich die Raubtierhaltung zu ermöglichen. Im Kontext der von dem wittelsbach. Prinzen betriebenen Kultivierung fremdländ. Tiere entsteht vor 1576 ein Löwenhaus. 1578 werden der Dürnitztrakt und der ehemalige Palas durch das beiden Bauteilen 1578 vorgelegte »Ganggebäude« – es handelt sich um mehrgeschossige Laubengänge mit Hofarkaden – zu einer Einheit verbunden. Die mobile Ausstattung der Räumlichkeiten in der Burg Trausnitz während der Jahre 1568-79 ist aus der schriftl. Überlieferung zu erschließen. Sofern die Wände nicht mit Wandmalereien versehen waren, trugen sie gewirkte Behänge. In erhaltenen Rechnungen lassen sich Brüsseler Wirkteppiche, pers. Knüpfarbeiten und gepreßte Ledertapeten nachweisen. Das Mobiliar stammt vornehml. aus ital. Werkstätten. Im einzelnen wird der dreimalige Besuch eines bedeutenden Möbelschreiners aus Mailand, Giovanni Ambrogio Maggiore und eines lothring. Schreiners mit Namen Peter Ferii, aufgeführt. Darüber hinaus war auf der Burg Trausnitz der Landshuter Handwerksmeister Adam Grob tätig, der schließl. zum Hofschreiner bestellt wurde.

Daß sich verschiedentl. selbst bei Neubauprojekten der Wunsch nach einer regelmäßigen Grundrißgestaltung nicht immer umsetzen ließ, zeigt das Beispiel des unmittelbar am Rheinufer gelegenen Schlosses Philippsburg in Braubach. Für den von Lgf. Philipp d. J. von Hessen-Rheinfels initiierten und nach Plänen des zuvor im Dienste des Lgf.en Wilhelm IV. von Hessen-Kassel tätigen Baumeisters Anton Dauer 1568-71 aufgeführten Bau stand ledigl. eine relativ schmale langstreifige Parzelle am südwestl. Ortsende von Braubach zur Verfügung. Den Mittelpunkt der Anlage bildete ein hofseitig von mehreren Wirtschaftsgebäuden sowie zum Rhein hin von einem Renaissancegarten umgebener dreigeschossiger fsl. Wohnbau mit dekorativen mehrstöckigen Zwerchhäusern. Aufgrund des recht begrenzten Platzangebotes im Innenhof wurde der polygonale Treppenturm nicht in der Mittelachse der Hoffassade, sondern an der Südostecke des Hauptgebäudes plaziert. Die südl. Zufahrt zum Vorhof sicherte ein Torhaus, an das sich ein quadrat. Turm anschloß. An der Rheinfront flankierten zwei runde Ecktürme die mit Schießscharten versehene Ringmauer des Schlosses. Der Marstall wurde außerhalb des Schlosses auf dem Areal vormaliger Braubacher Bürgerhäuser errichtet.

Zu den architekturgeschichtl. bedeutsamsten Schloßneubauten des beginnenden 17. Jh.s zählt das 1604-19 von dem Architekten Georg Riedinger im Auftrag des Mainzer Kfs.en Johann Schweikard von Kronberg (reg. 1604-26) errichtete Schloß Johannisburg in Aschaffenburg. Die 975/76 als Stadt bezeichnete Siedlung mit der 1122 als castrum antiquum erwähnten Burg entwickelte sich bereits im 15. und 16. Jh. zu einem zentralen Residenzort des Erzstifts Mainz. Im Jahr 1539 gelangten die Kunstschätze des Kardinals Albrecht von Brandenburg aus Halle nach Aschaffenburg. Nach der Zerstörung des Aschaffenburger Schlosses durch Mgf. Albrecht Alcibiades von Kulmach-Bayreuth 1552 entsteht ab 1604 an der Stelle des ma. Vorgängerbaus eine dem Kastelltyp folgende, regelmäßige Vierflügelanlage mit monumentalen Ecktürmen und achtseitigen Treppentürmen in den Hofecken. Die Symmetrie der Gesamtanlage wird ledigl. durch den in den Neubau einbezogenen, 1337 begonnenen und zu Beginn des 15. Jh.s erhöhten spätma. Wohnturm mit seinen steilen Walmdach und den polygonalen Ecktourellen unterbrochen. Umfangr. Fortifikationsbauten fehlen. An der dem Main zugewandten Front des Schlosses Johannisburg nimmt eine große Terrassenanlage den Platz einer frühneuzeitl. Befestigung aus dem 16. Jh. ein. Die in Riedingers Kupferstichwerk von 1616 publizierten Grundrisse zeigen im ersten und zweiten Obergeschoß an der Hofseite umlaufende Korridore. Ledigl. die großen Säle nehmen die gesamte Breite des Baukörpers ein. Im Ostflügel des Erdgeschosses befanden sich die »Reuterküchen«, Herrenküche, Hofstube und Registraturräume. Der Südflügel nahm zu beiden Seiten der Einfahrt in den quadrat. Innenhof Portenstube, kleine Tafelstube und Silberkammer auf. Tafelstube nebst Turmzimmer und Schreibstuben für Beamte waren im Westflügel untergebracht. Im Nordflügel befanden sich außer der Kapelle mit der Sakristei Backhaus, Brotstube und Ritterküche. Riedinger verzeichnet im ersten Obergeschoß im S- und Westflügel die Fürstengemächer mit Kammern sowie zwei Säle. Im Südflügel waren Gästeappartements und ein Speisesaal, im Ostflügel Schneiderei, Mehlkammer sowie mehrere Stuben mit zugehörigen Kammern untergebracht. Das zweite Obergeschoß war ausschließl. für Gäste bestimmt. In der Mitte des Westflügels, in dem sich die ksl. Gemächer befanden, lag der große Kaisersaal mit einer reich stuckierten gewölbten Decke.

In den architekturtheoret. Schriften wird der fsl. Palast unter verschiedenen Aspekten thematisiert. In Daniel Specklins 1589 veröffentlichter »Architectura von Vestungen« wird das landesherrl. Schloß vornehml. unter milit. Aspekten behandelt. Ein vortreffl. Gesamtbild der Idealarchitektur des Renaissancepalastes auf dt. Boden bietet der Ulmer Stadtbaumeister Joseph Furttenbach in seiner 1640 erschienenen »Architectura recreationis«. Der auf dem Kupferstich No. 24 vorgestellte »Aufzug deß Sechsten Fürstlichen Lustgartens« zeigt einen ansehnlichen Pallast / sampt der gantzen Residenz auf freiem Feld, umgeben von einer passierlichen Fortification. Im W ist dem fsl. Palast ein großzügiger Wirtschaftshof mit symmetr. angelegten Gebäuden zur Aufnahme von Stallungen, Remisen, Wagenhaus, Waschküche sowie Häuser[n] die dem amptleuten zu ihren bewohnungen eingeraumbt werden, vorgelagert. Bei seinen Entwürfen zu Grund- und Aufriß für den fsl. Palast orientiert sich Furttenbach an dem architekton. Vorbild ital. Renaissancepaläste. Im Unterschied zu dem in seinem 1628 erschienenen Werk Architectura civilis vorgestellten Entwurf eines fsl. Palastes, der sich durch mehrere offene Loggien auszeichnet, begr. Furttenbach den Verzicht auf offene Eingangsbereiche, Galerien und allzu aufwendigen bauplast. Schmuck bei dem in seiner Architectura recreationis ausführl. besprochenen Palast u. a. mit dem Hinweis auf die ungünstigen klimat. Bedingungen in den Ländern nördl. der Alpen. Alle drei Stockwerke des fsl. Palastes haben die gleiche Höhe. In der Anwendung der Superposition der Säulenordnung orientiert sich der Architekturtheoretiker an der hierarch. Abfolge der Ordnungen: Dorica (Erdgeschoß) – Jonica (erstes Obergeschoß) – korinth. Ordnung (zweites Obergeschoß). Furttenbachs eigentl. Anliegen ist es, die der ital. Profanbaukunst entlehnten Formen und Regeln auf den dt. Palastbau zu übertragen und sowohl im Hinblick auf »Bauzier« als auch auf commoditeten der Raumanordnung die Gleichwertigkeit der nach Teutscher Manier errichteten Paläste gegenüber Italienischen Gebäwen zu unterstreichen. Im Blick auf die hohen Kosten umfangr. baul. Aktivitäten und die Problematik der Materialbeschaffung (daß nit an allen orthen Marmor, vil weniger andere Quartterstuck zu bekommen seind) empfiehlt Furttenbach bei dem auff die Teutsche manier erbawten Pallast auf preisgünstige Ziegelsteine zurückzugreifen und sich mit einer aufgemalten »Bauzier« zu begnügen. Das vierflügelige Hauptgebäude umschließt ein Creutzgebäw mit vier Binnenhöfen. Über einem zentralen Theatrum di Commedia im Erdgeschoß befindet sich im ersten Obergeschoß der große Saal (Sala maggiore), der in der darüberliegenden Etage eine Kunst- und Antiquitätenkammer entspricht. Diesen öffentl. Räumlichkeiten im Zentrum des Palastes werden jeweils vier Wohnquartiere zugeordnet, die Raumfolgen aus einer Stube mit bis zu drei Kammern bilden. Jedes Appartement verfügt über einen Abtritt. Der Erschließung der einzelnen Gemächer dienen hofseitige Galerien. Während die Außenflügel des Erdgeschosses ausreichend Platz für Amtsstuben und Kanzleien sowie für das Logament der Hofbeamten bieten, dienen die Räumlichkeiten im mittleren Creutzgebäw zur Unterbringung von Gästen. Das erste Obergeschoß, von Furttenbach als Prinipal Boden bezeichnet, war zur Aufnahme der vornehmsten Gemächer bestimmt. Um dem Besucher die Würde und Bedeutung des Fs.en sinnfällig vor Augen zu führen, sind die Wände der Gänge mit schöne[n] Geographische[n] Mappen etwann von des Fürsten und Herrn seinen underschidliche Landschafften, Ansichten der vornehmsten Städte des Territoriums und Stammtafeln der fsl. Familie versehen. Zu den Hauptausstattungsstücken der vier, sich an die Küchen anschließenden fsl. Speiseräume zählen reich verzierte Credenz-Schränke (Silber Kästen), worin das kostbare Tafelgeschirr sehr zirlich und pomposisch auffgestellt werden. Analog zur Raumdisposition in den unteren Geschossen wird das zweite, für die Unterbringung vornehmer Gäste bestimmte Obergeschoß in einen öffentl. Bereich im Creutzgebäw und Quartiere mit eher privatem Charakter in den Außenflügeln aufgeteilt. Im westl. Kreuzflügel platziert Furttenbach die Kapelle und im gegenüberliegenden Flügel die Bibliothek. Bes. Aufmerksamkeit verdient die fsl. Antiquitäten Kammer. Neben den hier präsentierten Gemälden bedeutender Meister findet der Besucher dort underschidliche Bänck / darob eine grosse Summa curiosische und wunderbarliche Sachen liegen, die in großer Anzahl vorhanden sind, das man ettlich Tag Zeit und Weil gebrauchet / alles mit rechtem Verstand zu besch[au]en / und zu contempliren.

→ vgl. auch Farbtafel 15, 42; Abb. 23

Quellen

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