Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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EGMOND

I.

Die Herren von E. konnten sich im nördl. Holland als Vögte des gleichnamigen Kl.s bei Alkmaar eine ansehnl. Besitz- und Machtposition aufbauen, die die Voraussetzung für ihren polit. Aufstieg unter den Gf.en von Holland und Seeland aus dem Hause → Wittelsbach im 14. Jh. war. Als 1423 ein unkalkulierbarer dynast. Zufall in Verbindung mit einer dezidierten Willensbekundung der Landstände die geldr. Herzogswürde an Arnold, den dreizehnjährigen ältesten Sohn Johanns II. von E. († 1451), fallen ließ, blieb die Herrschaft E. vom Hzm. Geldern getrennt. Arnold(1410-73) fügte sich in die fest etablierte polit. Struktur Gelderns ein und schlüpfte in die Rolle, die seine Vorgänger bereits ausgestaltet hatten. Er übernahm sogar Titel und Wappen seiner beiden Großonkel Wilhelm III. und Rainald IV. von → Jülich-Geldern. Diese fsl. Rolle einer egmondschen Seitenlinie endete mit dem erbenlosen Tode Hzg. Karls 1538 schon nach drei Generationen, während die Familie weiterhin blühte.

II.

Nach dem kinderlosen Tod des Hzg.s Rainald IV. von → Jülich-Geldern aus dem Hause → Jülich-Heimbach am 25. Juni 1423 fiel die 1371/79 gebildete Personalunion der Hzm.er → Jülich und Geldern wiederum auseinander. In → Jülich folgte der stammverwandte Hzg. Adolf von Berg, in Geldern erkannten die Stände - unter Hintansetzung des sogen. sal. Erbrechts - die Nachfolge des nächstverwandten Erben Arnold von E. an, dessen Großmutter eine Schwester der beiden voraufgegangenen Hzg.e von Geldern und dessen Urgroßmutter die letzte Vertreterin des altengeldr. Fürstenhauses der Flamenses gewesen war. Weder Arnold, für den zunächst sein Vater Johann II. von E. als ruwaert regierte, noch Adolf von Berg wollten auf den ihnen entgangenen Teil der erhofften Erbschaft verzichten. Die Folge war eine langdauernde krieger. Erbauseinandersetzung, die 1444 (Hubertusschlacht bei Linnich) fakt., 1499 vertragl. beendet wurde. Die Rivalität zw. den Häusern → Jülich und E. wurde dadurch verstärkt, daß Kg. → Sigismund 1425 Hzg. Adolf von Jülich-Berg mit Geldern belehnte, nachdem 1424 die - schon fast perfekte - BelehnungArnolds von E. nicht an rechtl. Bedenken, sondern an der Zahlungsunwilligkeit Arnolds und mehr noch der geldr. Stände gescheitert war - eine Entscheidung von erhebl. polit. Tragweite. Seitdem gab es nebeneinander geldr. Hzg.e von Reichs wg. ohne Herrschaft und geldr. Hzg.e, die diese Position nach dem Willen der Landstände tatsächl. innehatten, aber keine Rfs.en waren. Die Ausgangskonstellation hat Arnolds ganze Regierung geprägt. In krieger. Auseinandersetzungen mit → Jülich-Berg und in Konflikten mit den nach polit. Mitbestimmung strebenden Ständen (voran den Städten), aufderen Zustimmung seine Herrschaft beruhte und auf deren finanzielle Hilfe er für seine Aktivitäten und für die Wahrung seiner landesherrl. Autorität angewiesen war, hat Arnold seine Kräfte verbraucht und seine Einkünfte ruiniert. Zu den Spannungen zw. Fs. und Ständen trug in der zweiten Hälfte von Arnolds Regierung eine unterschiedl. Politik gegenüber dem übermächtigen → Burgund ganz wesentl. bei. Diese Differenzen und permanente Geldverlegenheit führten 1458/59 zu einer Rebellion von Arnolds Sohn Adolf (1438-77), der dabei von einem Großteil der Stände getragen und von seiner MutterKatharina von Kleve gestützt wurde. Sie endete 1465 in der Gefangennahme Arnolds und der Übernahme der Herzogsgewalt durch Adolf von E. Diese Tat polarisierte die benachbarten Fs.en, von denen sich nach einigem Zögern → Burgund auf die Seite des gefangenen Vaters schlug. Bei einem Aufenthalt am burgund. Hof 1471, bei dem es um einen Ausgleich zw. Vater und Sohn ging, ließ Hzg. Karl der Kühne Adolf arretieren. Fortan waren es ausschließl. die Stellung und die Beziehungen zu → Burgund, die Gelderns und seines Herzogshauses Schicksal bestimmten. Die von Karl dem Kühnen betriebeneRestitution Arnolds als Hzg. von Geldern stieß auf entschiedene Ablehnung seitens der Stände, für eine gewaltsame Durchsetzung ließ sich der burgund. Hzg. im Dez. 1472 von Arnold das Hzm. Geldern verpfänden, welches Pfand er nach Arnolds Tod (23. Febr. 1473) in Besitz nahm. Die Eroberung sicherte er durch den käufl. Erwerb der jülich-berg. Anspruchsrechte auf Geldern (v. a. des Rechtes auf Belehnung von Reichs wg.) ab und ließ sich im Nov. 1473 in → Trier von Ks. → Friedrich III. mit dem Hzm. belehnen. Karls des Kühnen Tod im Jan. 1477 ließ die burgund. Herrschaft in Geldern raschzusammenbrechen. Die nach dem Willen der Stände erfolgte Wiedereinsetzung Adolfs blieb ohne Auswirkungen, weil dieser schon im Juni 1477 bei Tournai im Kampf gegen die Franzosen fiel. Die Stände erkannten daraufhin Adolfs Sohn Karl, der sich in burgund. Gewahrsam befand, als Hzg. an und versuchten durch die Einsetzung von »Regierern« dessen Rechte gegen den Anspruch → Habsburg- → Burgunds zu wahren, den jetzt Ehzg. → Maximilian für seinen Sohn Philipp, den Enkel Karls des Kühnen, vertrat. Er hatte sich schon 1478 als Sachwalter seiner Frau Maria mit Geldern belehnenlassen. Seinem wiederholten Versuch, sich in Geldern fakt. durchzusetzen, blieb ein nachhaltiger Erfolg versagt. Vielmehr vermochte Karl von E., den die geldr. Stände 1492 aus burgund. Haft loskauften, in seiner Person die Kräfte zu bündeln, die sich gegen eine Eingliederung Gelderns in den burgund. Länderverbund, der auf dem Wege zu einem Zentralstaat war, sträubten. Er nutzte dabei den europ. Gegensatz zw. → Habsburg und Frankreich, lehnte sich polit. an letzteres an und betrieb eine erfolgr. antiburgund. Expansionspolitik im NO der Niederlande, die ihn für jeweils etl. Jahre zum Herrnvon Friesland (1514-26), Groningen (1522-28), ja sogar von Utrecht (1527/28) machte. Kein geldr. Hzg. hat jemals über eine solche Ländermasse geherrscht! Gleichzeitig blieb Karl aber um eine Belehnung von Reichs wg. und um seine Anerkennung als Rfs. bemüht. Sein Dilemma bestand darin, daß sein Rivale um die Herzogsgewalt eben der Ks. war, der ihn zwar als Hzg. von → Brabant, aber nicht als Reichsoberhaupt, also nur in mediatisierter Weise, mit Geldern zu belehnen bereit war. Erst als die bleibende Kinderlosigkeit Karls sich deutl. abzeichnete, fand man schließl. im Vertrag von Gorkum(1528) zu einer Übereinkunft, in welcher der Ks. dem Hzg. Karl nicht nur den Besitz Gelderns, sondern auch in verklausulierter Formulierung die Stellung als Rfs. auf Lebenszeit garantierte, während dieser dem Ks. als Hzg. von → Brabant die Nachfolge in Geldern nach seinem Tode zuerkannte. Zwar hat Karl von E. noch versucht, diese Nachfolgeregelung zugunsten des frz. Kg.s zu ändern, doch die Stände versagten ihm dabei ebenso die Gefolgschaft wie bei der Anerkennung des Vertrags von Gorkum. Um einer Eingliederung in die habsburg. Niederlande zu entgehen und die so zäh verteidigteEigenstän-digkeit zu behaupten, wählten sie 1538 den Junghzg. Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg zum neuen Landesfs.en, womit sich schließl. auch Karl von E. abgefunden hat, der am 30. Juni 1538 in Arnheim starb.

III.

Die Hzg.e von Geldern aus dem Hause E. versuchten in Repräsentation und Hofhaltung an ihre Vorgänger aus dem Hause → Jülich anzuknüpfen, ohne aber das Niveau halten zu können, woran vermutl. der chron. Geldmangel, der die Stände immer wieder auf Einschränkung der Hofhaltung drängen ließ, die Hauptschuld trug. Zudem hielten auch die Hzge. aus dem Hause E. an der Praxis der Reiseherrschaft fest; erst in den 30er Jahren des 16. Jh.s bekam wenigstens die Kanzlei in Arnheim ihren festen Platz. Unverkennbar ist die kulturelle Anlehnung an das burgund. Vorbild,was u. a. der von Hzg. Adolf nach seinem Sieg über → Kleve bei Straelen 1468 ins Leben gerufene Ritterorden Unserer Lieben Frau belegt. Gewisse literar. Interessen sind bezeugt, stärker trat die Einbindung in die Frömmigkeitsformen der Zeit (Stiftungen, Wallfahrten) hervor. In letzterer Hinsicht gewann v. a. der eher als Kriegsmann in Erscheinung getretene Hzg. Karl ein eigenes Profil, insofern er sich als überzeugter und kämpfer. Anhänger der alten Kirche präsentierte, was er mit seinem Rivalen → Karl V. gemeinsam hatte. Von Karl von E. haben sich zwei Porträts erhalten: einHolzschnitt von 1519 und ein Gemälde vom Ende des 16. Jh.s, das aber auf eine Vorlage von ca. 1520 zurückgeht; außerdem eine Grabfigur.

IV.

Der Aufstieg eines Zweiges der Familie E. zur Fürstenwürde vollzog sich im hellen Licht der Geschichte und ließ weder Raum noch gab er Veranlassung für myth. Verklärung oder Chronistenlobpreis. Als die E. Hzg.e von Geldern wurden, war es das Land, das den Herrscher prägte, nicht umgekehrt. Bei keinem der drei Hzg.e war - aus unterschiedl. Ursachen - die Legitimität seiner Herrschaft unangefochten. Dies und der Schatten → Burgunds, der früh auf die Dynastie fiel, ließ es zu keiner ungebrochenen Herrschersukzession kommen. Der Mangel an Kontinuität in derHerrschaftsausübung und an familialem Zusammenhalt wird nicht zum wenigsten darin sichtbar, daß es nicht zur Errichtung einer Familiengrablege gekommen ist. Die geldr. Hzg.e aus dem Hause E. und ihre Frauen sind an verschiedenen Orten begraben: Arnold in Grave, seine Frau Katharina von Kleve in der Kartause bei Wesel; Adolf in Tournai, seine Frau Katharina von Bourbon in Nimwegen; Karl in Arnheim, seine Frau Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg in Geldern. Das verstärkt den Eindruck des Transitorischen, des Übergangs vom alten niederrhein. zum neuen niederländ. Geldern, den diese Dynastieim Rückblick hinterläßt. Die Eheverbindungen der drei Hzg.e spiegeln trotz Herkunft aus einer nichtfsl. Familie eine »gesellschaftliche« Anerkennung wider, die der polit. Akzeptanz im europ. Umfeld entsprach; sie sind zugl. ein Reflex wechselnder polit. Orientierungen.

Quellen

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