Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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RUPRECHT VON DER PFALZ (1400-10)

I.

→ Amberg 5. Mai 1352; → Pfgf. bei Rhein und (Titular-)Hzg. von → Bayern (Jan. 1398). ⚭ kurz vor dem 13. Juni 1374 mit Elisabeth (1358-1411), Tochter Bgf.en Friedrichs V. von Nürnberg aus dem Haus → Hohenzollern. Röm.-dt. Kg., Wahl Rhense 21. Aug. 1400, Krönung → Köln 6. Jan. 1401. † 18. Mai 1410 Burg Landskron über Oppenheim, ⚰ Heidelberg, Heiliggeistkirche. - Eltern: Pfgf. Ruprecht II. (1325-98), ⚭ vor Okt. 1348 mit Beatrix von Aragon-Sizilien (1326-65). -Geschwister: Anna († 1415), ⚭ 1363 mit Wilhelm VII. bzw. I. Gf. von Berg und Ravensberg, Hzg. von → Jülich; Friedrich (* 1347); Johann (* 1349); Mechtild († nach dem 2. Okt. 1413), ⚭ (1) Heinrich II. Gf. von Veldenz (→ Pfalz-Veldenz), ⚭ (2) 1379 Sigost Ldgf. von → Leuchtenberg; Elisabeth († nach dem 4. Juli 1360); Adolf († 1358). - Kinder: Ruprecht Pipan (1375-97), ⚭ 1392 mit Elisabeth von Sponheim (1365-1417); Margareta (1376-1434), ⚭ 1394 mit Karl II., Hzg. von → Lothringen († 1431);Friedrich (1377-1401); Ludwig III. (1378-1436), → Pfgf. bei Rhein und (Titular-) Hzg. von → Bayern, ⚭ 1402 mit Blanka (1392-1409), Tochter Kg. Heinrichs IV. von England; Agnes (1379-1404), ⚭ 1404 mit Adolf I., Hzg. von → Kleve-Mark (1373-1448); Elisabeth (vor dem 27. Okt. 1381-1409), ⚭ 1403 mit Friedrich IV., Hzg. von → Österreich (1382-1439); Johann (1383-1443), ⚭ (1) mit Katharina von Pommern (1390-1426), ⚭ (2) 1428 mit Beatrix von Bayern-München (1403-47) - seit 1410 Haupt derNebenlinie Pfalz-Neumarkt (→ Pfalz-Veldenz); Stephan (1385-1459), ⚭ 1410 mit Anna von Veldenz (→ Pfalz-Veldenz) († 1439) - seit 1410 Haupt der Nebenlinie → Pfalz-Simmern; Otto I. (1387-1461) ⚭ 1430 mit Johanna von Bayern-Landshut (1413-44) - seit 1410 Haupt der Nebenlinie → Pfalz-Mosbach.

II.

Unter den drei Großdynastien des dt. SpätMA, die um die Krone rangen, waren die Wittelsbacher in → Bayern und der Kurpfalz die schwächsten, jedoch die ursprgl. vornehmsten. Da Rang und Ruhm der Familie als höchste profane Werte galten, wurden die offenkundigen Schwächezeichen Kg. → Wenzels aus dem Haus → Luxemburg (1378-1400/19) - bes. seit seiner beschämenden Gefangennahme durch die heim. Adelsopposition i. J. 1394 - zu Signalen, die man nicht übersehen konnte. Ks. → Karl IV. (1346/47-78), der Vater→ Wenzels, hatte manche Probleme gelöst, andere fast unlösbare aber nur hintangehalten, zumal das Problem der Krise des Papsttums in Europa und hinreichender Pflege von Frieden und Recht im Reich. Zugl. schien die Stunde des Kurfürstentums aus dem rhein. W gegenüber den noch nicht weit zurückliegenden Bestrebungen eines prakt. Monismus der Krone, eben → Karls IV., gekommen. R.s Wahl zum »Gegenkönig« vom Sommer 1400, der die Absetzung → Wenzels vorausgegangen war, blieb unrechtmäßig ungeachtet beträchtl. hofjurist. Aufwandes und modern klingenderRhetorik. Es schien noch einmal der »alte« W des Reiches zum Zug zu kommen. Für ein Jahrzehnt (und danach noch beinahe ebensolange unter → Sigismund) bestanden zwei Königshöfe im Reich nebeneinander. Das stets akute dt. Kohärenzproblem war damals allerdings so beschaffen, daß daraus anders als beim Papsttum nicht eigtl. eine »Staats«krise hervorging. Vielmehr vermochten zwei regionale Herrschaftssysteme in der Praxis zu koexistieren - mit dem Primärziel der jeweiligen Selbstbehauptung. Ernstl. Konflikte zw. beiden gab es nicht, abgesehen von der im ersten Schwungvollzogenen »Rück«eroberung des vom Vater Karl in Franken zusammengefügten »Neuböhmen« zugunsten des rupertin. Systems. Man wird das ganze Jahrzehnt zusammenfassend einem »Zeitalter der Unentschiedenheit« zuordnen, das zw. dem Scheitern jenes karolin. »Traumes« und dem Durchsetzen des »institutionalisierten Dualismus« das späte 14. und den größten Teil des 15. Jh.s bezeichnete. Auf dem langen und nicht geradlinigen Weg zu mehr monarch. Staatlichkeit im kathol. Europa des MA bedeutete diese Phase im Reich Stillstand und damit weiteres Zurückbleiben im Vergleich zu denNachbarn im W. Das zeigt die Hofgeschichte am deutlichsten. Allerdings wurde die Einheit des Reiches nicht negativ berührt, da sie bei weitem nicht nur regierungs- oder gar verwaltungstechn. konstituiert war, sondern als selbstverständl. Lebensprinzip aller Beteiligten gelten kann.

Zu beschreiben ist ein gescheitertes Kgtm., das immerhin maßgebl. Tendenzen des Zeitalters hervortreten läßt. Von vornherein war die Aussicht auf Erfolg minimal. Hinter dem generell anerkannten hohen Rang der Pfalz in der territorialen Welt des Reiches und dem individuellen Anspruch R.s blieben die konkreten Macht- und Geldmittel weit zurück. Im kleinteiligen W mit seinen zahlr. traditionellen Antagonismen war der Versuch ohne Zukunft, sich ersatzweise auf ein System von Zusagen und Bündnissen zu stützen. Zwei Hauptkennzeichen charakterisieren speziell diesen einen Versuch: der schonerwähnte unheilbare Macht- und Geldmangel und der aus der Illegitimität des Anfangs erwachsende Zwang zu künftigem legitimen Handeln um jeden Preis. Das gleiche Motiv wirkte wohl mit gegenüber der davor und danach bei uns unerreichten techn. »Perfektion« des Hofes, nur war solches in einer weiterhin aristokrat. Welt kein sehr erfolgr. Werbemittel. Perfektion (natürl. im Rahmen der zeitgenöss. Möglichkeiten) und aristokrat. Glanzlosigkeit bestanden nebeneinander. Zum Schicksal wurde das klägl. Scheitern des Italienzuges von 1401/02, der die für → Wenzel unerreichbar gebliebeneKaiserkrone hätte erbringen sollen. Der verspottet Zurückgekehrte fand den Zerfall seiner vielgestaltigen heim. Koalition vor. Die Erinnerung an die harte Hegemonialpolitik der drei Ruprechte in ihrer Region war nicht mehr verdeckt. Die Treugebliebenen, v. a. der Pfälzer Lehnsadel (im krassen Gegensatz zum böhm. Adel), die traditionell königsnahen Gf.en, Herren und Bf.e aus der Nachbarschaft und die Stadt → Nürnberg (in Symbiose mit der benachbarten rupertin. montanistisch-»industriell« wertvollen Oberpfalz), genügten nicht. Am wenigsten half die Zustimmung der Intellektuellen.Die Defensive gelang im wesentl., doch scheiterten prakt. alle offensiven Aktivitäten. Jedermann offenkundig war die Hilflosigkeit in der Schisma-Frage, auch gegenüber den Konzil von Pisa i. J. 1409. Vermutl. hat der Tod den Kg. aus einer polit. hoffnungslos gewordenen Lage erlöst.

Kg. R. genießt bis heute die Sympathien der Historiker, die die oft beängstigenden Lücken unseres Wissens, bes. was seine Person betrifft, positiv aufgefüllt haben, schon weil man sich mit seinen zahlr. Helfern aus der Wissenschaft solidar. fühlte. Gern hat man daher übersehen, wie hart das Geschehen von 1410 dem monarch. Normalverhalten in Europa ins Gesicht geschlagen hat. Es fehlte jegl. Bemühen um die Perpetuierung von Rang und Ansehen der Dynastie. Das vorbereitete und das aktuelle Handeln zur Todesstunde galt allein der unbeeinträchtigten Rückkehr ins territoriale Milieu. Diesgelang. Auch die Zugewinne der Königszeit wurden konsolidiert. Soll man das Schicksal R.s bedauern? Kaum. Er war, wie manche seinesgleichen, ein Kg. im Reich und kein Kg. des Reiches. Der breite Fluß der dt. Geschichte setzte sich mit ihm oder auch ohne ihn recht gleichmäßig fort. Nicht einmal regional geurteilt war alles Vorgefallene zukunftsträchtig: Die »Mitunternehmerschaft« des recht bemerkenswerten Pfälzer Lehnsadels war zwar im Jahrzehnt des Kgtm.s äußerst wirksam, aber er konnte auch deshalb auf die Dauer nicht territorialisiert werden und sollte die Dynastie im nächsten Jh.zugunsten reichritterschaftl. Existenz verlassen.

III.

Die unabänderl. ereignisgeschichtl. Tatsachen damaliger Vergangenheit und Gegenwart prägten den rupertin. Hof. Zunächst: Die Quantitäten waren gering. Von den erbländ. Voraussetzungen emanzipierte man sich angesichts der Herausforderung des Kgtm.s am leichtesten im »technischen« Milieu, weniger als nötig im sozialen und finanziellen und am wenigsten im machtpolit.-repräsentativen. Im Wettbewerb der zeitgenöss. Monarchien nahm man sich daher weitaus weniger ansehnl. aus als angesichts der kommenden Standards der Verwaltungsgeschichte. Großdynast. Ehrgeizhatte immerhin kurz zuvor Gelegenheit zu einer Premiere geboten: Die 1386 gegründete, Erfahrungen aus Paris, → Prag und → Wien intensiv nutzende Universität ist in der ganz kleinen Welt, deren Mittelpunkt der Hof bildete, via Juristen und Theologen unverhältnismäßig bedeutsam geworden. Die Residenzstadt hingegen war prakt. ohne Belang. Eine kleine eigenständige »Kommune« zw. Stadt und Burg (»Schloßstraße«) nahm die meisten Hofbediensteten auf. Das außererbländ. Reich wirkte fast ausschließl. in Gestalt der vier königsnahen Landschaften, mitnichtfsl. Hochadel und einigen Bf.en. Die entscheidene Kraft, die mit der Dynastie geradezu eine Symbiose einging, war der pfälz. Lehnsadel. Nicht denkbar ist der Hof auch ohne das bes. polit.-sozial-kulturelle Gefüge des Mittelrheins, das adelig-kirchl. vergleichsw. dichter oder viel dichter beschaffen war als anderswo, hingegen nicht ausreichend großbürgerl. geprägt. → Nürnberg, das zweite Zentrum rupertin. Existenz, lag eben doch entfernt. Bis 1400 und nach 1410 würde man die tragenden Elemente des Hofs nicht so benennen. So hat das fundamentale Anderssein der dt.Königsgeschichte gegenüber dem europ. Normalmaß, d. h. der ständige Wechsel der Herrscherdynastie und ihrer erbländ. Kernlandschaften und Residenzorte, auch das Jahrzehnt R.s geprägt. Die Sozialbedingungen der Hofgeschichte des Zeitalters blieben hingegen dieselben: die Person prägte das Amt, nicht das Amt die Person, Personenverbände kontrollierten die Personalpolitik, das Machtsubstrat des Königsdieners bestimmte seine Rolle am Hof, die Ordnungskultur war mündl., noch ganz ohne verschriftl. Regelungen. Die Attraktivität des Königshofs war vom polit. Erfolg abhängig, statt daß der Hof einselbstverständl. Zentrum gleichbleibenden großen Gewichts aus sich selbst heraus gebildet hätte. So war die dt. Hofgeschichte im Zeitalter des (pointierten) Kontinuitätsproblems primär eine Abfolge von Einzelfällen. Was als generelle Leitlinie gelten mag, war jenes eigenartige, auch rupertin. Paradoxon: So wichtig und aufschlußreich für die Einheit der dt. Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte stets der Blick auf das Gemeinsame der Königshöfe ist, so hoch wird man gleichwohl die jeweils erbländ. Verhältnisse im Detail veranschlagen. Diese Doppelgesichtigkeit »verarbeitete« man von Fall zuFall. Das Hauptargument dafür bildet das Faktum, daß sich Kg. R. wie seine Vorgänger und Nachfolger stets nur eines Hofes, eines Hofrats, einer Hofkanzlei und einer Hofkammer bediente. Es handelte sich eben beim Hof um ein herrscherbezogenes Gebilde, das man als eine dritte Größe von den Erbländern und vom nichterbländ. Reich unterschied; diesmal war man am Hof zusätzl. als religiöse Bruderschaft organisiert. Ein gemeinsamer Habitus bestand wenigstens insofern, als die Maßstäbe der aristokrat. Welt hier und dort die eindeutig führenden blieben. Ihnen gegenüber muß das Wissen von derkommenden Bürokratiegeschichte zumeist vor der Tür bleiben. Als der Hof seinen »Antrittsbesuch« in → Straßburg machte (1400), wurde z. B. die (polit. belanglos gebliebene) Kg.in viermal so reich beschenkt wie der (in der Stadt wohlbekannte) einflußreiche Hofkanzler.

Die räuml. Strukturen des Hofes waren lokaltopograph. und itinerargeograph. recht einfach und übersichtl. Eine starke Burg ruhte über einer sehr kleinen Stadt. Diese war fast ohne ökonom. Gewicht, daher auch gehorsam im Gegensatz zum → Prag Kg. → Wenzels, viell. der bescheidenste aller erbländ. Residenzplätze im Zeitalter des Dynastienwechsels. Die Burg war in jegl. Hinsicht, und zwar im Ablauf der Jahre zunehmend, der Existenzmittelpunkt des Kg.s. Das ist schon in pfgfl. Zeit so gewesen. Man brach von Heidelberg auf und kehrte dorthin zurück, auch um dort beinahealle hohen Kirchenfeste zu feiern. Viel schwächer ausgebildet als unter → Karl IV. und ohnehin auf die westl. Hälfte verkürzt war nun die klass. luxemburg. »Querachse«, von der aus einst der große Ks. zw. → Breslau und Frankfurt am Main das Reich regiert hatte. Heidelberg trat gewiß in sehr unvollkommener Weise an die Stelle von → Prag, abgesehen von den Stichworten »Universität« und »Bischofskirche«, da das mittelrhein. Kleriker-Netzwerk dem Veitsdom gleichkommen mochte. Im Jahr 1400 oder kurz davor begann man mit dem dritten, heute nochstehenden Bau der großen Heiliggeist-Stifts-Kirche, auch als neue Grablege. Die Aufenthalte in → Nürnberg waren abgesehen von dem einen halben Jahr gleich nach dem ital. Abenteuer viel kürzer als beim großen Vorgänger, auch weil das benachbarte erbländ. → Amberg, die Geburtsstadt R.s, verfügbar war. Das Nürnberger Geld, zunächst wie bei den Vorgängern und Nachfolgern nicht kleinl. investiert, rettete diesen Kg. nicht. Von Aufenthalten in Frankfurt am Main wurde auffällig wenig Gebrauch gemacht, obwohl von dorther, der neben → Straßburg größten Stadt derNachbarschaft im W, die höf. Damenmodebestimmt gewesen zu sein scheint. Weiter nördl., über → Bacharach hinaus, hat dann erst recht die nach den ersten »Flitterwochen« wieder ausgebrochene Feindschaft mit Kurmainz kaum überwindbare Schwierigkeiten gemacht. Das Elsaß war angesichts des Stillhaltens der → Habsburger und als Folge der erpfändeten Landvogtei so etwas wie eine pfälz. Sekundogenitur und bedurfte der Kontrolle kaum. Franken war loyal, auch die neue kurzlebige Universität in → Würzburg. Schwaben wurde kaumbesucht, die Königsnahen von dorther kamen von selbst. Darüber hinaus war das Reichsgebiet, auch das westl., eine Angelegenheit der jeweils regional Handelnden - positiv oder auch negativ zum Wittelsbacher eingestellt je nach der konkreten polit. Lage. Sollte man meinen, das Itinerar insgesamt sei eher großpfälz. als reich. gewesen, so setze man hinzu, daß anders als bei → Habsburgern und → Luxemburgern und auch bei Ks. → Ludwig großpfälz. Reisewege fast ident. waren mit den traditionell-kgl. Oder: Von allen königstragenden Territorien des SpätMA war dieKurpfalz das an und für sich herrschernächste.

Die Hoftage des Kg.s, sogar in → Nürnberg, waren abgesehen von Augenblicksinteressenten nur regional besucht und daher auch nur von einer recht geringen Zahl von Rfs.en. Kaum mehr als ein halbes Dutzend Bf.e (von insgesamt etwa 50) und wohl nur halb so viele weltl. Fs.en (von etwa 20 Familien) trafen ein. Am »täglichen« Hof ging es noch bescheidener zu. Ihn leitete der Hofmeister (präzise »Großhofmeister«, magnus curie magister, gegenüber dem [Haus-]hofmeister) aus königsnahem nichtfsl. Hochadel (nacheinander Leiningen, Schwarzburg, Oettingen).Ebenso einzuordnen ist der kgl. Hofrichter (Weinsberg, Wertheim). Seine Gerichtsordnung von 1409 ist die erste erhaltene. Neben dem (Groß-)Hofmeister stand etwa gleichrangig der Hofkanzler, Raban Bf. von → Speyer aus einer angesehenen, auch studienfrohen Pfälzer Lehnsadelsfamilie (Helmstatt). Dies war das nach außen gewandte Gesicht des Hofes. Nach innen hin regierte konkurrenzlos, weil mitunternehmer., der oft genannte Lehnsadel. Er war meist ritterl. Ranges und daher den Königsnahen ständ. unterlegen. Das mag Konflikte geschaffen haben. Der Kanzler gehörte als einziger gleichsambeiden Blickrichtungen an. Lehnsadelig-ritterl.-pfälz. besetzt waren stets die Ämter des Kammermeisters wg. seiner finanziellen und des Marschalls wg. seiner milit. Aufgaben. Das Einnahmen-Register des Kammerschreibers von 1401-07 ist als erstes in Dtl. erhalten. Die Inhaber der Erbhofämter des Kg.s spielten anders als zur Zeit → Sigismunds keine Rolle.

Der Hofrat, insgesamt bestehend aus mind. 107 Personen (76 Laien und 31 Geistliche), war in dieser großen Zahl wie übl. ein fiktives Gebilde. Was sich davon konkretisierte, war von allumfassender, primär herrscherbezogener Zuständigkeit. Wirkl. wichtig waren wohl etwa zwanzig Räte, von denen im Einzelfall normalerweise kaum ein Dutzend gemeinsam beraten und geraten haben dürfte. Zu anderer Zeit ging man auf Missionen, übte territoriale Ämter aus oder betätigte sich als Spezialist. Die einzig wirkl. kohärente Gruppe war der heim. Lehnsadel. Bf.e, königsnaher Hochadel und Professoren wurdeneher als einzelne beansprucht. Dem Mindestbedarf des Kg.s an höf. Repräsentation war mit alledem wohl nur auf das Knappste Genüge getan. So war z. B. der vor dem → Deutschen Orden geflohene Ebf. von → Riga so wertvoll, als ranghöchster unter den sehr wenigen Rfs.en, die längere Zeit am Hof lebten. Auch der Deutschmeister war gemäß alter königsnaher Tradition Rat des Kg.s. Das Verfahren im Rat kennt man nicht näher. Sicherl. ist das soziale Gefüge der Räte, die den Hof mit der Außenwelt auch dadurch verknüpften, daß sie ihren Interessen nachgingen, bemerkenswerter als das»amtliche«. Der kgl. Rat stellt sich jedenfalls weit überwiegend als ländl.-burggesessene Herrengesellschaft dar. Von den Laienräten waren 47 Personen erbländ. gebunden, 29 stammten von außerhalb (darunter drei Fs.en und acht Gf.en), meist aus Franken, dem mittleren Rheinland und aus Schwaben. Am klarsten umrissen sind die zehn Heidelberger Professoren, die überregionale und internationale Erfahrungen mitbrachten. Sie verflochten den Hof wie wohl noch nie zuvor aktiv und passiv in die damals wichtigste europaweite Diskussion des Zeitalters, in diejenige der brennendenkirchenpolit. Fragen. Im Unterschied zu → Karl IV. fehlte ein städt.-großbürgerl. und damit auch direkt finanziell nutzbares Element so gut wie gänzlich.

Die Hofkanzlei, besser differenziert und »rationalisiert« in ihrer Produktion als jemals im dt. SpätMA, war das Produkt des Kanzler-Unternehmers Raban von Helmstatt, zuvor Student in Heidelberg, → Wien und Bologna, dort beisammen gewesen mit einer Gruppe weiterer führender Juristen, die im Reich das 15. Jh. mitprägen sollten. Raban besaß die Kanzlei und ihre Produkte in der Tat im strengsten Sinn des Wortes. Sie war wohl in seinem Heidelberger Wohnsitz zu Hause. Besser noch erkennbar ist solches an den Kanzlei-Registern, die heute den Anfang der mehrhundertbändigen Reihe dersog. Reichsregister bilden. Die Register waren Rabans Privateigentum. Er verlieh sie zum Abschreiben dem Nachfolger R.s, dem Pfgf.en Ludwig, ließ sich dieses beurkunden, erhielt sie korrekt zurück und gab sie später auf Befehl an Kg. → Sigismund weiter (1422). Seine Protonotare (insgesamt 9, davon 6 aktive) stellten deutl. noch als unter → Karl IV., → Wenzel und → Sigismund die Verwaltungselite am Hofe dar, sie führten öfter den Ratstitel als sonst übl. Darunter war Dr. Job Vener, den man etwas später zum Papst wählen wollte (1417). Von densorgfältig chronolog. geführten großen Registern wurden sachaktenartige Spezialregister gesondert. Die Produktion der einzigen, ungeteilten Hofkanzlei war, stets gemessen an den erhaltenen Stücken, zehnmal so hoch wie in den letzten pfgfl. Jahren, doppelt so hoch wie bei → Karl IV. und betrug das Sechsfache des allerdings schlecht überlieferten Konkurrenten → Wenzel. → Sigismund und → Albrecht II. blieben knapp quantitativ und stärker qualitativ hinter R. zurück. Die Normierung oder Normalisierung der Texte war weit vorangetrieben, wie es auchnötig schien, wenn zu Stoßzeiten mehr als zehn Stücke tägl. hinausgingen. Von einem Tag auf den anderen war das Urkundenformular von »pfalzgräflich« auf »königlich« umgestellt worden. Einen eigenen Hinweis verdient die kleine Kanzlei des kgl. Hofgerichts, deren Laien»beamte« eine extrem hohe königsbezogene Kontinuität von → Ludwig den Bayern bis hin zu → Sigismund aufwiesen, da es eine Instanz dieser Art in den Territorien nicht gab. Es war ein Personenverband aus der Gegend von Schwäbisch Gmünd, auch er eindeutig mitunternehmer. tätig. Das Hofarchivist schon vor 1400 bezeugt und wurde von einem Hofkapellan geleitet, der studiert hatte. Die Hofkapelle war gemäß den generellen Wandlungen an den spätma Königshöfen stark territorial und sogar lokal gebunden. Den vier auf der Burg zu Heidelberg amtierenden Kapellänen stand eine weitaus größere Zahl ehrenamtl. Titelträger gegenüber (26), wie übl. Das untergeordnete Hofpersonal ist in der Regel wie auch anderswo nur anonym bezeugt. In der geläufigen Weise war der Hof der Kg.in über das spezif. weibl. Milieu hinaus mit klar erkennbaren analogen Hofämtern ausgestattet, hat aber sichtbarepolit.-herrschaftl. Bedeutung nicht gewonnen.

Quellen

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