Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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RUDOLF VON HABSBURG (1273-91)

I.

* 1. Mai 1218, † 15. Juli 1291; ⚰ im Dom von → Speyer; Eltern: Gf. Albrecht IV. von Habsburg und Hedwig von Kiburg. ⚭ (1) Gertrud (seit 1273 Anna) von Hohenberg († 16. Febr. 1281), (2) (1284) Isabella/Elisabeth († 1323), Tochter Hzg. Hugos IV. von Burgund (Bourgogne). Kinder (alle aus der ersten Ehe): → Albrecht I. (* 1255, Kg. 1298-1308, ⚭ [1274] Elisabeth von Görz-Tirol); Hartmann (* 1263, † 1281); Rudolf (* um 1271, † 1290, ⚭ [1278] Agnes von Böhmen); Karl (* 1276, † 1276); Robert (* und† zw. 1277 und 1280); Mechthild (* 1251?, † 1304, oo [1273], ⚭ Ludwig II., → Pfgf. bei Rhein und Hzg. von [Ober-] → Bayern (→ Wittelsbach)); Katharina († 1282, ⚭ [1279] Otto III., Hzg. von [Nieder-] → Bayern (→ Wittelsbach)); Agnes/Gertrud (* um 1257, † 1322, ⚭ [1273] Albrecht II., Hzg. von → Sachsen (→ Askanier)); Hedwig/Heilwig (* um 1259 † 1286?, ⚭ [1279] Otto VI., Mgf. von → Brandenburg (→ Askanier)); Clementia († 1293, ⚭[1281] Karl Martell, Sohn Karls II. von Neapel, Vater Karls I. von Ungarn (→ Anjou)); Guta (* 1271, † 1297, ⚭ [1278] Wenzel II., Kg. von → Böhmen (→ Přemysliden)). Wahl zum rex Romanorum am 1. Okt. 1273 in Frankfurt; Krönung am 24. Okt. in Aachen.

II.

Die Wahl des bereits 55 Jahre zählenden Gf.en von Habsburg zum röm.-dt. Kg. trug alle Zeichen einer Übergangslösung in sich, begründete im Reich nördl. der Alpen aber trotzdem die bedeutendste Königsherrschaft der zweiten Hälfte des 13. Jh.s. Durch sie wurde das sog. Interregnum beendet und begann nach verbreiteter Auffassung die spätma. Phase des dt. Kgtm.s, das seine Grundlagen nach der Katastrophe des stauf. Hauses und einer Schwächeperiode der Monarchie nur mühsam zu konsolidieren vermochte und schließl. in zunehmendem Maße auf die eigene Hausmacht alsentscheidender Basis für die Ausübung der herrscherl. Gewalt verwiesen wurde. Die Anerkennung des habsburg. Kgtm.s durch Papst Gregor X. am 26. Sept. 1274 und die Unterwerfung des böhm. Kg.s und Kfs.en Ottokar II. am 25. Nov. 1276, schließl. der Tod dieses gefährl. Widersachers am 26. Aug. 1278 in der Schlacht bei Dürnkrut eröffneten dem Kg. die Möglichkeit zur Durchsetzung einer vielschichtigen Konsolidierungspolitik, die der Habsburger freilich nicht auf allen Feldern zu einem erfolgreichen Ende zu bringen vermochte.

Die Revindikationspolitik, für die auf den Hoftagen von → Nürnberg, → Würzburg und → Augsburg (Nov. 1274, Jan. und Mai 1275) die rechtl. Voraussetzungen geschaffen worden sind, mündete hinsichtl. der ehem. babenberg. Hzm.er → Österreich und Steiermark, die Ottokar von Böhmen ohne ausreichende Rechtstitel an sich gezogen hatte, in eine ambitionierte Erwerbspolitik des Kg.s, durch die die Fürstentümer im Dez. 1282 an das Haus Habsburg gelangten und nicht nur der habsburg. Besitz gewaltig vermehrt, sondern auch die Erhebung der bislang gfl. Familie inden Fürstenstand bewirkt worden ist. Tatsächl. Erfolge konnte das Bemühen um den Rückerwerb entfremdeten Reichsguts darüber hinaus in den traditionell königsnahen Landschaften, also an Mittel- und Oberrhein, im Fränkischen und im Schwäbischen, erringen. Hier war es unter Anknüpfung an stauf. Vorgaben auch möglich, Reichslandvogteien einzurichten, an deren Spitze als absetzbare Sachwalter des Kg.s Reichsvögte mit prinzipiell umfassender, aber regional eingeschränkter Kompetenz zu Schutz und Rückerwerb des Reichsguts berufen wurden, während in den königsfernen Regionen des Reiches,also vornehml. im N, Rfs.en mit dem Schutz des wenigen, hier noch verbliebenen Reichsgutes und mit der Wahrung der kgl. Interessen betraut werden mußten.

Bei der Aufrichtung und Sicherung von Frieden und Recht dagegen, mithin bei der vornehmsten Aufgabe eines Kg.s, der deshalb Aufmerksamkeit von der Thronbesteigung an gebührte, vermochte R. spürbare Erfolge zu erzielen. Als er im Juni 1281 die ehem. babenberg. Donaulande nach einem Aufenthalt von annähernd fünf Jahren, in denen er zumeist in Wien residierte und sich um die Verhältnisse in den übrigen Regionen des Reiches nur aus der Ferne kümmern konnte, wieder verließ, intensivierte er seine schon früher einsetzenden Bemühungen um den Frieden im Reich und griff dabei auf jenen Landfriedenzurück, den → Friedrich II. 1235 auf einem glanzvollen Mainzer Hoftag für das Reich verkündet hatte. Dessen Bestimmungen wurden nun, mit Modifikationen, die die polit. Entwicklung eines knappen halben Jh.s erforderten, mehrfach erneuert - zunächst noch mit räuml. und zeitl. Beschränkung, 1287 und 1291 jedoch mit Geltung für das gesamte Reich. Das Kgtm. hatte damit seine (theoret.) Friedenshoheit prinzipiell behauptet, wenn es auch die (prakt.) Durchsetzung des Friedens, die konkrete Friedenswahrung also, in vielen Regionen des Reiches den lokalen Gewalthabern überlassen mußte.

Nicht nur für die Revindikations- und Landfriedenspolitik lieferte die späte Stauferzeit die entscheidende Orientierungshilfe des habsburg. Kgtm.s, sondern auch für die Italienpolitik, die, nachdem die Anerkennung des Papsttums einmal gewonnen war, ganz im Zeichen des Erwerbs der Kaiserkrone stand. Allerdings blieb hier jedes Bemühen vergeblich, weil, soweit R. nicht durch polit. Erfordernisse an einem Romzug verhindert war, die krönungswilligen Päpste, deren territorialpolit. Wünschen er etwa durch die Abtretung der Romagna entgegengekommen ist, zur Unzeit starben undkrönungsunwillige Päpste ohnehin zu keinem Zugeständnis zu bewegen waren. Das Unterbleiben der Kaiserkrönung beruhte deshalb auch ohne allen Zweifel auf keinem bewußten Verzicht, wie eine bekannte Anekdote behauptet, sondern stellte einen durch verschiedene Umstände bewirkten Mißerfolg der habsburg. Politik dar, der um so schwerer wog, als die Erhöhung zum Ks. dem Herrscher die Möglichkeit geboten hätte, noch zu Lebzeiten einen Sohn zum Kg. wählen zu lassen und auf diese Weise die Nachfolge im Sinne der Dynastie zu entscheiden. Die Sohnesfolge aber, die R. auch nicht in direkten Verhandlungenmit den Kfs.en zu sichern vermochte, hätte eine Kontinuität schaffen können, die ebenso wie eine lange Regierungszeit eine wesentl. Voraussetzung bildete für einen anhaltenden Erfolg des kgl. Strebens nach Konsolidierung der Herrschaftsgrundlagen.

Andererseits jedoch gelang es dem Habsburger, seinen unmittelbaren Einfluß über die traditionellen Königslandschaften hinaus auszudehnen: in den thüring.-mitteldt. Raum hinein, wo er auf Weihnachten 1289 in Erfurt Hof hielt und mit strenger Hand persönl. für Ruhe und Sicherheit sorgte, und - ausgehend von der habsburg. Interessensphäre in der heutigen Nordschweiz - in das Arelat hinein, wo er den burgund. Pfgf.en Otto IV. 1289 zur Lehnshuldigung zwang und im Frühjahr 1291 noch einmal persönl. erschien. Man kann daher keinesfalls sagen, R.s Politik sei ohne Erfolg geblieben, aber dieserhielt sich insgesamt doch in den Grenzen, die dem Kgtm. durch die allgemeine Entwicklung nach dem Sturz der → Staufer gezogen worden waren. In einer längeren Phase der Konsolidierung gelang es dem Habsburger, die weitere Entwicklung der Reichsgewalt durch Reaktivierung und Ausgestaltung traditioneller Herrschaftselemente offen zu halten. Sein Kgtm. stellt daher auch weniger die große Zäsur im Ablauf der ma. Reichsgeschichte dar als vielmehr das Verbindungsglied zw. stauf. Monarchie und spätma. Hausmachtkgtm., dessen Begründer der Habsburger aber auf keinen Fall gewesen ist.

Bes. glanzvoll war R.s Monarchie freilichauch nicht. Nicht nur wurden - wie noch auszuführen ist - die Hoftage des Habsburgers nur selten von zahlr. Fs.en besucht, auch die Heiratspolitik, die in späteren Jh.en einen europ. Bezugsrahmen besaß, beschränkte sich noch weitgehend auf das Reich und bevorzugte dabei den Kreis der kfsl. Familien: der sächs. und brandenburg. → Askanier, der bayer.-pfälz. → Wittelsbacher und der böhm. → Přemysliden. Selbst R.s zweiter Eheschluß führte mit der Verbindung zum burgund. Herzogshaus nochkaum über diesen Rahmen hinaus. Allein die angiovin. Ehe Clementias, die im Zuge einer am Erwerb der Kaiserkrone orientierten und daher auf Ausgleich mit den frz.-südital. → Anjou bedachten Politik geschlossen worden ist, weist europ. Dimensionen auf, während die Verhandlungen über ein engl. Eheprojekt zugunsten des als Thronfolger angesehenen Königssohnes Hartmann Ende 1281 scheiterten, als der junge Habsburger in den winterl. Fluten des Rheines ertrank.

R. war nicht nur der Parvenü im Kreis der altehrwürdigen Herrscherfamilien Europas, seine Herrschaft verfügte darüber hinaus auch nicht über die institutionellen Hilfen und - trotz einer flexiblen Steuerpolitik - über die finanziellen Ressourcen, die etwa schon den westeurop. Monarchien zu Gebote standen. Nicht zu Unrecht, wenn auch viell. für manchen mißverständlich, ist R. daher als »kleiner König« (Moraw 1985, S. 211ff.) apostrophiert worden, denn »klein« meint hier nicht unbedeutend oder erfolglos, sondern - im Vergleich zu anderen europ. Monarchien- eingeschränkt in seinem Herrschaftsraum, ohne weitreichenden Einfluß und größere Attraktivität sowie ohne die Möglichkeiten staatl.-monarch. Verwaltung, die in anderen Kgr.en schon praktiziert wurden.

III.

Ähnliches läßt sich im übrigen auch für den Hof des Habsburgers sagen, für den - wie für so vieles andere auch - das stauf. Vorbild von erhebl. Bedeutung gewesen ist. Natürl. kam es bei R. nicht zu der oriental. Prachtentfaltung, zu der → Friedrich II. bei seinem zweiten Deutschlandaufenthalt in der Lage gewesen ist, fehlte dazu doch schon die exot. Menagerie. Auch sonst war alles viel bescheidener. Der Hof als Ort des alltägl. Lebens der kgl. Familie und als herrschaftl. Instrument zur polit. Beratung und Konsensfindung im Reich behielt zwarseine grundsätzl. Bedeutung, verlor aber an Ausstrahlung und Attraktivität. Von Fs.en wurde er meist nur zu bes. Anlässen und wenn ihre eigenen Interessen im Spiel waren aufgesucht. Ständige Hofbesucher, die sich durch ihre häufigen Aufenthalte in der Umgebung des Kg.s als wichtige Mitarbeiter des Herrschers, gleichsam als eine »Funktionselite« [Boshof, Hof] erwiesen, waren zumeist Gf.en und Herren: der nürnberg. Bgf. Friedrich III. von Zollern, die Gf.en Heinrich von Fürstenberg, Albrecht und Burkhard von Hohenberg und Haigerloch, Ludwig von Oettingen,Friedrich und Emich von Leiningen, Egeno von Freiburg, Gottfried von Sayn, Eberhard von Katzenelnbogen, Johann und Heinrich von Sponheim, die Mgf.en Heinrich von Burgau und Heinrich von Hachberg sowie der Hzg. Konrad von Teck und Otto von Ochsenstein, aber gelegentl. auch Gf.en aus dem mitteldt. Raume, nämlich Berthold V. von Henneberg und Günther IX. von Schwarzburg. Die Hofgesellschaft R.s war mithin gfl. dominiert, hauptsächl. von Adligen, die aus königsnahen Landschaften stammten, zum Stauferanhang zu rechnen sind und oft auch familiäre Bindungen zum Kg. besaßen: der → Zollernund Fürstenberger waren mit dem Habsburger weitläufig verwandt, ebenso - über den kiburg. Familienkreis - die Leininger; die Hohenberger waren die Brüder der Kg.in, der Ochsensteiner der Sohn von R.s Schwester Kunigunde. Von diesen Herren gehörten einige zu Familien, die schon längst Erfahrungen im Königsdienst gesammelt hatten und dies auch zukünftig tun sollten; sie stellten damit ein Element herrschaftl. Kontinuität dar. Den größten Einfluß auf R.s Regierung übten dabei zweifellos Friedrich von Zollern, Heinrich von Fürstenberg und Eberhard von Katzenelnbogen aus, sie bildeten sozusagen diestabilen Stränge in dem personalen Netzwerk, mit dessen Hilfe der Kg. Hof und Reich verklammerte und seine Herrschaft ausübte.

Ihnen an die Seite traten einige Fs.en. Aus der Gruppe der Geistlichen sind - neben den süddt. Bf.en, die wiederholt am Hof erschienen -, v. a. die Minoriten Heinrich von Isny (seit 1275 Bf. von → Basel und seit 1286 Ebf. von → Mainz) sowie Konrad Probus (seit 1279 Bf. von → Toul) zu nennen, aber auch Rudolf von Hoheneck, der von 1274 bis zu seinem Tode am 3. Aug. 1290 der Kanzler des Kg.s und seit 1284 gleichzeitig auch Ebf. von → Salzburg gewesen ist. Von den weltl. Fs.en können nur der → rhein. Pfgf. und bayer. Hzg. Ludwig II.und (schon mit einem gewissen Abstand) der sächs. Hzg. Albrecht II. (aus der Wittenberger Linie) zu diesem engeren Kreis kgl. Sachwalter gerechnet werden, mithin jene Kfs.en, die seit dem Abend des Krönungstages Schwiegersöhne des Kg.s waren und von denen der → Wittelsbacher zudem einen ausgeprägt stauf. Hintergrund besaß.

Vermehrte fsl. Anwesenheit steigerte den Glanz des Königshofes also nur selten, am ehesten wohl noch dann, wenn sich der alltägl. Hof zum Hoftag weitete. Allerdings unterscheidet sich der Kreis der ständigen Teilnehmer an den Hoftagen kaum von demjenigen der häufigen Hofbesucher, wie auch der Hoftag selbst nur undeutl. vom alltägl. Hof zu unterscheiden ist, da er in einer Zeitspanne verdichteter Aktivitäten am Hofe offenbar zumeist nur einen Tag ausmachte, der zuvor eigens angekündigt worden ist und dem Kgtm. im Rahmen intensivierter Regierungstätigkeit zur feierl. Selbstdarstellung dienteund der Hofgesellschaft eine Gelegenheit zu repräsentativer Geselligkeit bot. Mind. 16 solcher Hoftage fanden während R.s Regierungszeit und in der Regel an Sonn- oder Feiertagen statt, viell. sogar 20 oder 21: der erste möglicherw., wenn auch keinesfalls sicher schon im Dez. 1273 in → Speyer, der letzte am 20. Mai 1291 in Frankfurt am Main.

Da das Reich keine Hauptstadt, der Kg. keine feste Res. besaß, war in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s der Hof, auch wenn es an einigen Orten zu längeren Aufenthalten wie (mit nur kurzen Unterbrechungen) zw. 1276 und 1281 in Wien oder vom Dez. 1289 bis zum Nov. 1290 in Erfurt kommen konnte, zwangsläufig immer noch eine reisende Institution. Er bewegte sich hauptsächl. entlang des Rheins zw. → Mainz und → Basel, besaß seinen eigentl. Aufenthaltsraum am südl. Mittelrhein und am Oberrhein, im Elsaß wie in Schwaben sowie in dem angrenzenden fränk. Gebiet bis hin nach→ Würzburg und → Nürnberg, wanderte aber gelegentl., und zwar in den Anfängen von R.s Regierung, auch in den Donauraum, wo Wien den Schwerpunkt des Aufenthalts bildete, und bis nach → Böhmen und Mähren und zog schließl. - ein deutl. Zeichen sich ausweitenden Einflusses - auch in den thüring.-mitteldt. Raum um Erfurt und in das Gebiet der heutigen Schweiz mit Murten als Zentrum. Die Orte, an denen mit Sicherheit Hoftage stattgefunden haben, lassen sich ohne Mühe in dieses Itinerarschema einordnen: Es waren fünf Bischofsstädte (→ Augsburg, → Speyer,→ Würzburg, → Mainz und → Basel), wohin R. die meisten Hoftage einberufen hat, vier Reichsstädte (→ Nürnberg, Frankfurt, Eger und Ulm) sowie das zum Mainzer Erzstift gehörende Erfurt. Der sehr gut besuchte Weihnachtshoftag, der sich 1289 in Erfurt versammelte, brachte nicht nur eine deutl. Ausdehnung des unmittelbaren kgl. Einflusses seit dem Beginn der Habsburgerherrschaft zum Ausdruck, er stellte zugl. wohl auch den Höhepunkt von R.s Regierung dar. Vierzehn Ebf.e und Bf.e, zwei Reichsäbte, außerdem die Hzg.e von → Sachsen,→ Braunschweig, → Lüneburg und → Mecklenburg, der Herzogssohn und Enkel des Kg.s Rudolf von Bayern, die → brandenburg. Mgf.en, der Mgf. von → Meißen, die Lgf.en von Thüringen und → Hessen, mehrere Gf.en und Kg. R.s gleichnamiger Sohn lassen sich in Erfurt nachweisen und haben wohl auch an dem feierl. Hoftag teilgenommen. Nord- und mitteldt. Fs.en prägten also diesmal (und fast ist man geneigt zu sagen: ausnahmsweise) das Bild; aber auch die Regierungstätigkeit selbst erfaßte weiter entfernte Regionen des Reiches: denNiederrhein, Holland, → Brabant, → Geldern und → Lothringen. Hatte der Kg. trotz des beschränkten Radius' persönl. Anwesenheit auch schon vorher manche Fernzone seiner Herrschaft durch die Vergabe von Urk.n zumindest ideell an sich binden können, so strahlte der monarch. Glanz auf Weihnachten 1289 und in den folgenden Monaten doch weitgehend ungetrübt über das gesamte nordalpine Reich und ließ das Kgtm. auf diese Weise auch in Gegenden spürbar und erfahrbar werden, die der un-mittelbaren Kg.sgewalt ansonsten kaummehr ausgesetzt waren.

Über die Organisation des Hofes ist wenig bekannt. Wirtschaftl. unterhalten wurde er durch Einkünfte aus dem Reichsgut, um dessen Revindikation R. sich ja eifrig bemühte, und zweifellos auch durch Mittel aus dem habsburg. Familienbesitz. Wie jedoch der Alltag der Hofverwaltung ausgesehen hat, ist prakt. unbekannt. Zweimal erwähnt werden ein Hofmeister (magister curie: Konrad von Tillendorf, am 5. Nov. 1282 und am 24. April 1289) und ein Küchenmeister (coquine magister: Lupold von Nordenberg - also ein Mitglied der Familie, die dieses Amt seitder späten Stauferzeit erbl. besaß - am 22. Sept. 1277 sowie Lupold d. Ä. von Wilting im März 1289). Natürl. gab es neben diesen neuen, erst im Verlauf des 13. Jh.s entstandenen Aufgabenbereichen auch weiterhin die klass. Hofämter, deren Besitz während der späten Stauferzeit und im Interregnum erbl. geworden war, über deren tatsächl. Ausübung jedoch keine Nachrichten vorliegen. Allg. läßt sich daher nur feststellen, daß Pappenheimer Marschälle, Limpurger Schenken, Bolanden Truchsessen und Falkensteiner-Münzenberger Kämmerer des Kg.s waren und Hildebrand und Heinrich von Pappenheim (zw. 1281und 1291), Werner von Bolanden (1273) und Werner von Münzenberg (1276) in diesen Funktionen auch nachgewiesen sind, während Walter, der Schenk von Limpurg, immerhin zweimal (nämlich 1274 und 1275) als Zeuge in Urk.n des Kg.s auftritt. Wie sie jedoch und mit wessen Hilfe sie ihre Aufgaben erfüllten, bleibt ebenso unbeantwortbar wie die Frage, ob die vier weltl. Kfs.en (der → Pfgf. bei Rhein, der Hzg. von → Sachsen, der Mgf. von → Brandenburg und der Kg. von → Böhmen), die ja als Truchseß, Marschall, Kämmerer und Mundschenk des Reiches galten (SachsenspiegelLdr. III 57 § 2; Schwabenspiegel Ldr. 130a), während R.s Regierungszeit ihren Ehrendienst jemals außer beim Krönungsmahl versehen haben. Gleichfalls läßt sich eine Realität, die hinter der vereinzelten Nennung des Bf.s Jakob von Embrun als triscamerarius (Schatzkämmerer) gestanden haben mag, nicht mehr erkennen. Ebenso waren die drei rhein. Ebf.e (mit Zuständigkeit des Mainzers für das regnum Theutonicum, des Kölners für das regnum Italiae und - sich nun allmähl. einbürgernd - des Trierers für dieGallia, also für den burgund. Bereich) als Erzkanzler nur noch locker mit dem Königshof verbunden und besaßen in der Kanzlei kaum noch eine nominelle Bedeutung. Die Kanzlei selbst aber, die über lange Zeiträume hinweg einzige feste und daher ebenso wichtige wie traditionsreiche Institution, über die die röm.-dt. Herrscher verfügten, läßt sich in ihrem Personalbestand zumindest auf der oberen Ebene und in ihrer Struktur recht deutl. greifen.

Kanzler amtierten unter R. nur zwei: der Propst Otto von St. Wido in → Speyer in den Jahren 1273 und 1274 sowie von 1274 bis 1290 Rudolf von Hoheneck, der provisor des Kl.s → Kempten und seit 1284 Ebf. von → Salzburg. Protonotare, die anstelle des Kanzlers das Urkundenwesen beaufsichtigten und von denen gelegentl. zwei gleichzeitig tätig waren und einer aus dem kgl. Kanzleidienst selbst hervorgegangen ist, gab es insgesamt vier: den im Kirchenrecht geschulten doctor decretorum Heinrich aus dem → DeutschenOrden, der seit dem 20. Sept. 1274 auch Bf. von → Trient war, von 1273 bis 1275; den Notar Gottfried von → Osnabrück, Propst von Maria Saal, der 1283 Bf. von → Passau geworden ist, wo er bereits zuvor die Würde des Dompropstes bekleidete, von 1274 bis 1282; den - gelegentl. auch als Vizekanzler und einmal sogar als Kanzler bezeichneten - Konstanzer Domherr, Propst von Xanten und Kölner Archidiakon, Magister und doctor decretorum Heinrich von Klingenberg, der - seit 1286 päpstl. Kaplan - 1293 schließl. den Konstanzer Bischofsstuhlbesteigen konnte, von 1283 bis 1291; und schließl. den Magister Witelo, der nur in einer Urk. vom 20. Dez. 1280 als Protonotar erwähnt wird und vorher viell. Kaplan Kg. Ottokars II. von Böhmen gewesen ist (Redlich 1903, S. 755). Von den ansonst meist unbekannten Urkundenschreibern lassen sich ebenfalls einige namhaft machen: der spätere Protonotar Gottfried, der 1274 als Notar belegt ist, der Werdener Propst Andreas von Rode für die Jahre 1274 bis 1281, für den gleichen Zeitraum der aus Schaffhausener Stadtadel stammende Domherr zu Chur Konrad von Herblingen undschließl. 1275 und 1289 Konrad von Diessenhofen. Daneben werden noch erwähnt: am 9. Juli 1280 Benzo, der rector der Kirche von Neckarau, im März 1283 der Kaplan Otto sowie am 9. Mai 1285 die maister Konrad und Hermann als schriber des röm. Kg.s.

Neben der Kanzlei stellte das Hofrichteramt einen wichtigen Funktionsbereich dar, der am dt. Königshof freilich erst 1235 durch → Friedrich II. geschaffen und durch eine Bestimmung des Mainzer Landfriedens fest installiert worden ist. Anknüpfend daran hat R. zwei Hofrichter (imperialis aule iustitiarii) ernannt: Bertold von Trauchburg, der 1276 und 1282, und Hermann von Bonstetten, der 1290/91 in diesem Amt belegt ist. Ihnen zur Seite stand, wie ebenfalls im Mainzer Landfrieden festgelegt, ein Gerichtsschreiber. Für den Zeitraum von 1273 bis 1313 lassensich immerhin acht verschiedene Schreiber von Gerichtsurk.n unterscheiden, ohne daß es jedoch mögl. erscheint, auch nur einen von ihnen näher zu identifizieren. Wenn demnach auch davon ausgegangen werden darf, daß den imperialis aule iustitiariis des Habsburgers eigene Schreiber als Hofgerichtsnotare zugeordnet waren, so läßt sich eine Gerichtsbehörde mit Institutionencharakter trotzdem noch lange nicht feststellen; erst in der Mitte des 14. Jh.s scheinen das Hofgericht und seine Kanzlei eine entspr. Entwicklung durchlaufen zu haben.

Einen Hofrat mit feststehenden Kompetenzen (oder gar einer klaren Ressortgliederung) hat es unter R. (und lange nach ihm) ebenfalls noch nicht gegeben; wohl aber lassen sich etl. Mitarbeiter feststellen, die als consiliarii und familiares bezeichnet werden. Ohne einen ständigen Rat mit institutionellem Charakter darzustellen, bildeten diese Getreuen einen Beraterkreis, den der Kg. nicht zuletzt auch - wie die Beispiele der Gf.en Dietrich von Kleve und Ludwig von Savoyen lehren - zur Anbindung regional weit entfernter Adliger an seinen Hof nutzenkonnte. Die auf diese Weise in die familia des Kg.s, wenn man so will: in seinen Hofstaat, aufgenommenen Ratgeber und Familiaren konnten dieses, nicht zuletzt auch schutzspendende, Nahverhältnis natürl. ihrerseits als eine bes. Ehre und Auszeichnung empfinden. Als geschworener (gesworn) Rat erscheint der Abt Heinrich von → Fulda am 11. Mai 1290; als (geheimer) Rat (und manchmal zugl. auch Familiar) erscheinen: der Bf. Hartmann von → Augsburg am 21. Mai 1275, Heinrich von Isny als Bf. von → Basel(secretarius), der Gf. Dietrich von → Kleve (consiliarius et familiaris domesticus), der Minorit Berthold (secretarius et familiaris), der Bf. Konrad Probus von → Toul (consiliarius), der Johanniterordensmeister Berenger (henliger ratgeve, heimblicher rate), der Deutschordensbruder Hermann von Hohenlohe (consiliarius) und der aus der Nähe von Cham in der Oberpfalz stammende Würzburger Domherr und Magister Lupold von Wilting(consiliarius et caplanus). Nur als Familiare werden bezeichnet: der Bf. Johann von Chiemsee, Paulus aus Terni (Interampnensis), der Gf. Ludwig von Savoyen, Gerlach von Isenburg, Walther von Klingen und die Ritter Konrad Wernher von Hatstatt und Johann von Kienheim.

Wie das Beispiel Lupolds von Wilting zeigt, sind auch Kapläne (ohne daß wir für R.s Regierungszeit genaueres über die Organisation der Hofgeistlichkeit oder eine Hofkapelle wüßten, die ohnehin schon längst nicht mehr für das Urkundenwesen zuständig war und wohl auch keinen geschlossenen Verband von Hofgeistlichen mehr darstellte) dem Kreis der kgl. Ratgeber und Familiaren zuzurechnen. R. gliederte daher, als er den Bf. Otto von → Hildesheim am 22. Mai 1277 zu seinem Kaplan ernannte, diesen zugl. auch dem Verband seiner familia (nostrefamilie ascribentes) ein. Die Ernennung eines weit vom Hof entfernt amtierenden Geistlichen konnte dabei natürl. vorrangig kaum der Sicherung der Seelsorge am Hofe dienen, sondern bildete die Erfüllung einer Bitte des Bf.s und sollte offenkundig ebenso wie die Bestallung gewisser weltl. Räte die Anbindung an den Königshof bewirken. Zudem waren im 13. Jh. aber auch die Pröpste von → Zürich und des Augustiner-Chorherrenstifts St. Marien in Altenburg ebenso wie die Stiftsherren von St. Servatius in Maastricht und St. Bartholomäus in Frankfurt als Mitglieder kgl. Kirchen(capellae) zugl. auch kgl. Kapläne, ohne daß man sie in strengem Sinne als Hofgeistliche bezeichnen dürfte. Des weiteren werden als Kapläne gen.: ein Konrad und der Naumburger Kanoniker Ludolf, Heinrich Sluzzelin, der Notar Otto, der Propst Hein-rich von → Freising, der Arzt des Kg.s: Magister Landulf aus Mailand, sowie Peter Reich, der 1286 Bf. von → Basel wurde, und der aus habsburg. Ministerialengeschlecht stammende Johann von Wildegg.

Naturgemäß ist auch der habsburg. Königshof ein fluktuierendes Gebilde gewesen, dessen Zusammensetzung sich in beständiger Änderung befand. Neben die kgl. Familie, die subalternen (für die Zeit R.s aber prakt. nicht zu fassenden) Bediensteten und die Inhaber der genannten Hofämter, die gemeinsam den engeren Hof bildeten, traten die adligen und nichtadligen, geistl. und nichtgeistl. Hofbesucher, seltener Fs.en, häufig dagegen Gf.en, Herren und Abkömmlinge ministerial. Geschlechter, und sorgten für ein dauerndes Kommen und Gehen und für eine gewisse Buntheit der Hofgesellschaft, zu der imübrigen auch ein Prinzenerzieher, der Magister Petrus aus Freiburg (doctor filiorum R[udolfi] regis Romanorum, nämlich für den 1281 ertrunkenen Königssohn Hartmann und offenbar auch für den jüngeren Rudolf) sowie die Leibärzte des Kg.s (der schon erwähnte Mailänder Magister und spätere Bf. von → Brixen Landulf [physicus, des künges arzat], Peter Aspelt [Romanorum regis phisicus], der spätere Ebf. von → Mainz, und viell. auch ein namentl. nicht weiterbekannter Magister [H.] aus Villingen) und der Arzt der Kg.in (frater Henricus, reginae medicus et amicus) zählten. Zu einem bes. kulturellen Zentrum hat sich der Habsburgerhof jedoch nicht entwickelt. Seine Attraktion für Künstler blieb offenbar gering, so wie sich seine Ausstrahlung ins Reich, obwohl sie im Verlauf von R.s Regierungszeit immer intensiver geworden ist, in Grenzen hielt. Kgl. und das meint nicht zuletzt fsl. Glanz dürfte nur selten von ihm ausgegangen sein, da die oberen Ränge der Hofgesellschaft zumeist von Gf.en und Edelherrengebildet worden sind.

Quellen

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