Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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OLDENBURG

I.

Die Dynastie der O.er leitet sich her von Egilmar I. († 1108), comes in confinio Saxoniae et Frisia potens et manens. Als Herkunftsraum gilt das Land nördl. von → Osnabrück, wo die Familie im MA reichen Grundbesitz hatte. Um und nach 1100 hatte sie die Vogteien über die Kl. Wildeshausen und Rastede inne. Der Herrschaftsbereich erstreckte sich über das Ammerland, seit der ersten Hälfte des 12. Jh.s mit dem Zentrum der Burg O., nach der seit 1149 auch die Selbstbezeichnung de Aldenburg belegt ist. Um 1278 wurdedie Burg Delmenhorst Sitz einer Nebenlinie. Der Herrschaftsbereich der Gft. O. erweiterte sich seit dem 13. Jh. im Kampf gegen Stedinger Bauern und Friesen.

II.

Das O.er Königshaus entstand aus der Verbindung des Gf.en Dietrich von O. und Delmenhorst († 1440) mit Heilwig von Holstein († 1446), einer Tochter des Gf.n Gerhard VI. von Holstein und Hzg. von Schleswig († 1404). Deren Sohn Gf. Christian VIII. wurde 1448 vom dän. Reichsrat als Christian I. zum Kg. von Dänemark gewählt und 1450 auch zum Kg. von Norwegen gekrönt. Als Gf. Adolf VIII. von Holstein und Hzg. von Schleswig aus dem Haus Schauenburg 1459 kinderlos starb, wählten die schleswig-holstein. Stände 1460 in Ripen Kg. Christian I. zum Hzg. von Schleswig undGf.en von Holstein unter der Bedingung, daß die beiden Territorien up ewig ungedeelt bleiben sollten. Die Gft. Holstein wurde 1474 zum Hzm. erhöht.

Während die Personalunion zw. dem Kgr. und den Hzm.ern bis zum Aussterben der O.er im Mannesstamm 1863 Bestand hatte, waren Besitz und Herrschaftsverhältnisse sowie die verfassungsrechtl. Positionen durch mehrere Teilungen der Hzm.er (1490, 1544, 1564, 1581) steten und zunehmend komplizierter werdenden Veränderungen unterworfen. Mit der ersten Teilung der Hzm.er 1490 in kgl. und hzgl. Anteile wurde Schloß Gottorf für mehr als 200 Jahre zur Res. der Hzg.e von Schleswig-Holstein-Gottorf.

Der Kg. von Dänemark war Oberlehnsherr von Schleswig und Hzg. von Schleswig und Holstein in Gemeinschaft mit dem Gottorfer Hzg. und als Hzg. von Holstein Lehnsmann des Ks.s. Gleichzeitig war er Regent des kgl. Anteils der Hzm.er. Der Hzg. von Schleswig-Holstein-Gottorf war Lehnsmann des Kg.s für das Hzm. Schleswig und Regent des hzgl. Teils beider Hzm.er, deren holstein. Teile vom Ks. zu Lehen gingen. Beide waren Mitregenten des aus Adels- und Klostergebiet bestehenden gemeinschaftl. regierten Teils. Aus diesen komplizierten Rechtsverhältnissen erwuchsen zahlr. Konflikte: Die Kg.eerstrebten die Vereinigung der hzgl. mit den kgl. Gebieten, die Hzg.e suchten sich aus der kgl. Oberlehnsherrschaft über Schleswig zu lösen.

III.

Eine eigene dynast. Selbstdarstellung der Hzg.e von Schleswig-Holstein-Gottorf aus dem Haus O. hatte sich aus der Rivalität mit dem dän. Königshaus zu entwickeln, das ebenfalls dem Haus O. entstammte. Herrscherl. Machtanspruch manifestierte sich bes. im Ausbau der Res. Schloß Gottorf und seiner Gartenanlagen. Die Schaufassade des Westflügels von etwa 1530 ist der erste Renaissancebau in Nordeuropa wie das seit 1637 angelegte »Neue Werk« der erste Barockgarten des Landes war, in dem eine monumentale Herkulesfigur die herrscherl. Tugenden und ein begehbarerGlobus mit Planetarium die durch die Weisheit des Regenten berechenbare Ordnung der Welt verkörperte. Der 1703 beendete Umbau signalisiert durch seine Anklänge an das Stockholmer Stadtschloß die polit. Verbindungen. Hzg. Adolf († 1586) ließ in seinen Landesteilen nach niederländ. Vorbildern die Schlösser Reinbek und Husum errichten. Als hzgl. Grabkirche war anfangs die Klosterkirche Bordesholm vorgesehen, später diente dazu der St. Petersdom in Schleswig, in dem die Gottorfer Fs.en in zwei übereinander gelegenen Grüften bestattet wurden. In dem für seine Grabkirche gestiftetenSchnitzretabel läßt sich Hzg. Friedrich I. als Friedensfs. darstellen. Mit seinem Marmor- und Alabasterkenotaph von 1551/59 im Schleswiger Dom zog die fläm. Renaissance in den N ein. Der 1609/13 unter Hzg. Johann Adolf in der Gottorfer Schloßkapelle eingerichtete fsl. Betstuhl diente in seiner wappenbekrönten Pracht ebensosehr der Repräsentation wie der Frömmigkeit. Insbes. unter Hzg. Friedrich III. († 1659) blühten zum »Herrscherlob« Künste und Wissenschaft, etwa durch den Hofgelehrten Adam Olearius. Bibliothek und Kunstkammer gehörten zu den bedeutendsten in Nordeuropa. Olearius' Berichtvon 1649 über eine nach Persien unternommene Gesandtschaftsreise und die kartograph. Erfassung und Beschreibung der Hzm.er durch Johannes Mejer und Caspar Danckwerth 1652 hatten in Europa nicht leicht ihresgleichen. Der Hofmaler Jürgen Ovens schuf Familienportraits und Stammbäume in allegor. überhöhter Darstellung, Friedrichs Sohn Christian Albrecht († 1694) gründete 1665 die Kieler Universität.

IV.

Trotz des Unteilbarkeitsgebotes für die Hzm.er von 1460 nahm bereits der Sohn des ersten O.ers, Kg. Hans, 1490 eine Teilung des Landes vor, der 1544 eine weitere folgte. Die Dreiteilung von 1544 zw. Kg. Christian III. und seinen Brüdern Johann und Adolf bestimmte für über 200 Jahre nicht nur die Geschichte der Hzm.er, sondern ganz Nordeuropas. Als Bemessungsgrundlage der Landesteilung diente das Steueraufkommen der Ämter und Landschaften. Die Besitztümer lagen in bunter Gemengelage in beiden Landesteilen. Hzg. Adolf begründete mit dem »Gottorfer Anteil« dieLinie Schleswig-Holstein-Gottorf. 1564 trat der Kg. von seinem »Haderslebener Anteil« ein Drittel zugunsten seines Bruders Hans ab, der damit das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg gründete. Erbteilungen unter dessen Söhnen schufen im Laufe der Generationen weitere Nebenlinien: die Häuser Schleswig-Holstein- Sonderburg-Augustenburg, -Glücksburg, -Norburg, -Plön und -Beck. Als »abgeteilte Herren« waren diese Fs.en von der gemeinschaftl. Regierung von Kg. und Gottorfer Hzg. über die Gebiete der Kl., des Adels und der Städte jedoch ausgeschlossen. Der 1544 an Hzg. Johann gefallene»Haderslebener Anteil« wurde 1581 zu gleichen Hälften zw. Kg. und Gottorfer Hzg. aufgeteilt. Mit der Einführung der Primogenitur für die Gottorfer Linie 1609 und für die kgl. Linie 1650 waren die Teilungen beendet.

In die seit dem 17. Jh. offen ausbrechenden Kämpfe zw. Dänemark und Schweden um die Herrschaft im Ostseeraum wird auch Schleswig-Holstein einbezogen. Die Hzg.e suchen bei Schweden Unterstützung in ihrem Streben nach staatl. Souveränität, für Schweden ist der Gottorfer Staat ein wichtiger Verbündeter und strateg. Brückenkopf zu seinen norddt. Besitzungen. Schließl. beendete die schwed. Niederlage im Nordischen Krieg auch alle Hoffnungen der Gottorfer Hzg.e: 1713 zog Kg. Friedrich IV. den Gottorfer Anteil am Hzgm. Schleswig als verwirktes Lehen ein, der holstein. Anteil folgte 1773.

Heiraten dienten auch im Gottorfer Herzogshaus der Besiegelung polit. Bündnisse. Mit der Verbindung von Hzg. Friedrichs Tochter Hedwig Eleonore 1654 mit Karl IV. Gustav von Schweden ergriff das Hzm. Partei in den nordeurop. Machtkämpfen. Noch spektakulärer war die Heirat Hzg. Carl Friedrichs 1725 mit Anna Petrowna, der ältesten Tochter Zar Peters des Großen. Ihr Sohn Carl Peter Ulrich begründete 1762 als Zar Peter III. die Linie der russ. Zaren bis 1917.

Quellen

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