Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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LUXEMBURG

I.

Als erster der im Ardennen-Moselraum ansässigen Nachfolger des Gf.en Sigfrid († nach 993) bezeichnet sich Gf. Konrad († 1086) in seiner Siegelumschrift als »Graf von Luxemburg« (Urk. von 1083). Bis zum Aussterben des ersten Grafenhauses i. J. 1136 benennen sich sämtl. Nachfolger Konrads in der direkten Linie nach L., ein Titel, der dann auch auf das zweite Grafenhaus übergeht. Das Aufsteigen der L. (Lucilinburhuc - lützel und burc: kleine Burg) zur Stammburg bildet den Abschluß eineslängeren Territorialisierungsprozesses innerhalb des Machtkomplexes des sog. »Luxemburger« Zweiges der Ardenner- und Moselgf.en, der erst am Ende des 11. Jh.s zu den drei Grafenlinien von L., Salm und Gleiberg (Franken) führt. In der Nachfolge des Namurer Erbfolgestreits zur Zeit der Gf.in Ermesinde († 1247) wird sich die Intitulatio der L.er um den Markgrafentitel von Arlon und den Grafentitel von Laroche in den Ardennen erweitern; die Kurztitulatur bleibt aber weiterhin der Stammburg vorbehalten. Ks. Heinrich VII. († 1313) und sein Sohn Johann, Kg. von Böhmen († 1346),verweisen in ihrem Titel nur auf die Gft. L., die 1354 durch Ks. Karl IV. zum Hzm. erhoben wird. Die Bezeichnung »Herzog von Luxemburg«, dem seit 1364 derjenige eines Gf.en von Chiny hinzugefügt wird, bildet nunmehr den alle Gft.en integrierenden Titel, den alle Herrscher bis zur Französischen Revolution führen werden.

Am Beginn des 11. Jh.s, als die Nachfahren des Gf.en Sigfrid sich in der sog. »Luxemburger Fehde« gegen ihren Schwager Ks. Heinrich II. behaupten mussten, wurde in → Metz ein karoling. Stemma benutzt, um die Moselgf.en über Sigfrids Mutter an die Karolinger und v. a. an ihren Spitzenahn, den hl. Bf. Arnulf von Metz anzubinden. Punktuelle Interessen der Moselgf.en um den → Metzer Bischofsstuhl stehen hier im Vordergrund. Auch wenn die ausgebaute Stammtafel durch Ks.in Kunigunde zur Stifter-Memoria in → Bamberg benutzt wurde, kennt sie keine dynast. Tradition. So wählte Ks.Karl IV. um die Mitte des 14. Jh.s nicht die L.er, sondern die Brabanter Abstammung seiner Großmutter Margareta, Ehefrau Heinrichs VII., um über die Karolinger bis zum bibl. Spitzenahn Noah vorzustoßen, als er den Palas seiner »Kultburg« Karlstein mit seiner Ahnenreihe ausschmücken ließ.

II.

Den Ausgangspunkt der Gft. L. bilden die Grafenrechte und Obervogteien, die Gf. Sigfrid im Raum Ardennen/Eifel und mittlere Mosel als Vertrautem der Ottonen zu Teil wurden. Sigfrid verfügte über den comitatus im Moselraum um die Kaiserpfalz Diedenhofen, wozu später weitere Grafenrechte in der Eifel um das castellum Bitburg kamen. Desweiteren war er Laienabt und nach der Reform von 973 Vogt des Reichskl.s → Echternach, sowie (er oder seine direkten Nachfolger) Vogt der großen Reichsabtei St. Maximin bei→ Trier. Eigenbesitz im Alzettegebiet wurde kontinuierl. auf Kosten von Klostergut ausgebaut und bildete den Ausgangspunkt für das spätere allodiale Grafenzentrum um die von der Abtei St. Maximin mit dem Einverständnis der Ottonen erworbene L. (963/987). Der innere Landesausbau erfolgte am Ende des 11. und im angehenden 12. Jh. auf Klostergut, das in Form von Lehen an Untervögte und fideles ausgegeben wurde. Hinzu kamen weitere, nicht zusammenhängende Rechte und Besitzungen in den Ardennen sowie die vom Reich lehnrührige Vogtei von → Malmedy.

Die bis zur Salierzeit ständige Königsnähe gipfelt in der Heirat der Tochter Gf. Sigfrids, Kunigunde, mit dem späteren Ks. Heinrich II. und den Ernennungen Heinrichs I. (1004-09 und 1017-26) und Heinrichs II. (1042-47) zu → Bayernhzg.en sowie Friedrichs II. zum Hzg. von Niederlotharingien (1046-65). Nur episod. Natur blieb das unglückl. Gegenkgtm. des von seinen L.er Angehörigen völlig isolierten Hermann von Salm (1081-88).

Als Konrad II. 1136 kinderlos starb, fiel der L.er Besitz an dessen Neffen Heinrich von Namur, dem seinerseits erst spät eine Tochter namens Ermesinde geboren wurde. Bei seinem Tod zog daher Kg. Heinrich VI. die Gft.en L. und Laroche als Reichslehen ein. Ermesindes Gatte Gf. Theobald von Bar konnte sie aber von Otto von Burgund zurückkaufen und so setzte sich erstmals in einem Reichsland die weibl. Erbfolge durch (zum weiteren Landesausbau im 13. Jh. vgl. unten Abschn. IV). Dem zweiten L.er Grafenhaus, das mit Ermesindes Sohn Heinrich V. die Gft.en L., Laroche und Durbuy, rechts der Maasliegende Teile der Gft. Namur, die spätere Propstei Marville/Arrancy und die Mgft. Arlon vereinigte, gelang weder die Rückgewinnung von Namur noch der Erwerb des Hzm.s Limburg. Trotz der Niederlage von Worringen (1288) gegen Brabant kannte das Haus zu Beginn des 14. Jh.s einen auch für Zeitgenossen erstaunl. Aufstieg. Während Balduin am 10. März 1308 zum Ebf. von → Trier geweiht wurde, wurde sein Bruder Heinrich VII. am 27. Nov. 1308 zum röm. Kg. gewählt. Als solcher konnteer seinem Haus 1310 das Kgr. Böhmen (mit der Mgft. Mähren und Erbansprüchen auf Polen) als Reichslehen übertragen und seinen Sohn Johann mit der Erbtochter Elisabeth Přemysl (→ Přemysliden) verheiraten. Der Romzug erbrachte zwar am 29. Juni 1312 die Kaiserkrone, endete aber ansonsten im polit. Fiasko und mit Heinrichs Tod (24. Aug. 1313). Die Kandidatur seines Sohnes für seine Nachfolge im Reich wurde wg. ihrer Aussichtslosigkeit gegenüber anderen Kandidaten von der L.er Partei fallengelassen, was aber Johann nicht daranhinderte, sowohl auf milit. als auch auf diplomat. Ebene eine prägende Rolle in der Reichspolitik zu spielen. Schließl. gelang ihm mit päpstl. Befürwortung am 11. Juli 1346 die Wahl seines Sohnes Karl IV. zum röm. (Gegen)Kg., der nach dem Tod → Ludwigs IV. diesmal einstimmig am 17. Juni 1349 bestätigt wurde.

Nicht zuletzt aus reichspolit. Gründen (Sicherung der Westgrenze gegen wittelsb. Umtriebe) akzeptierte er am 19. Dez. 1353 erstmals seinen Halbbruder Wenzel aus Johanns zweiter Ehe mit Beatrix von Bourbon als Gf.en von L., als den ihn sein Vater bestimmt hatte, und erhob am 13. März 1354 die Gft.en L., Laroche und Durbuy, die Mgft. Arlon sowie die Herrschaft Mirwart zum Hzm. L. Wenzel stieg dadurch in den Reichsfürstenstand auf und erhielt das Ehrenamt eines Reichstruchsessen. Durch seine Ehe (1352) seit 1356 auch Hzg. von Brabant und Limburg, wurde er 1366/67 zusätzl. zum Reichsvikar undLandvogt im Elsaß ernannt, womit der Kaiserbruder über eine Einflußzone von der Nordsee bis zum Oberrhein verfügte.

Entgegen den Bestimmungen der mit den Kfs.en ausgehandelten Goldenen Bulle (1356) konnte Karl am 10. Juli 1376 seinen Sohn Wenzel einstimmig zum röm. Kg. wählen lassen, womit sich erstmals seit den → Staufern die Bildung einer Reichsdynastie anbahnte. Mit der 1363 von den → Wittelsbachern erworbenen Mark Brandenburg, in der er Tangermünde zur Res. ausbauen ließ, belehnte Karl 1376 seinen jüngeren Sohn Sigismund, der dadurch auch Kfs. wurde und, dank seiner Verlobung (1372) mit Maria, der Tochter Kg. Ludwigs von Ungarn, Aussicht auf die poln. Krone hatte.

Wenzels Reichs- und Böhmenpolitik war glücklos. Er konnte weder das Große Abendländische Schisma noch die inneren Spannungen im Reich beilegen, geschweige denn die Kaiserkrone bekommen, so dass die Kfs.en 1400 seine Absetzung als röm. Kg. beschlossen und den Pfgf.en → Ruprecht III. zum Nachfolger wählten. Wenzel nahm die Vorbereitungen zu seiner Entmachtung, von denen er durchaus Kenntnis hatte, passiv hin und ergab sich auch schnell in die neue Lage, ohne allerdings formell auf die Reichskrone zu verzichten.

Wg. des frühen Todes Ludwigs I. wurde Sigismunds Verlobte Maria 1382 Kg.in von Ungarn und Sigismund musste mit Gewalt die Eheschließung und den Vollzug des Beilagers durchsetzen. Erst 1387 wurde er zum ungar. Kg. gekrönt, unter der Bedingung, keine Regierungsentscheidungen zu treffen. Sigismund führte seit 1396, auch nach der Absetzung seines Bruders, den Titel eines Reichsvikars, obschon er eigtl. nicht mehr Rfs. war, da er die Mark Brandenburg und damit seine Kurfürstenstimme an seinen Vetter Jobst von Mähren hatte verpfänden müssen (1388). Um 1400 waren die innerfamiliären Querelen sogroß, dass weder Sigismund noch sein Vetter Jobst von Mähren als Nachfolger Wenzels in Frage kamen. Nach → Ruprechts Tod wurde Sigismund am 20. Sept. 1410 von drei Kfs.en zum röm. Kg. gewählt, während sein Vetter Jobst von Mähren am 1. Okt. 1410 mit vier Stimmen gewählt wurde. Zur milit. Auseinandersetzung kam es nicht, weil Jobst am 18. Jan. 1411 starb. Mit der Mark Brandenburg belehnte der Kg. fortan seinen Getreuen, den Bgf.en Friedrich von Zollern (→ Hohenzollern). Nach dem Tod seines Halbbruders Wenzel (16. Aug. 1419) übernahm Sigismund auch die Herrschaft in Böhmen. Am 31. Mai1433 wurde er in Rom endl. zum Ks. gekrönt, starb aber vier Jahre später am 9. Dez. 1437. Die Ansprüche seines Hauses gingen damit auf seine Tochter Elisabeth über, die mit → Albrecht V. von Habsburg verheiratet war (vgl. unten Abschn. IV).

III.

Die frühesten Zeugnisse des dynast. Selbstverständnisses der L.er gehen auf Gf. Konrad I. zurück, der 1083 vor seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem unterhalb der fortan dem Geschlecht seinen Namen gebenden Stammburg ein Kl. gründete, das allen Kriterien des Hauskl.s (dynast. Grablege, Totengedächtnis, Vogtei) gerecht wurde. Dies erfolgte, wie Konrad sich selbst ausdrückte, in bewußter Trennung zur älteren Tradition, nach der das Totengedächtnis von Konrads Vorfahren in den Reichskl.n der Trierer Gegend (St. Maximin, → Echternach) oder in denMetzer Bischofskl.n (Gorze) gepflegt wurde. Mit dem Aussterben des ersten Grafenhauses 1136 verlor das L.er Münster seine Funktion als Hauskl. Diese ging ein Jh. später an das Zisterzienserinnenkl. Clairefontaine über, das 1247 von der Gf.in Ermesinde auf ihrem Totenbett gegr. und von deren Sohn Heinrich V. ins Leben gerufen wurde. Auch hier zeigt sich die Zäsur in symbol. Darstellungsformen: In Clairefontaine wurde Gf.in Ermesinde als Stammmutter des zweiten L.er Grafenhauses verehrt, die Grabmonumente ihrer Nachfolger zeigen ein erstes L.er Wappen (roter Löwe auf silber-blau gestreiftemGrund) nebst Wappen der verwandten oder verbündeten Dynasten. Nach dem Tode seines Vaters Johann besorgte Karl IV. dann die erneute Rückkehr zum Hauskl. der ersten Dynastie, wo er seinen Sohn gegen dessen Wunsch begraben ließ (1346). Diese bewußte Anlehnung an die alte Tradition und den damit erhobenen Legitimationsanspruch wurde unter seinem Sohn Kg. Wenzel fortges., wodurch das Münsterkl. in L.-Stadt wieder zum Kl. der Dynastie wurde, obwohl weder Karl († 1378, ⚰ Prag, St. Veit) noch sein Halbbruder Wenzel († 1388, ⚰ Orval) im Münster ihre letzte Ruhestättefanden.

Die Abfolge von zwei Grafenfamilien und mehreren Grabkirchen, nicht zuletzt aber auch die Abwesenheit der zu Königs- und Kaiserwürde aufgestiegenen L.er verhinderte die Entwicklung einer dynast. Tradition und ihrer verschiedenen Repräsentationsformen. Genealog. Selbstdarstellungen, Hauschroniken oder Verehrung von Familienheiligen kannten die L.er bis zu Heinrich VII. nicht. So wurde der Ks.in Kunigunde († 1033), 1200 heilig gesprochen, vom zweiten L.er Grafenhaus kein Kult zuteil. Erst mit dem Aufstieg zu Kaiserehren mehren sich die Zeugnisse einer bewussten Pflege von »Image undMemoria«. Erwähnt seien hier nur der Trierer Bilderzyklus mit Heinrichs Romfahrt in Handschrift und Fresken, die Trierer Kartause mit ihren Chorwangen, die Grabmäler der Margareta von Brabant und Heinrichs VII. in Genua und Pisa, die religiösen Stiftungen Kg. Johanns und sein Grabmonument in L., die zahlr. Bemühungen Karls IV., sich in Prag als legitimer Nachfolger der → Přemysliden in Szene zu setzen. Gemeinsam ist diesen Zeugnissen der polit. und memorialen Repräsentation die Tatsache, daß sie zum großen Teil außerhalb der luxemburg. Stammlande liegen. Wenn sie auch noch unterBalduin, Heinrich und Johann der Darstellung des L.er Hauses dienten, war dies unter Karl IV. und dessen Nachfolger nicht mehr der Fall.

IV.

Nach einer wohl um 1012 in → Metz an ein älteres Karolingerstemma angefügten Seitenlinie geht der Ursprung des sog. »Luxemburger« Zweiges der Ardenner- und Moselgf.en auf Ermentrude, Tochter des Westfrankenkg.s Ludwigs des Stammlers (877-879) zurück. Ihre Tochter Kunigunde soll die Mutter des »luxemburgischen« Stammvaters Sigfrid (Ersterwähnung 943, † nach 993) gewesen sein. Während Ermentrudis als Tochter Kg. Ludwigs durch weitere Quellen belegt ist, erwähnen diese allerdings weder ihren Ehemann noch ihre Kinder. So bleibt die Frage offen, wie dieKinder Gf. Sigfrids, allen voran Heinrich, Hzg. von → Bayern († 1026), Dietrich, Bf. von → Metz († 1047) und die Ks.in Kunigunde († 1033), die karoling. Abstammung ihrer Großmutter Kunigunde, die in den Quellen nicht bezeugt ist, belegen konnten. Die Frage nach dem Vater Gf. Sigfrids bleibt trotz aller Spekulationen ungeklärt, wobei für die Erforschung der »Luxemburger« erschwerend hinzu kommt, dass auch seine Gattin Hadwig (Erstbeleg 964, † nach 993) nicht näher identifizierbar ist. Demgegenüber ergeben allerdings Untersuchungen der memorialen Zeugnisse sowie der herrschaftl.Repräsentationsformen, daß die Sigfrid- oder Adalbero-Sippe (nach dem geistl. Leitnamen der westfränk. und lotharing. Bf.e aus der Familie) ihre Machtstellung im Maas-Mosel-Raum auf westfränk. Wurzeln zurückführt, sich nach der Angliederung Lotharingiens an das Deutsche Reich aber dann ganz in den Dienst der Ottonen stellte unddadurch zu einer der bedeutenden königstreuen Sippen im W des Reiches aufstieg.

In der sog. »Luxemburger Fehde« (1008-15) mißlang der Versuch, definitiv Hand auf die geistl. Nachbarterritorien → Trier und → Metz zu legen, womit eine Verengung des L.er Machtbereichs auf den Raum zw. Ardennen/Eifel und der mittleren Mosel eingeleitet wurde. Nach Abspaltung der Seitenlinien von Salm, Gleiberg und Laach, führte diese Entwicklung zur Geburt der Gft. L. mit dem gleichnamigen Zentrum, die unter Gf. Konrad I. († 1086) in den Quellen faßbar wird (siehe oben Abschn. I und II).

Nach dem Tode des kinderlosen Gf.en Konrad II. fiel die Gft. L. 1136 an Heinrich, Gf. von Namur, durch seine Mutter ein Enkel Konrads I. So entstand zw. Maas und Mosel ein beachtl. Machtkomplex, der allerdings nach Heinrichs Tod 1196 wieder aufgeteilt wurde. Das luxemburg. Erbe, vergrößert um die Ardenner Gft.en Laroche und Durbuy und die Vogtei über das Ardenner Kl. → Stablo-Malmedy sowie die in der späteren Propstei Poilvache zusammengefaßten ehemaligen Namurer Gebiete rechts der Maas, fiel an sein einziges Kind, die spätgeborene Ermesinde (1186-1247), deren Ehemänner Theobald vonBar († 1214) und Walram von Limburg († 1226) ihr Erbe sichern konnten. Hinzu kamen als Wittum Gf. Theobalds die spätere Propstei Marville/Arrancy sowie als Wittum Walrams von Limburg die Mgft. Arlon. Damit bildeten die in Personalunion vereinten Gft.en auch ein geogr. zusammenhängendes Gebiet zw. Maas und Mosel, das nunmehr zu einem »Land« zusammenwuchs. Trotz des Scheiterns der Bemühungen um die Rückgewinnung Namurs (bis 1264) und Limburgs (Schlacht von Worringen 1288) sowie des Verkaufs der Propstei Poilvache an die Gf.in von Namur (1344), überwogen im späten MA die territorialen Gewinne(Erwerb der Mark Diekirch 1221/66, der Herrschaft Reuland (1322) im N, des Hzm.s Chiny (1337/64) im SW, Vorstoß in den herrschaftl. zersplitterten Raum zw. Semois, Ourthe und Maas im W), so daß das 1354 zum Hzm. erhobene L. zu einem der größten und bedeutendsten Territorien im W des Reichs wurde.

Bis zum Anfang des 14. Jh.s war es den L.ern gelungen, die Integrität des Territoriums zu wahren, Gebietsverluste in Form von Mitgift (Poilvache, Marville, Diedenhofen) oder Ausstattungen von Nachgeborenen (Durbuy) wieder heimzuführen. Außer der Vogtei über die Reichsabtei St. Maximin (in der Moselfehde 1141-46) ging ledigl. das am linken Ufer der Maas im frz. Herrschaftsbereich liegende und durch Heirat erworbene Ligny-en-Barrois verloren, weil die Nachkommen Walrams von L. († 1288) die einzige Seitenlinie begründeten, die dauerhaften Bestand hatte. Der frz. Zweig der Gf.en von Lignyund St.-Pol brachte es vom 14. bis zum 16. Jh. im Umkreis der frz. Kg.e zu hohem Ansehen und einflußr. Positionen. Eine Seitenlinie der L.er Kg.e von Böhmen bildeten die Nachkommen Johann-Heinrichs, des zweiten Sohns Johanns des Blinden, der 1341 aus Tirol hatte flüchten müssen und dem Karl IV. die Mgft. von Mähren übertragen hatte (1350): Sein Sohn Jobst von Mähren, von 1354-61 einziger männl. Stammhalter, spielte sowohl im Kgr. Böhmen als auch auf Reichsebene eine bedeutende Rolle. Diese Linie hatte ihre Res. in Brünn.

Waren die Heiratsverbindungen zur Zeit der L.er Gf.en dem Rahmen der lotharing. Kräfteverhältnisse entspr. positiv (Erwerbungen der Gft. Arlon 1214, der Gft. Ligny um die Mitte des 13. Jh.s), so machten sie durch die Wahl Heinrichs VII. zum röm. Kg. (1308) einen dem neuen Rang der L.er entspr. Qualitätssprung: Für Johann sind 36 Ehepläne für Mitglieder seiner Familie nachgewiesen, für Karl 29 Projekte allein für seine neun überlebenden Kinder. Von den 29 tatsächl. vollzogenen Heiraten in vier Generationen (von Heinrich VII. bis Sigismund) waren sieben Partner überfsl., 21 fsl. Ranges, nurSigismund heiratete in zweiter Ehe unter seinem Rang. Die L.er unterhielten auf diese Weise bald partnerschaftl., bald konfliktuelle Beziehungen zu fast allen Fürsten- und Königshäusern Europas.

Die Heirat Johanns mit der Erbtochter Böhmens (1310) brachte den L.ern die böhm. Königskrone ein. Das Ehebündnis Johann-Heinrichs, des zweiten Sohnes Kg. Johanns, mit Margarete, der Erbtochter von Kärnten-Tirol (1330), scheiterte allerdings. Ein weiterer Sohn Johanns, Wenzel I., wurde durch seine Heirat (1352) mit Johanna von Brabant Hzg. von Brabant und Limburg (1355). Neben dem Erwerb von neuen Territorien, stechen unter Heinrich VII. und Johann die engen Verbindungen zum frz. Königshof (1322: Maria, Tochter Heinrichs, mit Kg. Karl IV.; 1323: Karl, Sohn Johanns mit Blanca vonValois; 1332: Guta [Bonne], Tochter Johanns, mit dem zukünftigen Kg. Johann II.) hervor.

Die von Johann und Karl ererbten und erworbenen Länder (Böhmen, → schles. Hzm.er, Oberpfalz) wurden von Karl IV. in der corona regni als böhm. Kgr. zusammengefasst, in dem die weibl. Nachfolge gelten und von dem auch Mähren lehnsrührig sein sollte (Ende der umstrittenen Reichsunmittelbarkeit Mährens). Prag wurde zur Hauptstadt ausgebaut, doch der Versuch, die Eigenständigkeit des Adels mittels Landrecht (Maiestas Carolina, 1355) zu brechen, scheiterte.

Wenn Ks. Heinrich VII. (Gf. von L. 1288) und Johann, Kg. von Böhmen (Gf. von L. 1309), sich noch für die Interessen der Gft. L. einsetzten, so war dies unter ihren Nachfolgern kaum noch der Fall. Kg. Johann († 1346) leitete schon die Politik der Verpfändungen größerer Teile der Gft. ein, konnte aber bis zur Finanzierung der Königswahl Karls IV. (1346) alle finanziellen Verpflichtungen erfüllen. Seinem Sohn Wenzel gelang es, alle verpfändeten Landesteile des Hzm.s L. zurückzugewinnen und mit dem Erwerb der restl. Gft. Chiny (1364) den Stammlanden ihre größte Ausdehnung zu geben. Wenzel II.(Hzg. 1383-1419, röm. Kg. 1378-1400) verpfändete 1388 das gesamte Hzm. an Mgf. Jobst von Mähren - der seinerseits 1402 die wenig einträgl. Pfandherrschaft an Ludwig von Orléans († 1407) verkaufte -, nach Jobsts Tod 1411 an seine verschwender. Nichte Elisabeth von Görlitz (1390-1451). Trotz vergebl. Versuche des letzten L.ers, Ks. Sigismunds (Kg. 1410, Ks. 1433, † 1437), die Stammlande zurückzugewinnen, fielen diese nach etl. Wirren an den burgund. Hzg. Philipp den Guten, der seine mit Darlehen an Elisabeth begründeten Ansprüche auf L. durch die milit. Eroberung 1443 definitiv besiegelte.

Mit seinem Halbbruder Wenzel und mit der 15 Jahre älteren Johanna von Brabant schloß Karl 1357 und erneut 1366 (allein mit Wenzel) einen Erbvertrag: Beim kinderlosen Tod Wenzels und Johannas sollten nicht nur das Hzm. L. und die Gft. Chiny, sondern auch die Hzm.er Brabant und Limburg als Reichslehen an die L.er Linie fallen. Da Karl aber zu spät Wenzel im Konflikt gegen Wilhelm von Jülich und die → Wittelsbacher zu Hilfe kam (Schlacht von Baesweiler 1371), überging Johanna bei Wenzels Tod (8. Dez. 1383) die luxemburg. Erbansprüche und Brabant mit Limburg fiel an die Erben vonJohannas jüngerer Schwester Margarete und damit an die → Burgunder. Wenzel II. erbte allein seine Stammlande und die Gft. Chiny. 1464 schloss Karl IV. mit → Rudolf IV. auch eine luxemburgisch-habsburg. Erbverbrüderung, in der die Vision eines südosteurop. Großreiches aufleuchtet. Die Belehnung seines zweiten Sohnes Sigismund mit der Kurmark Brandenburg (1376) und dessen Verlobung (1372/75) mit Maria, der Tochter Ludwigs I. von Ungarn, der voraussichtl. Erbin Polens, läßt für ihn ein Großreich im NO Europas als mögl. erscheinen (zum Scheitern dieser Pläne vgl. oben Abschn. II).

Die territoriale Gewichtsverlagerung der L.er Dynastie von W nach O kommt nicht zuletzt im Heiratsvertrag zum Ausdruck, den 1421 Kg. Sigismund für seine einzige Tochter Elisabeth (1409-42) mit Albrecht V. von Österreich (1397-1439) aushandelte: Er bestätigte erneut den luxemburg.-habsburg. Erbvertrag, doch vom L.er Stammland im W des Reiches war keine Rede mehr. 1437, beim Tod Sigismunds, trat trotz aller Heiratspolitik der Vertragsfall ein, daß Elisabeth von L. im O wie im W einzige Erbin war, die zudem noch mit einem → Habsburger verheiratet war. Doch auch die → Habsburger,weder Elisabeths Schwiegersohn Hzg. Wilhelm von Sachsen († 1482), noch ihr Sohn Ladislaus Postumus (1440-57), vermochten es nicht, Hzg. Philipp von Burgund das Stammland L. und die Gft. Chiny wieder zu entreißen.

Quellen

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