Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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BRAUNSBERG C.3. (Braniewo)

I.

Brunsberge u. ä. - Stadt im Ermland (bis 1466 unter Schirmherrschaft des → Deutschen Ordens, 1466-1772 des Kgr.s Polen), zw. 1280 und 1340 Hauptres. der Bf.e von Ermland, danach (bis 1772) wichtigste Nebenres. mit Sitz eines Bgf.en oder Vogtes. - PL, Wojewodschaft Elbląg.

II.

Die auf eine Deutschordensgründung aus dem Jahr 1241 zurückgehende Stadt lag am schiffbaren Unterlauf des Flusses Passarge, wo ihn eine wichtige Handelsstraße kreuzte. Der erste Bf. Anselm (1250-78) wählte i. J. 1251 das mittlere Drittel der Diöz. zu seinem Territorium, in dem die civitas de Brunsberg lag. 1260 siedelte er hier das neu gegründete Domkapitel an (nach ca. 1280 in Frauenburg). Wenig später wurde die Stadt im zweiten Prußenaufstand belagert und daraufhin von ihren Bewohnern aufgegeben und niedergebrannt. Bf.Heinrich I. Fleming (1279-1300) ließ sie ein Stück flußaufwärts neu errichten, wählte sie zu seiner Hauptres., verlieh ihr i. J. 1284 nach dem Recht seiner Heimatstadt Lübeck ihre Handfeste und stattete sie hinsichtl. ihrer Gerichtsbarkeit und Selbstverwaltung mit außergewöhnl. Privilegien aus. Wiederholt entbrannten zw. den Einw.n und ihren Stadtherren schwere Auseinandersetzungen, wie i. J. 1296 um die Ansiedlung von Franziskanern innerhalb der Stadtmauern. Als sich i. J. 1340 nach einer umstrittenen Bischofswahl der vom Papst ernannte Hermann von Prag (1337-49) gegen den von den B.ernunterstützten Ordenskandidaten Martin Zindal durchsetzen konnte, verlegte er seine Res. nach Wormditt, gründete auf der linken Passargeseite die B.er Neustadt und verlieh ihr ebenfalls das lüb. Stadtrecht. B. wurde zur wichtigsten Nebenres., häufig urkundeten die Bf.e in der bedeutenden und seit ca. 1360 der Hanse angehörenden Handelsstadt und bezeichneten sich nach ihr als »Bischöfe von Braunsberg«. Die Konflikte mit der Bürgerschaft nahmen aber mit ihrem wachsenden Selbstbewußtsein an Schärfe zu. So hatten die Komture von → Elbing und Balga i. J. 1376 einen Streit zw. denBürgern und Bf. Heinrich III. Sorbom (1373-1401) über die städt. Gerichtsbarkeit zu schlichten, aufgrund der eyn krig zw. den Parteien entbrannt war. Die gegen den Willen der Altstadt erfolgte Vereinigung mit der Neustadt i. J. 1394, die vier Jahre später wieder rückgängig gemacht wurde, führte zu Spannungen, die sich in einer Empörung der Altstädter gegen ihren Stadtherrn entluden. Ein 1396 vom Hochmeister des → Deutschen Ordens gefälltes Urteil gegen die B.er sah u. a. eine Verstärkung der Befestigung zw. Schloß und Stadt auf Kosten der Bürgerschaft vor.Nach einer Zeit ohne größere Spannungen zw. Bf. und Stadt zu Beginn des 15. Jh.s leitete die Gründung des Städtebundes i. J. 1440 unter Beteiligung B. allmähl. eine gegenseitige Entfremdung ein. Als der Bund dem Hochmeister i. J. 1454 den Gehorsam aufkündete, eskalierte auch in B. die Situation. In einem Sturm auf das Schloß rissen die Bürger die Mauern ein, die ihre Vorfahren als Strafe für den Aufstand von 1394/95 zw. dem Schloß und der Altstadt hatten errichten müssen. Das Schloß wurde mit bünd. Söldnern besetzt, ihre Gewalttaten gegen die Stadtbevölkerung führten i. J. 1461 aber zuihrer Vertreibung und zu der Rückwendung der Stadt zu ihrem Landesherrn. So konnte Paul von Legendorf (1458-66 Administrator des Bm.s Ermland, 1466-67 Bf.) wieder in B. einziehen und zur Festigung seiner Herrschaft auf dem Schloß Res. nehmen. Im sog. Pfaffenkrieg als Folge des ermländ. Bistumsstreits (1467-79) wurde B. 1478 von den Polen belagert. 1497 führten Gerüchte um Pläne des Bf.s Lukas Watzenrode (1489-1512) gegen die B.er zu einem erneuten Aufstand. Im sog. Reiterkrieg gegen Polen nahm Hochmeister Albrecht von Brandenburg Ende 1519 Burg und Stadt ein und erzwang den Treueid der Bürger.Die Polen belagerten B. zweimal i. J. 1520 und brannten die Neustadt nieder. Nach dem Frieden von Krakau (1525) fiel die Stadt zunächst an den poln. Kg., der sie ein Jahr später wieder an den Bf. übergab. Ein tiefer Einschnitt in der weiteren Geschichte des Schlosses und der Stadt war die schwed. Besatzung zw. 1625 und 1635. Eine Ansicht B.s aus dieser Zeit zeigt ein Stadtplan von 1635, der als einzige frühneuzeitl. Bildquelle zur Gestalt des Schlosses gilt.

III.

Die rechteckige Gesamtanlage auf einer Grundfläche von 80 × 55 m lag am südl. Rand der Altstadt und bestand aus dem Bereich der Vorburg und dem des Haupthauses, die beide durch den noch bestehenden Torturm - heute mit zugemauerter Durchfahrt - miteinander verbunden waren. Vermutl. bildete er ursprgl. die Zufahrt zur Gesamtanlage. Die Hauptburg dürfte also in der späteren Vorburg gelegen haben, bevor sie schon bald nach O hin mit der Errichtung des neuen Hauptgebäudes erweitert wurde. Erstmals erwähnt wird dascastrum Brunsberg i. J. 1282, weitere schriftl. Quellen zur Baugeschichte fehlen weitgehend. Noch aus dem 13. Jh. dürften das untere Geschoß des Torturmes sowie die Anfänge des Haupthauses stammen. Im Verlauf des 14. Jh.s wurde die Anlage vollendet, mit der Aufstokkung des Torturmes für die über der Durchfahrt befindl. Schloßkapelle (erwähnt 1313), mit der Errichtung des östl. Wirtschaftsflügels sowie des Verbindungsbaues zw. dem Haupthaus und dem Torturm. Nach Umbauten am Schloß zu Anfang des 19. Jh.s für schul. Zwekke wurden die alten Gebäude 1873 und 1928für die Errichtung von Neubauten abgetragen, der ma. Torturm erhielt seine neugot. Zinnenbekrönung. Erhalten blieben außerdem nur einzelne Reste der südl. Befestigungsanlagen. Nach der Zerstörung der neuzeitl. Gebäude im Zweiten Weltkrieg ist das Gelände heute weitgehend unbebaut. Das Schloß bestand aus einem nach S hin gelegenen Hauptflügel sowie einem östl. Wirtschaftsflügel, in dem sich u. a. die Küche und das Brauhaus befanden. Weitere Wirtschaftsgebäude lagen an der Westseite des Schloßhofes an der Mauer zur Vorburg. Den nördl. Abschluß zur Altstadt hin bildete nur eine hohe Wehrmauer miteinem niedrigen Turm an der Nordostecke. Der Südflügel auf einem rechteckigen Grdr. von 36,3 × 10 m war zweigeschossig und mit tonnengewölbten Räumen links und rechts der mittig gelegenen niedrigen Durchfahrt zum Schloßhof vollständig unterkellert. Auf dem Gebäude ruhte ein steiles Satteldach mit blendverzierten Staffelgiebeln an seinen Schmalseiten. Hohe Spitzbogenfenster in der Südwand betonten das repräsentative Hauptgeschoß. An der Nordfassade zum Hof hin führte eine Treppe auf eine Galerie, von der aus man die Räume des Hauptgeschosses erreichte. Der Kappellenraum indem erhaltenen Torturm wird von einem Sterngewölbe überspannt und an drei Seiten von einem erhöhten Umgang mit Spitzbogenarkaden umlaufen. An der Südseite befand sich ein - jetzt zugemauertes - Spitzbogenportal, durch das man über einen Verbindungsbau vom Haupthaus kommend die Kapelle betrat. Neben dem Torturm und dem bereits erwähnten Nordostturm der Burg befanden sich weitere Türme an der Nordwest- sowie an der Südwestecke der Vorburg, in der sich an die Innenseiten der Mauern weitere Wirtschaftsgebäude und Stallungen anlehnten. Nach S hin war die Anlage durch eine der Südfront desHaupthauses vorgelagerte Wehrmauer mit Torturm und einem Zwinger gesichert. Durch diesen Zwinger hindurch führte auf einem Damm durch das Flußbett einer alten Passarge-Schleife die Hauptzufahrt zum Schloß. Vermutl. verliefen Gräben auch an den anderen drei Seiten der Anlage. Eine ausführl. Beschreibung der einzelnen Räume bietet eine Reihe neuzeitl. Inventare der ermländ. Bischofsburgen aus dem 17./18. Jh. (AAWO AK Ac 4; AAWO AB D 120a).

Quellen

Archiwum Archidiecezji Warmińskiej w Olsztynie (AAWO), Archiwum Biskupie (AB) und Archiwum Kapituły (AK) [Das AAWO enthält das Bischofs- und das Kapitelsarchiv als zwei eigenständige Teile]. - CDW I-IV, 1860-1935. - Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin: 20. Hauptabteilung (ehem. SA Königsberg): Bestände des Ordensbriefarchivs (OBA), der Ordensfolianten (OF) und des Etatsministeriums (EM). - Plastwig 1866. - Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum, 1-2, 1948-73.

Achremczyk, Stanisław/Szorc, Alojzy: Braniewo, Allenstein 1995 (Monografie Miast i Wsi Warmii i Mazur, 2). - Bender, Josef: Schloß und Burg Braunsberg, in: Mitteilungen des Ermländischen Kunstvereins 3 (1875) S. 38-54. - Bau- und Kunstdenkmäler Ostpreußens, 4, 1894, S. 36-44. - Buchholz, Franz: Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte. Festschrift zum 650jährigen Stadtjubiläum am 23. und 24. Juni 1934, Braunsberg 1934. -Dehio, Kunstdenkmäler, West- und Ostpreußen, 1993, S. 64-66. - Lutterberg, A.: Zur Baugeschichte der Altstadt Braunsberg, in: Zeitschrift für die Geschichte und Althertumskunde Ermlands 19 (1916) S. 601-730. - Nawrocki, Zbigniew: Zamek w Braniewie, in: Rocznik Olstyński 9 (1970) S. 81-112. - Thimm, Werner: Der Prospekt der Altstadt Braunsberg von 1635, in: Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Ermlands 40 (1980) S. 80-88.