Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Jagd und Tiere

Schon im FrühMa spielte die Jagd in ihren verschiedenen Formen bei Kg.en und adeligen Herren eine große Rolle. Die Jagd, die auch mit dem älteren Begriff des Weidwerks bezeichnet wird, dient als Sammelbegriff für vielfältige Arten des Fangens oder Erlegens von freilebenden Säugetieren und Vögeln zum Nahrungserwerb oder zum Schutz der Felder und der Feldfrüchte. Je nach den Erfordernissen der bejagten Tierart, den unterschiedl. Geländeformen, dem Entwicklungsstand der Jagdtechnik und den zur Verfügung stehenden tier. und menschl. Helfern kamen verschiedene Jagdmethoden zum Einsatz. Unter rechtl. und sozialen Aspekten sind Volks-, Adels- oder Königsjagdmethoden sowie die Jagdrechtsperioden des freien Tierfangs, der Inforestation und der landesherrl. Regalität zu unterscheiden. Die Einteilung der Jagd in Hohe und Niedere Jagd sowie des Wildes in Hoch- und Niederwild gründet sich auf histor. Gegebenheiten, die bis in das MA zurückreichen. In der Karolingerzeit tritt uns der Kg. des Frankenreiches bei verschiedenen Gelegenheiten als Jäger entgegen, der auf der Jagd seine herrscherl. Macht und persönl. Stärke demonstrierte. Karl der Große veranstaltete z. B. 799 im Wildpark nahe seiner Lieblingspfalz Aachen eine großartige Hofjagd, die in dem Epos Karolus Magnus et Leo Papa ausführl. beschrieben wird. Diese Jagd im Tierparkgelände der Pfalz in Aachen war eine Hofjagd, wie sie häufig von den Frankenkg.en durchgeführt wurde. Ludwig der Fromme veranstaltete z. B. 826 am Tage nach der Taufe des Dänenkg.s Harald eine große Hofjagd, über die Ermoldus Nigellus in einem Lobgedicht auf den Ks. berichtet. Ludwig der Fromme verbrachte alljährl. offenbar regelmäßig mehrere Wochen auf der Jagd. Nach dem Tode des Ks.s i. J. 840 werden die Berichte über die Jagdzüge der nachfolgenden Kg.e spärlicher. Aber auch die wenigen Mitteilungen der Geschichtsschreiber berechtigen zu der Annahme, daß fast alle Mitglieder der karoling. Königsfamilie der Jagd leidenschaftl. zugetan waren und sie stets ausübten, wenn sich ihnen Gelegenheit dazu bot. Viele biograph. Notizen bezeugen somit, daß sich die Karolingerkg.e intensiv der Jagd widmeten und die Jagdausübung einen Wesensbestandteil des fränk. Kgtm.s darstellte. Dieses Jagdwesen der Karolinger diente im HochMA den nachfolgenden Kg.en in Dtl. und Frankreich als Anstoß und Vorbild.

1200-1450

In der Stauferzeit entstand eine enge Verbindung von Jagd, Rittertum und höf. Kultur, als die Königs- und Fürstenhöfe zu Kommunikationszentren der ritterl. Gesellschaft wurden. An den Höfen der Kg.e und Fs.en konzentrierten sich die kulturellen Ambitionen des Rittertums, und von ihnen gingen auch starke Impulse auf die Gestaltung des Jagdwesens aus. Dies läßt sich deutlich am niederlothring. Hof der Gf.en von Hennegau beobachten. Giselbert von Mons beschreibt in seiner Hennegauer Chronik detailliert den Hof der Hennegauer Gf.en, wo unter Gf. Balduin, der 1168 seine Ritterwürde erhielt, eine vielfältige Ritterkultur aufblühte. Neben den Turnieren und glänzenden Hoffesten verursachte auch die Jagdpassion des Gf.en hohe Ausgaben. Um die eigenen Kosten zu senken, beteiligte er die Kl. an der Unterbringung und Versorgung der Jagdhunde und Berufsjäger. Die bes. Hochschätzung der Jagd am Hof der Hennegauer Gf.en zeigte sich auch daran, daß in der Hennegauer Hoforganisation ein eigenes Hofamt für den Jägermeister (venator) geschaffen wurde. Am Königshof Ks. Friedrichs I. spielte die Jagd von Anfang an eine große Rolle, womit sich Friedrich in der Tradition seiner Vorgänger im Kgtm. befand. Der Geschichtsschreiber Rahewin lobt in den Gesta Frederici die erstaunl. Geschicklichkeit des Ks.s auf der Jagd und beim Schießen von Wildtieren. Ähnl. wie die Karolingerkg.e kümmerte sich Friedrich I. bes. um die Wildparks und Tiergehege in der Nähe von bedeutenden Pfalzen wie Aachen und Kaiserslautern. Hoftage und Hoffeste der Staufer, die in Pfalzen wie Goslar und Frankfurt stattfanden, waren bei bes. Gelegenheiten auch mit großartigen Jagden verbunden. Hier wirkte sicherl. die lange Tradition der fränk. und dt. Kg.e nach, in den bei Pfalzen gelegenen Forsten bei Hoftagen und Festen publikumswirksame Jagden zu inszenieren. Am Hof des mächtigen Welfenhzg.s Welf VI., ein Onkel Heinrichs des Löwen und zugleich Verwandter der Staufer, spielte die Jagd ebenfalls eine große Rolle. Bei seinen Jagdkampagnen standen dem Welfenherzog in seinem süddt. Herrschaftsbereich ausgedehnte Jagdreviere zur Verfügung, wie v. a. der Altdorfer Wald in der Nähe von Ravensburg. In Oberschwaben, im Allgäu und in der gesamten Voralpenregion gab es damals noch umfangr. Waldgebiete, in denen die Jagdpassion Welfs VI. und seiner Gefolgsleute ein ausreichendes Terrain für prächtige Jagdveranstaltungen fand. Neben der Jagd auf Hirsche und Wildscheine hatte offenbar auch die Jagd auf Bären noch eine gewisse Bedeutung, wie man aus einigen Nachrichten zu den damaligen Jagdverhältnissen im oberbayer. Raum erfährt.

Die neuen Formen der höf. Jagd treten im Tristanepos des Gottfried von Straßburg aus der Zeit um 1210 deutlich hervor. Tristan, der Vertreter eines höf. Jägers, lehrt am Hof Kg. Markes die hohe Kunst der Zerwirkens von erlegten Hirschen: die bast, die furkie und die curie. Eine ausgezeichnete histor. Quelle zur Hirschjagd bildet der Traktat De arte bersandi aus dem frühen 13. Jh. Bei dem Verfasser dieser Schrift muß es sich um einen dt. Autor handeln, der enge Beziehungen zum Hof Friedrichs II. unterhielt und ausgezeichnet mit dem dt. Jagdbrauchtum vertraut war. Der Verfasser beruft sich ausdrückl. auf die Jagdkenntnisse des Guicennas, eines dt. Ritters, der wg. seiner Kenntnisse auf allen Gebieten der Jagd berühmt war und sich bes. in der Jagdkunst des Pirschens (in arte bersandi) auskannte. Bei der Pirschjagd handelte es sich um eine Drückjagd mit Schußwaffen unter Verwendung von Vorsuchhunden, von berittenen Treibern und von Schützen zu Fuß. Die Pirschjagd wurde offenbar v. a. in Dtl. betrieben, während in Frankreich die Hetzjagd, die Überlandjagd, sehr verbreitet war. Die Pirschjagd eignete sich mehr für unwegsames Waldgelände, wie es in vielen dt. Mittelgebirgsregionen vorhanden war. Das Überlandjagen, die Verfolgung der Hirsche mit Hunden und Pferden, wurde offenbar zuerst in Frankreich verfeinert und galt dort im HochMA als vornehmste Art der Jagd auf Rotwild. Mit dieser Jagdform beschäftigten sich daher die frz. Jagdschriftsteller des SpätMA am meisten und beschrieben sie detailliert in ihren Jagdbüchern. Das Überlandjagen wird im dt. Bereich ausführl. bei Hadamar von Laber geschildert. Hadamar (ca. 1300-54) war der Verfasser der Jagd, einer Minneallegorie, die in Strophenform das Werben eines Mannes um eine Frau als Jagen nach einem edlen Wild darstellt.

Neben der Hirschjagd galt während der Stauferzeit v. a. die Beizjagd als vornehmste höf. Jagdart. Angeregt durch die Kulturkontakte mit dem Orient, gelangte die Beizjagd an den Fürstenhöfen des 13. Jh.s zu einer erstaunl. Blüte. Diese exklusive Jagdform war keine Erwerbsjagd, sondern ein vornehmer Sport der ritterl. Oberschicht. Für den Adel und die Fürstenhöfe hatten die verschiedenen Jagdarten nicht nur allg. eine große Bedeutung, sondern spielten auch eine wichtige Rolle bei der Erziehung junger Adeliger und Ritter, die sich an den Fürstenhöfen aufhielten. Die Jagd sollte körperl. und geistige Fertigkeiten vermitteln, die im Alltagsleben des Adels und bes. bei der ritterl. Waffenführung gefordert wurden. Zum einen konnten die Jugendlichen bei der Jagd ihre Geschicklichkeit im Reiten üben, wenn sie zu Pferd an der Jagd auf Hirsche und Wildschweine teilnahmen, und zum anderen trainierten sie auf der Jagd auch den Umgang mit Waffen. Wie im Krieg wurden auch bei der Jagd vorwiegend Spieß und Schwert, also sog. Nahwaffen, verwendet. Bis in das SpätMA hinein waren die Kriegs- und Jagdwaffen größtenteils ident., da erst im Laufe der Zeit spezielle Stangen- und Griffwaffen nur für jagdl. Zwecke entwickelt wurden. Den Pfeilbogen mieden viele Jäger, weil Schußweite und Durchschlagskraft der Pfeile wg. der geringen Spannkraft der ma. Bögen für die Jagd ungenügend waren und der Pfeilbogen deshalb ebenso wenig Gewähr für ein sicheres Erlegen von Wild bot wie die von Hand geschleuderten Speere und Lanzen. Auf der Jagd war es für junge Adelige möglich, sich strateg. Kenntnisse und Sicherheit im Gelände zu verschaffen. Dies war bei Fehden und im Krieg von Bedeutung, da ma. Kriegsführung sich v. a. auf unregelmäßige Taktiken stützte und eine gute Geländekenntnis von Vorteil war. Ferner galt die Jagd an den Fürstenhöfen als eine Beschäftigung, die den Charakter vorteilhaft formte und gute Eigenschaften förderte. Die Jagd trug demnach dazu bei, den Verstand zu schärfen und die Aufmerksamkeit zu steigern, da der Jäger äußerst geschickt vorgehen mußte, wenn er das Wild anhand von Losungen und Fährten aufspüren wollte. So hatte die Jagd für die adelige Jugend eine wichtige Funktion in der Erziehung.

Die Beizjagd gehörte zweifellos zu den beliebtesten Tätigkeiten, denen sich Ks. Friedrich II. widmete, wenn es ihm seine vielfältigen Staatsgeschäfte erlaubten. Auf seinen Reisen in Italien und Dtl. führte der Stauferherrscher oft seinen erlesenen Zoo mit sich: neben seinen Falken auch eine exot. Menagerie aus seltenen Tieren wie Elefanten, Leoparden, Panthern und Affen. Der Anblick dieser Tiere verfehlte nicht seine Wirkung auf die staunenden Zeitgenossen und Chronisten der späten Stauferzeit. Das spektakuläre Auftreten hatte für Friedrich II. sicherl. eine repräsentative Funktion und sollte den Glanz seines Hofes zur Schau stellen. Der Ks. war aber auch ein leidenschaftl. Jäger und verzichtete auf seinen Reisen nur ungern auf seine geliebte Falkenjagd. Kg.e als Jäger auf Rotwild hatte es im FrühMA und in der nachfolgenden Zeit zwar häufig gegeben, doch war die Passion eines Herrschers für die Falkenjagd, wie sie bei Friedrich II. hervortrat, relativ ungewöhnlich. Die Beizjagd gehörte im Rahmen der ritterl.-höf. Kultur des HochMAs zweifellos zu den Jagdarten, die sich neben der Hirschjagd stark entfalteten, bei Adel, Ritterschaft und Fs.en auf großen Zuspruch stießen und sich an den dt. Fürstenhöfen rasch ausbreiteten.

Friedrich II. verfaßte mit seinem Werk De arte venandi cum avibus eines der besten Werke über die Falkenjagd, das je über diese Jagdart vorgelegt wurde. Für Friedrich war die Falkenjagd aber mehr als nur ein adeliger Zeitvertreib, dem sich auch Kg.e hingaben. Sie war für ihn darüber hinaus eine Methode zur Erforschung der Natur, die er als eine ernsthafte Wissenschaft betrieb. Die Falkenjagd ist nach Friedrich eine ars; Jagen kann man mit Netzen und Fallen, mit Pfeil und Bogen. Die Jagd mit Falken ist aber die edelste und auch schwierigste Jagdart, denn sie erfordert größere Kunstfertigkeit und Erfahrung als die Dressur von Hunden. Das Falkenbuch Friedrichs II. entstand im Kontext einer reichhaltigen Kultur, die sich in der ersten Hälfte des 13. Jh.s am sizilian. Hof des Ks.s entfaltete. Viele Dichter, Künstler und Gelehrte waren an dem Aufblühen dieser höf. Kultur beteiligt, aber Mittelpunkt und Anreger war sicherl. der Ks.

Neben der Beizjagd beschäftigte sich Friedrich II. auch mit anderen Jagdarten und jagdl. Einrichtungen. Wie sehr Friedrich die Jagd als ein Mittel der Zerstreuung und Erholung schätzte, ergibt sich aus einigen ksl. Mandaten aus der Zeit um 1240. Von Oberitalien aus gab er Anweisungen zur Bekämpfung der Wölfe und Füchse, die sich im kgl. Jagdrevier von Milazzo in der Nähe von Messina allzu sehr vermehrt hatten und den übrigen Wildbestand gefährdeten. Ein anderes Mandat sicherte dem mit seinen Jägern in der Capitanata und um Melfi beschäftigten Jägermeister eine angemessene Besoldung und waffenmäßige Ausrüstung, während ein weiteres Mandat sich darum bemühte, die zur Jagd geeigneten Wälder in der Umgebung von Bari unter den Schutz des kgl. Forstbannes zu stellen. Mit bes. Interesse kümmerte sich der Ks. auch um seine zahlreichen Jagdschlösser und sorgte sich um deren angemessene Ausstattung und Instandhaltung. Bei den Jagdpfalzen handelte es sich teilw. um großartige Anlagen, die mit stattl. Herrenhäusern sowie mit einer Reihe von Nebengebäuden, Stallungen und Scheunen versehen waren; manchmal waren mit ihnen auch ein Tiergehege oder ein Falkenhof verbunden.

Die verschiedenen Jagdformen der Fürstenhöfe spiegeln sich im späteren MA auch in einigen literar. Werken und in den Jagdbüchern. Die Hetzjagd auf den Hirsch, die im Mittelpunkt der höf. Jagd stand, wird in den literar. Werken in unterschiedl. Ausführlichkeit geschildert: Berittene Jäger und schnelle Jagdhunde hetzen einen Hirsch, der vor ihnen herflieht. Viele Nebenaspekte der Jagd, wie z. B. das Aussehen und das langjährige Training der Hunde, finden oft keine Erwähnung, obwohl diese Momente für die erfolgreiche Durchführung einer Jagd von entscheidender Bedeutung waren. Einen Höhepunkt in der Entwicklung der ma. Jagdliteratur bilden zwei frz. Werke des 14. Jh.s: Les Livres du Roy Modus et de la Royne Ratio von Henri de Ferrières und Le Livre de la Chasse von Gaston Phébus. Im Vergleich mit diesen beiden Werken nehmen sich die dt. Jagdbücher des SpätMA unbedeutend aus. Die »Lehre von den Zeichen des Hirschen« ist hier neben der »Deutschen Habichtslehre« als das wichtigste dt. Jagdwerk jener Epoche anzusehen. Es gewährt interessante Hinweise zur Unterscheidung der Geschlechter beim Rotwild und zur Bestimmung der einzelnen Tiere auf Grund der hinterlassenen Zeichen, wozu v. a. die Fährten und Losungen gehören. Hier begegnet uns ein voll entwickelter, jagdl. Erfahrungsschatz, der zunächst mündl. tradiert und dann an der Wende vom 14. zum 15. Jh. schriftl. festgehalten wurde.

1450-1550

Die jagdrechtl. Verhältnisse waren in den meisten Territorien des Deutschen Reiches seit dem 15. Jh. durch die Regalität der Jagd bestimmt, d. h. durch die Vorherrschaft des landesherrl. Jagdrechts. Neben diesem Jagdrecht besaßen die Landesherren eine weitere jagdl. Kompetenz, und zwar die Gesetzgebung in allen Angelegenheiten des Jagdwesens. Am Beispiel des Hzm.s Bayern läßt sich erkennen, daß die Regalität der Jagd zwar die allgemeine Grundlage der jagdrechtl. Verhältnisse war, die konkrete Ausgestaltung aber von den unterschiedl. rechtl. Voraussetzungen abhing. In Bayern, wo der Adel im SpätMA landsässig wurde, hatte der Landesherr Mühe, sein Jagdregal überall voll durchzusetzen. Hier gab es die Institution der Gnadenjagd, die der Hzg. aus polit. Gründen an adelige Herren verlieh. Die Einteilung in Hoch- und Niederwild, wie sie damals auch in anderen Territorien auftritt, ermöglichte einen Kompromiß zw. den starken Landständen und den Ansprüchen des Hzg.s: hohe Jagd für den Fs.en und niedere Jagd für den landsässigen Adel. Ks. Maximilian I. (1459-1519), dessen Leben sich eng mit dem erneuerten Rittertum seiner Epoche verbindet, war nicht nur ein glänzender Turnierritter, sondern auch ein begeisterter Jäger, der an seinem Hof die Jagdkultur bes. pflegte. Mit Stolz erzählte er in seinen Schriften von seinen Erlebnissen und Erfolgen auf seinen zahlreichen Jagdausflügen und ließ diese sogar in eigenen Büchern und Bildern festhalten. Er nannte sich selbst den »großen Waidmann« oder »des Heiligen Römischen Reiches oberster Jägermeister«. Entscheidend geprägt wurde Maximilian I. durch seinen Kontakt zur burgund. Hofkultur, nachdem er 1477 Maria von Burgund, die Erbin der reichen burgund. Länder, geheiratet hatte. In Burgund wurde er offenbar ein Freund adeliger Lebensformen, die in Hoffesten, Turnieren und nicht zuletzt in einer glänzenden Jagdkultur ihren Ausdruck fanden. Es war kein außergewöhnl. Zufall, daß seine junge Frau Maria 1482, wenige Tage nach der Vermählung, auf der Falkenjagd tödl. verunglückte. Hauptzeugnisse für die Jagdvorstellungen Maximilians sind seine autobiograph. Schriften. Das Versepos »Theuerdank« berichtet ausführl. von der Werbung um Maria von Burgund und den Strapazen der Brautfahrt; von den 88 Abenteuern, die Maximilian auf seiner Fahrt erlebt, stehen 34 in Zusammenhang mit Jagderlebnissen. Dies zeigt uns, welch hohe Bedeutung der junge Kg. der ritterl.-höf. Jagd und ihren vielfältigen Formen beimaß. Maximilian war zweifellos ein leidenschaftl. Jäger, der viele Jagden organisierte. Das edle Weidwerk bedeutet für ihn aber nicht nur bloßes Vergnügen und leichte Entspannung; er sah in der Jagd auch ein Mittel zur körperl. Ertüchtigung und zur Erprobung persönl. Mutes, wie es in dem Werk »Weißkönig« zum Ausdruck kommt. In der Argumentation wird eine enge Beziehung von Jagd und Krieg herausgestellt und die Jagd als Training für den Krieg gesehen. Auf seinen Feldzügen habe der Kg. sich daher auch stets der Jagd gewidmet und seine Tüchtigkeit in beiden Bereichen, in Krieg und Jagd, unter Beweis gestellt. Diese Doppelfunktion als Jäger und Feldherr läßt sich bei vielen literar. Äußerungen und bildner. Darstellungen des Künstlerkreises um Maximilian I. erkennen. Das »Geheime Jagdbuch«, ein Hauptwerk des Kaisers über das Jagdwesen, geht allg. auf die hohe Bedeutung der Jagd für Kg.e, Fs.en und Adelige ein. Es lag Maximilian auch sehr daran, sorgfältig zu registrieren, welches Wild in den einzelnen Revieren zu jagen war. Deshalb gab er den Auftrag, seine Jagdgebiete genau zu erkunden und alles jagdl. Bedeutsame festzuhalten. Dieses Gejaidpuech sollte nach seinen Plänen drei Teile umfassen, die aber nur teilw. vollendet wurden. Neben der Gämsen- und Bärenjagd war die Hirschjagd selbstverständl. diejenige Jagddisziplin, die im Mittelpunkt der jagdl. Aktivitäten des Kaisers stand, wie dies auch bei vielen anderen Fürstenhöfen jener Epoche der Fall war. Die Hirschjagd in den habsburg. Ländern unterschied sich natürl. nicht grundsätzl. von den Jagdmethoden, wie sie damals allg. bei der Jagd auf Hirsche übl. waren. Die Jagdpassion Maximilians I. fand ihren Ausdruck v. a. in einer planmäßigen Organisation des Jagd- und Forstwesens. An der Spitze des Jagdwesens standen Oberjägermeister, denen jeweils ein zahlreiches Personal unterstellt war. Zum Jagd- und Forstpersonal Maximilians gehörten insgesamt 14 Forstmeister, 105 Forstknechte und viele weitere Bedienstete in den weiträumigen Jagd- und Forstbezirken. Für Maximilians Hofjagden waren speziell zwei Meisterjäger, 30 Jägerknechte und mehr als 1500 Jagdhunde bereitgestellt. Umfangr. Jagdpersonal war auch in den landesherrl. Jagdbezirken anzutreffen, wie z. B. in den Herrschaftsgebieten der Gf.en von Katzenelnbogen, aus denen aufschlußreiche Quellen zum spätma. Jagdwesen erhalten sind.

1550-1650

Der Wandel des Jagdwesens vollzog sich während des 16. und 17. Jh.s auf dem Hintergrund der allg. Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Durch die Erfindung des Schießgewehrs und seines Einsatzes in den frühneuzeitl. Armeen wandelte sich nicht nur die Kriegstechnik, sondern auch das Jagdwesen. Die Jagd spielte zwar im Erziehungsprogramm der jungen Adeligen weiterhin eine Rolle, doch hatte sie ihre krieger. Zielsetzung verloren. Die Jagd gehörte in der höf. Gesellschaft der Barockzeit zum adeligen Leben wie Reiterei und Tanz. Je mehr im Deutschen Reich das Ksm. an Macht verlor und die dt. Landesherren in ihren Territorien an Einfluß gewannen, um so mehr stieg im 17. Jh. das Ansehen der frz. Hofkultur. Die dt. Fs.en orientierten sich daher stark am Vorbild des frz. Königshofes und waren eifrig bemüht, aus ihren Res.en jeweils ein kleines Versailles zu machen und die frz. Hofkultur nachzuahmen. Am frz. Hof galt die Jagd nach wie vor als eine vornehme Betätigung, die mit gewaltigem Aufwand betrieben wurde. Die frz. Kg.e unternahmen ihre Jagdzüge mit einem glänzenden Gefolge von zahlreichen Edelleuten, Pagen, Falknern und Berittenen. Das Jagdwesen war ein Teil der prächtigen Feste, die man am Hof feierte; die einzelne Jagd wurde zum glänzenden Schauspiel, mit dem sich die Hofgesellschaft auf Kosten der Wildtiere und der bäuerl. Bevölkerung amüsierte. Dieses frz. Vorbild wurde an den dt. Fürstenhöfen nachgeahmt: Massenniedermetzelungen an Hirschen und Wildschweinen beim eingestellten Jagen, Kampfjagden, Fuchsprellen, das umständl. Zeremoniell bei der Jagd und der unnötige Prunk breiteten sich aus, ebenso auch die Parforcejagd, die an den dt. Fürstenhöfen jetzt nach frz. Vorbild gepflegt wurde.

Die frz. Jagdbücher wurden teilw. übersetzt oder bei der Abfassung dt. Werke eifrig benutzt. Siegmund Feyerabendt gibt selber an, er habe sein 1582 erschienenes Neuw Jag- und Weydwerks Buch aus frz. und ital. Texten zusammengeschrieben. Relativ spät entwickelt sich in Dtl. damals eine selbständige Jagdliteratur. Noe Meurers Jagd- und Forstrecht von 1582 stützt sich vorwiegend auf dt. Jagdformen und dt. Vorbilder. Reichhaltige Hinweise zum Jagdwesen enthält auch die Hausväter-Literatur jener Epoche, so bes. das bekannte Werk Georgica curiosa des Wolf Helmhard von Hohberg von 1682, das sich ausführl. mit der Jagd befaßt. Wolf Helmhard entstammte einem niederösterr. Adelsgeschlecht, das im 16. und 17. Jh. lange Zeit im Dienst der habsburg. Ks. stand. Innerhalb seines Werkes, das sich aus zwölf Büchern zusammensetzt, beschäftigt er sich im 12. Buch intensiv mit der Jagd, dem »Weidwerk«. In dieser Anordnung zeigt sich die zentrale Stellung der Jagd im Leben des Adels und der Fürstenhöfe, wie Hohberg sie einschätzte. Die Jagd stellte demnach auch im 17. Jh. ein Hauptelement der adeligen Lebensordnung dar und beanspruchte einen großen Teil der Zeit vieler adeliger Herren und Fs.en. Die Jagd ist nach Hohberg ein praeludium belli, ein Vorspiel des Krieges, da sie die Waffengeschicklichkeit zu Fuß und zu Pferd fördert und den Adeligen für die Situation des Krieges körperl. trainiert. Bei den Kämpfen mit Wildtieren geht es v. a. um die Jagd auf Hirsche und Wildschweine, welche zu den vornehmsten Jagdobjekten gehörten. Mit der These von der Jagd als Vorschule des Krieges greift Hohberg Vorstellungen früherer Jagdautoren auf. Auch zu Beginn der Neuzeit wurde die Jagd als krieger. Übung noch hoch bewertet, so daß Machiavelli es in seiner berühmten Schrift »Il Principe« zu den milit. Pflichten eines Fs.en zählt, sich eifrig der Jagd zu widmen, um sich so für die Strapazen des Krieges zu trainieren.

Im Kontext der allgemeinen polit., milit. und kulturellen Veränderungen des 16. und 17. Jh.s entwickelten sich die Jagdverhältnisse auch in den einzelnen Fsm.ern des Deutschen Reiches. Das Jagdwesen der Kurpfalz, eines der vornehmsten Fsm.er, soll hier exemplar. geschildert werden. Von den kurpfälz. Fs.en des 16. Jh.s ist in jagdhistor. Hinsicht bes. Pfgf. Johann Casimir (1543-92) hervorzuheben, der wahrscheinl. das Urbild des »Jägers aus Kurpfalz« abgegeben hat. Er war zweifellos einer der größten Jagdliebhaber in der langen Reihe der Kurpfälzer Fs.en und Jäger, der nach dem Tod des kunstsinnigen Kfs.en Ottheinrich 1559 an die Regierung gelangte. Von seiner Mutter Maria von Brandenburg erbte er offenbar die Jagdleidenschaft, von der er sein Leben lang geprägt war. In seinen Jagdtagebüchern notierte er detailliert jahrelang seine Erfolge und Erlebnisse auf seinen zahlreichen Jagdzügen. Diese in dt. Sprache abgefaßten Aufzeichnungen geben aufschlußreiche Einblicke in die artenreiche Tierwelt der damaligen Kurpfalz. Außer Rotwild, Schwarzwild und Rehwild wird von Reihern, Enten, Kranichen, Wildgänsen, Auerwild und vielen anderen Wildarten berichtet. Casimirs Nachfolger Friedrich IV. (1574-1610) offenbarte ebenfalls einen starken Hang zu Jagd, Reiten, Ritterspiel und Hoffesten im Rahmen seiner fsl. Lebensform. Aus seinem Tagebuch ersieht man, daß der Kfs. pro Jahr etwa 55mal auf die Jagd ging, in drei Jahren zehn Hirsche, vierzehn Wildschweine, drei Rehe und dreizehn Hasen hetzte, ferner sechzehn Reiher und elf Enten beizte. Neben der Pirsch auf große Wildtiere liebte Friedrich bes. die Beizjagd, bei der ihn manchmal auch seine Gemahlin Louisa von Oranien begleitete. Außerdem hielt sich der Kfs. in seinem Tierpark im Heidelberger Schloßgraben gezähmte Hirsche. Grundlegende Wandlungen erlebte dann die kurpfälz. Jagd im späten 17. und im 18. Jh. im Zeitalter des höf. Absolutismus. Im Mittelpunkt der höf. Jagd jener Epoche stand die körperl. weniger strapaziöse, dafür aber um so repräsentativere »eingestellte Jagd« mit Festcharakter. Der Kfs. der Pfalz hetzte jetzt nicht mehr selbst, sondern ließ das Wild durch seine Jäger und seine Untertanen in großer Zahl aus den Wäldern zusammentreiben, um es bequem und publikumswirksam vom sicheren Jagdstand aus zu erlegen. Aus der Hetzjagd und Pirsch des MA war ein barockes Hoffest mit all seine prunkvollen Darbietungen und Jagdexzessen geworden.

→ vgl. auch Farbtafel 144; Abb. 40, 50, 135

Quellen

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