Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Schenken und Stiften

Orden und Ordensstiftungen

Das Phänomen von höf.-weltl. »Ordensstiftungen« fand Mitte des 15. Jh.s ihren Höhepunkt, obgleich Anfänge schon im 14. Jh. festzustellen sind. Die Vorbilder für die Initiationen adliger Vergesellschaftungen seitens der Fs.en sind einerseits in den großen europ. monarch. »Hoforden« zu vermuten, andererseits in den oft viel näher liegenden dt. Gründungen. So wurden allein in den Jahren 1440 bis 1444 drei hofgebundene Stiftungen auf deutschsprachigem Gebiet ins Leben gerufen: der kurpfälz. Pelikan, der brandenburg-ansbach. Schwan und der jül.-berg. St. Hubertus.

Von der Bezeichnung »Orden« für diese weltl. adligen Gruppen sollte jedoch Abstand genommen werden; zu eng ist die Konnotation an die geistl. Ritterorden des 13. Jh.s geknüpft. Es muß vielmehr von ›hofgebunden Stiftungen‹ die Rede sein und bedacht werden, daß diese gemeinsam mit den anderen Typen von adligen Schwureinungen, seien sie von einer Person gestiftet oder von mehreren Adligen gemeinsam begr. (›Gründungen von Gleichen‹ und ›Stiftungen ohne Anbindung‹), den Gesamtkorpus von Adelsgesellschaften des SpätMA ausmachten.

Die Organisationsstrukturen der Stiftungen sind uns heute aus den zahlreichen überlieferten Statuten und Bundbriefen, die das gruppeninterne gesetzte Recht der Gesellschaften beinhalten, aus Rechnungsbüchern und einzelnen Erwähnungen bekannt. Die Mitgliederlisten geben über die Zusammensetzung der jeweiligen Klientel Auskunft. Auch materielle Quellen wie etwa Gesellschaftsabzeichen haben sich in Form von Anhängern oder Ketten erhalten, auch bemalte Glasfenster in Kirchen und steinerne Grabdenkmale zählen dazu.

Neben den drei obengenannten sind noch folgende hofgebundene geschworene Einungen durch einen Bundbrief überliefert: Drache/Ungarn (1408), Adler/Österreich (1433), St. Hieronymus/Sachsen/Meißen (1450) sowie St. Georg/Österreich (1493). Bekannt sind daneben weitere Stiftungen, die jedoch aufgrund der mangelnden Quellenlage nicht ohne Zweifel den hofgebundenen Einungen zugeordnet werden können: Templaise/Österreich (1337), Salamander/Österreich (1386), Zopf/Österreich (vor 1395), Einhorn/Thüringen (1398), Sichel/Sachsen (um 1400), Flegel/Thüringen (1407/11), Tusin/Böhmen (1438) und St. Maria/Geldern (1468).

Wie an den Bezeichnungen der einzelnen adligen Einungen zu erkennen ist, gaben die Stifter ihren Verbindungen vorwiegend Namen von Heiligen oder Tieren, die christl. ikonograph. zu deuten sind. Die adligen Gesellschaften nahmen ganz unterschiedl. Ausmaße an: Im Pelikan war der Kreis bspw. auf 30 Gesellen beschränkt, während in den Listen des Schwans ein paar hundert Mitglieder verzeichnet waren, darunter auch adlige Frauen.

Generell stand der Stifter dem adligen Zusammenschluß vor und hatte unter den Mitgliedern eine herausragende Position inne. Seine bes. Befugnisse werden an dem Einfluß deutlich, den er auf die Aufnahme neuer Mitglieder, die Gestaltung des Gesellschaftsabzeichens, das alle Gesellen zu tragen hatten, die Ortswahl und Namensgebung sowie die interne Gerichtsbarkeit nahm. Er konnte Funktionsträger aus dem Kreis der Mitglieder wie Hauptleute, Schiedsleute, Rechnungsführer oder Boten bestimmen, die sich um die finanzielle Verwaltung von Straf- oder Beitrittsgebühren, gerichtl. Entscheidungen und die Organisation der Begängnisse von Mitgesellen zu kümmern hatten.

Zu den die hofgebundenen Stiftungen auszeichnenden Charakteristika zählen als die beiden herausragendsten Merkmale die Verpflichtung aller Mitglieder zur Leistung eines Treueides gegenüber dem Stifter sowie die Anlage der regelmäßigen Kapiteltreffen und gemeinsamen memorialen Tätigkeiten des Zusammenschlusses am Herrschaftszentrum des Fs.en. Aufgrund einer christl. Ausprägung der Einung konnte ihr Herzstück an der familiären Grablege oder der Stiftskirche der Dynastie angesiedelt sein. Häufiger kann auch die Integration landfremden Adels in den weiteren Kreis der Mitglieder beobachtet werden. Dies machte die Einung über die Grenzen des Territoriums hinaus bekannt und beeindruckte mitunter die nachbarschaftl. Konkurrenz. Grundsätzl. waren die Vereinungen auf ewige Zeit hin angelegt.

Wer waren nun die Personen, die sich in solchen Initiationen von Fs.en zusammenfanden? Zumindest für Pelikan, St. Hubertus und Schwan läßt sich eine personelle Übereinstimmung der Mitglieder der betreffenden Gesellschaft mit der Lehnsmannschaft des jeweiligen Stifters zu großen Teilen feststellen. Die Fs.en scharrten folgl. mittels dieser Stiftungen bereits bekannte höf. Klientel um ihren Herrschaftsmittelpunkt. Höf. Funktionsträger taten Dienst für die Belange der gestifteten Einung und Hauptleute oder Rechnungsführer der Gesellschaft wiederum wurden für die herrschaftl. Verwaltung des Stifters herangezogen. Beide Bereiche, Hof und adlige Gesellschaft, waren eng miteinander verwoben.

Der Sinn einer solchen Schwureinung erklärt sich daher in ihrer Bedeutung für die Herrschaftspräsentation des Stifters, welche für Integration und Kommunikation sowie für Außenwirkung gleichermaßen wichtig war. Eine hofgebundene Stiftung ermöglichte die Steigerung von Kommunikation mit den am Hof angebundenen adligen Eliten. Das geschah mittels der regelmäßigen Treffen, bei denen durch die exklusive Nähe zum Fs.en während des Mahls oder durch das Tragen der gleichgestalteten Gesellschaftsabzeichen für einen Moment eine fiktive Gleichheit zw. allen Mitgliedern kreiert wurde. Ferner machte die Ansiedlung der gesellschaftl. Memoria in einer Kirche am Herrschaftssitz die Einung einer breiten Öffentlichkeit bekannt und demonstrierte den fsl. Herrschaftsanspruch nach außen hin. Die Ausgestaltung der hofgebundenen Stiftungen förderte somit den Erhalt und die Ausweitung des adligen Netzwerks um den fsl. Hof, wie es auch andere Instrumente, etwa zielgerichtete Ämtervergabe und Belehnung oder das Knüpfen verwandtschaftl. Beziehungen, taten. Damit wird die Zugehörigkeit der Gesellschaftsstiftungen zu den Attributen eines fsl. Hofes im SpätMA bestätigt.

Mitte des 15. Jh.s entschlossen sich bemerkenswerter Weise drei Fs.en, der rhein. Kfs. Ludwig III., der brandenburg. Kfs. Friedrich II. und der jül.-berg. Hzg. Gerhard V., zur Stiftung einer solchen adligen Gemeinschaft. Zwei von ihnen überdauerten einige Jahrzehnte unter den fsl. Nachfolgern: Albrecht Achilles schaffte der von seinem Bruder gestifteten Einung des Schwans ein zweites Zentrum in Ansbach und Wilhelm III. übernahm den Vorstand von St. Hubertus von seinem Vater.

Ein Verbot von parallelen Mitgliedschaften gab es entgegen den Gepflogenheiten anderer europ. »Hoforden« auf deutschsprachigem Gebiet nie. So findet sich der Niederadlige Oswald von Wolkenstein gleichzeitig unter den Mitgliedern des ungar. Drachen und des Tiroler Elefanten (eine Gründung von Gleichen). Auch eine sich mit der Zeit wandelnde Beteiligung an mehreren Gesellschaften fällt auf: Die Hzg.e von Jülich-Berg engagierten sich zw. 1428 und 1525 sowohl in St. Hubertus als auch im Steinbock (eine Gründung von Gleichen) und im Schwan.

Nach 1517 sind für das deutschsprachige Gebiet keine Neugründungen von adligen Stiftungen mehr nachgewiesen. Das Interesse an diesen meist christl. geprägten Vereinungen ging im Zug der Reformation verloren. Auch die Ausbildung der reichsritterschaftl. Organisation im SW des Reiches und der Landstände, in denen sich die Ritterschaft der Territorien zusammenfand, mäßigte den Bedarf nach einem Ort für die Pflege ritterl. Ideale, wie ihn die hofgebundenen Stiftungen von Adelsgesellschaften boten.

→ vgl. auch Farbtafel 80

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