Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Großer Saal (Festsaal)

Die zumeist rechteckigen Säle der stauferzeitl. Burgen und Pfalzen blicken in Form und Funktion auf eine ununterbrochene Tradition zurück, die bis zu den burg- oder palastähnl. Res.en frühester Kulturen reicht. Von jeher dienten sie zu aller Art von Zusammenkünften, zu Familienfesten, Jagdtreffen oder polit. Versammlungen.

In ma. Burgen ist der sal oder sahl immer der große, repräsentative Hauptraum, keine anderen Räume tragen diese Bezeichnung. Erst in der frühen Neuzeit wird das Wort in der Regel durch Großer Saal ersetzt, obwohl andere, distinktiv bezeichnete Säle wie Esssaal, Gesindesaal nicht vor Anfang des 17. Jh.s auftauchen. Noch in karoling. Zeit ebenerdig gelegen, ist der Saal in den Burgen der Stauferzeit bereits in die oberen Geschosse gewandert, während im Erdgeschoß, das häufig als Lager genutzt wird, aus wehrtechn. Gründen größere Öffnungen, wie die für den Saal notwendigen weiten Fenster vermieden werden.

Lagen im MA noch eine Anzahl von Sälen in gesonderten Saalbauten, wo sie ein gesamtes Geschoß einnehmen, (Sankt Ulrich in Rappoltsweiler / Ribeauvillé, Elsaß, 1201, Runneburg in Weißensee, Anfang 13. Jh., Marburg, etwa 1298 (Farbtafel 112), Burg Hohenbaden bei Baden-Baden, um 1400), werden sie seit dem 16. Jh. in einem der Schloßflügel integriert, den sie nur ausnahmsweise vollständig beanspruchen.

Die Maße der Säle sind äußerst schwankend. Bes. wird die Länge zum Maßstab für den Anspruch des Bauherren. Im HochMA kaum mehr als 20 m lang, können sie in der Spätzeit 57 (Dresden, 1548), ja mehr als 70 m (Berlin, 1538) erreichen. Der Weite hingegen waren mit der Eindeckung von jeher baukonstruktive Grenzen gezogen. Die einfachste Lösung boten Säle von nicht mehr als 9 m Breite, da hier eine freitragende Balkendecke eingezogen werden konnte. Bei größerer Breite hängen die Balken durch, ein Längsunterzug wird notwendig, der entweder auf Stützen ruht oder im Dachstuhl gehängt wird. Fast alle Säle sind auffallend niedrig, meist zw. 5 und 7 m hoch, Weikersheim (um 1595) mit 8,30 m ist ein vergleichsweise hoher Saal (vgl. Farbtafel 117).

Das Thema Saal in Burgen und Schlössern bleibt ein Desiderat der Forschung. Für die stauferzeitl. Burgen liegen flächendeckend allein für das Elsaß Ergebnisse von Thomas Biller und Bernhard Metz vor. Demnach lagen alle Säle direkt unter dem Dachstuhl, zumeist im zweiten Obergeschoß. Die Decken waren entweder mit einem Hängewerk im Dachstuhl befestigt oder es teilten Stützenreihen den Saal.

In hoch- und spätgot. Zeit trifft man einige weiträumige, gewölbte Säle, fast immer mit Mittelstützen, die nun das erste Obergeschoß einnehmen (Marburg, um 1298 [Farbtafel 112], Meißen, 1470, Ingoldstadt, um 1480 [Farbtafel 113]). Flächendeckende Untersuchungen für diese Zeit liegen nur für das Rhein-Lahn-Moselgebiet von Ulrike Wirtler vor. Dort finden sich flachgedeckte Säle mit Mittelstützen bei weitem in der Überzahl, auch sie liegen in dem bequemer zugängl. ersten Obergeschoß, das nun den Charakter einer étage noble erhält. An gleicher Stelle befinden sich die Säle der jetzt gehäuft entstehenden Rathäuser, deren Untergeschoß meist kommerziellen Zwecken diente. Mit Sälen sind auch andere öffentl. Bauten ausgestattet, so Kaufhäuser, Tanzhäuser, im 16. Jh. gelegentl. sogar eine Metzig. Aber auch Stadtpaläste von Adel und Patriziern können Große Säle besitzen mit Ausmaßen, die jenen der Burgen gleichen (Straßburg, Johamscher Hof, um 1300, Saalmaße 23×13,50 m).

Mit der beginnenden Renaissance erwachte der Wunsch nach weiten, unverstellten Räumen, und man verzichtete nun eher auf den bequem zugängl. Saal im ersten Obergeschoß als auf einen stützenfreien Raum. Der Große Saal wandert erneut in das zweite Obergeschoß, wo die Decke, jetzt stützenlos, mittels einer Hängevorrichtung im darüberliegenden Dachstuhl befestigt werden konnte. Nur wenigen anspruchsvollen Bauherren gelang es, beide Ideale zu verwirklichen: Den stützenfreien Großen Saal ebenso wie seine Lage in der étage noble des ersten Obergeschosses. Dazu bedurfte es einer techn. hochkomplizierten Konstruktion, die die Hängesäulen des Deckenunterzugs unsichtbar durch eine doppelschalige Wand im zweiten Obergeschoß bis in den Dachstuhl führte (Celle, 1485, Torgau, 1533, Berlin, 1538, Catharinenburg in Birlenbach, Elsaß, 1619).

Der Zugang zu den Sälen erfolgte in den ma. Burgen, wenn nicht durch in der Mauerstärke angelegte Treppen, über hölzerne Stiegen, die aus einem unteren Raum hochführten oder über meist ebenfalls hölzerne Außentreppen. Stauferzeitl. Vorläufer sind die beiden Burgen Babenhausen (Hessen, um 1190) und Hohengeroldseck (Baden, um 1258/77) mit vor die Fassade gestellten Wendeltreppentürmen, die ihr Dasein wohl dem Wunsch nach einem repräsentativeren Zugang zum Saal verdanken. Doch erst im 15. Jh. werden Wendeltreppentürme übl. und erhalten sich bis zum Anfang des 17. Jh.s. Mit dem oft wappengeschmückten Portal bilden sie den zeremoniellen Weg zum Großen Saal. Daneben entstehen seit etwa 1550 innere Treppenhäuser mit geraden Läufen, die gleichfalls auf kürzestem Weg zum Saal führen.

Auch noch in den inzw. immer regelmäßiger angelegten Renaissanceschlössern nimmt der Große Saal mit seinen strukturellen Trabanten, Treppe und Portal, nur selten, wie in Weikersheim, die zentrale Lage ein.

Die Säle dienten nicht dem Alltag, es waren Räume für Feste, Ritual, Kommunikation und Öffentlichkeit, Schauplätze, wo bei Mahl, Tanz, Wettspielen oder polit.-rechtl. Handlungen Macht, Pracht und Ehre des Hausherrn demonstriert wurden.

Entsprechend aufwendig war die Ausstattung. Im MA zeichnet sich der Saal auch nach außen durch große, reicher gegliederte roman. bzw. got. Fensteröffnungen aus, die nach innen oft seitl. Sitzbänke besitzen. Große, teils säulenverzierte Kamine sorgen für Wohnlichkeit im Winter, bereits im MA kommt gelegentl. noch ein Kachelofen hinzu. Trotzdem findet man noch in der Spätzeit vereinzelt Säle ohne Heizmöglichkeit (Meißen, 1471, Wittenberg, 1489, Torgau, 1533). Spätestens im 15. Jh. finden sich Musikantenemporen (Trompeterstuhl in Meißen, 1470, Wittenberg, um 1490). Aus den wenigen erhaltenen Fragmenten läßt sich schließen, daß die Wände mit Malereien geschmückt sein konnten, mit ornamentalen Motiven und wohl auch mit vielfigurigen Szenen aus höf. Epen (einzig erhaltenes Beispiel in Gamburg a. d. Tauber, um 1200 [Abb. 206]). Auch die Balkendecke war bemalt. In der zweiten Hälfte des 16. Jh.s entstehen in großen Schlössern reich geschnitzte und bemalte Kassettendecken (Dachau, 1564/66, Heiligenberg, 1575 [Farbtafel 114], Kirchheim a.d. Mindel, 1585, Weikersheim, 1585) (vgl. Farbtafel 117). Portalrahmungen und Kaminaufbauten bereichern sich mit figürl. plast. oder gemaltem Schmuck (Baden-Baden, 1577, Schmalkalden, 1580, Weikersheim, 1601). Das ikonograph. Programm wird jetzt reicher. An den Wänden trifft man Skulpturen antiker und ma. Helden neben Heiligen (Kirchheim a. d. Mindel, 1582), Jagdtiere (Weikersheim, 1601), vielfach sind gemalte Ahnenreihen (Baden-Baden, 1584) oder die Porträts von Ks., Kg.en und Kfs.en (Torgau, 1536) bezeugt. In den seltenen Fällen, wo die Deckenform ebene Flächen bot, entstanden Malereien, so die Darstellung der Via salutis (Baden-Baden, 1575), von Jagdszenen (Weikersheim, 1601), von Szenen aus dem Leben röm., byzantin. und dt. Ks. (Aschaffenburg, 1614).

Für gewöhnl. standen die Großen Säle leer, erst für den bes. Anlaß wurden Wandteppiche aufgehängt, Tische, kissenbedeckte Bänke und Stühle herbeigeschafft, der meist geflieste Boden wohl mit wohlriechenden Kräutern und Blumen bestreut. In Bergzabern (1561) wurde an Sonntagen Altar und Predigtstuhl im Großen Saal aufgestellt, der dann als Kirchenraum diente. In manchen Sälen, wie in Wittenberg und Torgau, sind zweistufig erhöhte Tribünen bezeugt, wo wahrscheinl. der Fs. und seine Ehrengäste tafelten.

→ vgl. auch Farbtafel 1, 4, 5, 23, 117, 130; Abb. 3, 10, 57, 60, 64, 218, 264

Quellen

Hermannus Fabronius, Historische Beschreibung Der Policey Tugende […], Schmalkalden 1625, Kapitel 1-9. – Das Neue Schloß in Baden-Baden. Eine Beschreibung der Saalausstattung, vermutlich von Pater Gamans von 1667, Badische Landesbibliothek Karlsruhe, K27, abgedruckt bei Krieg von Hohenfelden, G.H.: Die beiden Schlösser zu Baden. Ehemals und Jetzt, Karlsruhe 1851, S. 166-176.

Albrecht 1995, pass. – Biller, Thomas/Metz, Bernhard: Die Burgen des Elsaß, Bd. 3: 1250-1300, München 1995, bes. S. 97-99. – Gebessler, August: Der profane Saal des 16. Jahrhunderts in Süddeutschland und den Alpenländern. Gestaltungsprinzipien des profanen Monumentalraumes in der deutschen Renaissance, Diss. Univ. München 1957. – Hoppe 1996, bes. S. 427-433. – Meckseper, Cord: Saal, Palas, Kemenate, in: Burgen in Mitteleuropa, ein Handbuch, hg. von Deutsche Burgenvereinigung, Stuttgart 1999, S. 265-269. – Reuther, Hans: Art. »Festsaal«, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte VIII, 1987, Sp. 276-289. – Wirtler 1987.