Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Portale

Als Portal bezeichnet man im Unterschied zur einfachen Tür den repräsentativen Eingang zu einem Gebäude oder einem Gebäudeteil, auch einem bes. hervorgehobenen einzelnen Raum. Sein monumentales Erscheinungsbild, seine Größe und seine Position in der Fassade oder in der Raumwand, geben dem Eintretenden einen unmißverständl. Hinweis auf die Bedeutung des Bauwerks oder Raumes und seiner Besitzer oder Benutzer. Wehrhafte Züge, herald. Elemente, allegor. Figuren, denkwürdige Inschriften und Jahreszahlen, die wichtige Daten der Bau- und Ausstattungsgeschichte memorieren, finden nicht selten hier ihren konzentrierten Niederschlag. Die architekton. Gliederung und der ikonograph. Schmuck verraten bei näherer Betrachtung Auskunft über die Wertigkeit und die Funktion der durch das Portal erschlossenen Räume. Bes. hervorgehoben werden auf diese Weise im Schloßbau seit dem 14. Jh. die Treppe(n), die Kapelle und die Burg- oder Hofstube, gelegentl. auch die Küche und – im Falle einer Res. – zuweilen wichtige Verwaltungsräume, die in der Regel ebenerdig zu erreichen sind.

1200-1450

Der ma. dt. Burgenbau kennt noch nicht die subtile Differenzierung und die architekton. Rhetorik frühneuzeitl. Portalschöpfungen. Wichtigstes Anliegen ist lange Zeit der prakt. Nutzen wehrhafter Einrichtungen, wie es Zugbrücke, Fallgitter, Pecherker und Schießscharten sind. Diese Annäherungshindernisse kennzeichnen v. a. die Außenportale der nicht selten von breiten und tiefen Gräben umzogenen Anlagen (z. B. Marienburg/Malbork, Hochschloß, Ende 13. Jh.). Häufiger nimmt ein eigener Torturm das Hauptportal auf (z. B. Wartburg, beg. 12. Jh.; Gent, Grafenstein, 13. Jh.; Halle, Moritzburg, Ende 15. Jh.) oder flankiert es schützend (z. B. die – heute teilw. veränderten – ma. baul. Situationen in Gottorf, Celle, Detmold, etc.), mit rein symbol. Impetus als Herrschaftszeichen in Brake bei Lemgo noch zu Ende des 16. Jh.s in dem Neubau Simon VI. zur Lippe eindrucksvoll erfahrbar.

1450-1550

Selbst in Meißen (Albrechtsburg, ab 1471) und Wittenberg (Schloß, E. 15. Jh.), den hinsichtl. ihrer Distribution und Raumkonzeption bereits in die Frühneuzeit voraus weisenden mitteldt. Schloßanlagen, bleiben die Eingänge zum Corps de logis und zu den Treppen bemerkenswert schlicht und unaufwendig. Erst die Renaissance, die zu Beginn des 16. Jh.s von der Antike inspiriertes ital. Formengut auch an zentraleurop. Fürstenhöfen (Prag, Ludwigsbau der Burg, 1503-10; Landshut, Stadtres., 1536-43; Dresden, Georgenbau des Schlosses, um 1530) heim. werden läßt, führt zu einer repräsentativen architekton. Herausbildung des Portals. Wie schnell die nun einsetzende Entwicklung verläuft und wie vielfältig die entstehenden Portallösungen ausfallen können, zeigt exemplar. die Bautätigkeit des Pfgf.en und späteren Kfs.en Ottheinrich, der zunächst in Neuburg an der Donau, seit 1556 in Heidelberg residierte. Während der Ottheinrichsbau des Neuburger Schlosses (ab 1537-45, nach Entwürfen von Paul Beheim aus Nürnberg?) ein strenges und bildloses, noch ganz den Gesetzmäßigkeiten der antiken Säulenordnungen verpflichtetes Hauptportal der Stadt zukehrt, zeigt der von dem gleichen Bauherrn kurz vor seinem Tode († 1559) errichtete, heute ruinöse Kaisersaal-Flügel im Hof des Heidelberger Schlosses (1556-59) bereits den üppigen figürl. Fassadendekor der beginnenden Spätrenaissance, für den der aus Mecheln gebürtige Bildhauer Alexander Colin verantwortl. war. Das in Heidelberg - ausnahmsweise – unmittelbar in den Festsaal hineinführende triumphbogenartige Portal verherrlicht wie der gesamte, wohl astrolog. zu deutende Fassadenschmuck des Ottheinrichsbaues nun den Bauherrn, dessen Bildnismedaillon und Wappen den Eingang zieren.

1550-1650

Reiche Portalentwürfe bleiben bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges ein beliebtes Thema im dt. Residenzenbau. Zu denken ist etwa an die bis zum 19. Jh. einzige, sich mit architekton. Anspruch zur Stadt hin wendende Fassade der Münchner Res. In der langen, 1611-16 älteren Bauteilen vorgeblendeten Straßenfront liegen noch heute die Hauptzugänge, die in den Kapellen- und in den Kaiserhof führen. Im Kontrast zur Monotonie der glatten Putzfläche mit ihrer völlig gleichmäßigen Fensterreihung zw. aufgemalten kolossalen Pilastern imponieren die beiden monumentalen Portale mit ihren Rotmarmorrahmungen und der figürl. Ausstattung durch Bronzeplastiken von der Hand Hubert Gerhards und Hans Krumpers, in denen neben herald. Schmuck die vier Kardinaltugenden zum allegor. Herrscherlob gereichen. Sie gehören zu den wichtigen Zeugnissen höf. Spätrenaissancekunst im öffentl. Raum. Auch das 1614 von Giovanni Maria Philippi in der Art eines Triumphbogens errichtete Matthiastor, der einstige Hauptzugang der ksl. Res. auf dem Hradschin in Prag, der heute in die zur Zeit Maria Theresias zw. 1756 und 1774 von dem Wiener Oberhofarchitekten Nikolaus Pacassi umgestaltete Fassade des ersten Burghofes einbezogen ist, zählt zu den spektakulären Leistungen frühneuzeitl. Portalanlagen. In Mitteldtl. erhält das Torgauer Schloß Hartenfels an dem zw. 1616 und 1623 zur Stadt hin errichteten Westflügel ein repräsentatives Eingangsportal mit rustizierten toskan. Säulen und bekrönendem kursächs. Wappen, für das Hans Steger aus Dresden verantwortl. zeichnet. In Schleswig-Holstein ist an die Torhäuser der hzgl. Schlösser Gottorf (abgerissen) und Husum (1612) zu erinnern, deren eigenständige Bauform im niederadeligen Bereich der zahlreichen norddt. Gutsanlagen als regionale Besonderheit bis in das späte 18. Jh. hinein Nachahmung finden wird.

Auch im Inneren zahlreicher Schlösser entstehen seit dem 16. Jh. prächtige Portale, nicht selten in Anlehnung an monumentale Außenportale. So findet man am Kapelleneingang des Schweriner Schlosses oder im Fürstensaal der Marburger Landgrafenres. aufwendig gestaltete Beispiele in den Formen der antikisierenden Renaissancearchitektur, im unter Ernst von Schaumburg neu gestalteten Goldenen Saal des Bückeburger Schlosses die nach Vorlagen Wendel Dietterlins gearbeitete Götterpforte der Hildesheimer Bildhauer Ebbert und Hans Wulff (um 1604). Der Vielfalt der Materialien – Holz, Stein, Stuck – und der künstler. Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Hildebrand, Arnold: Sächsische Renaissanceportale und die Bedeutung der hallischen Renaissance für Sachsen, Halle 1914. – Mittasch, Walther: Das Portal der deutschen Renaissancebauten, Königsberg 1911. – Müller, Hans: Portale. Die Entwicklung eines Bauelements von der Romanik bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Leipzig 1982.