Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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ANSCHLÄGE

A.

Anschlag bedeutet zunächst ganz allgemein die Schätzung einer Menge, eine geschätzte oder aus Erfahrung bzw. Vorgängerrechnungen erstellte Vorausberechnung einer Ausgabe, Einnahme oder sonstigen Zahl. Dabei geht der Begriff zurück auf die Bedeutung des geplanten Vorhabens, wie es bereits im Mittelhochdeutschen unter an-slac verstanden wurde (»absicht, vorhaben; plan, entwurf, voranschlag« »steuer«, Lexer, Wörterbuch, S. 6).

Es lassen sich über diese allgemeine Bedeutung hinaus drei Bereiche ausmachen, in denen der Begriff verstärkten Eingang in die pragmatische Schriftlichkeit gefunden hat. Es handelt sich dabei um die anvisierten Kosten von größeren Projekten, wie etwa Bauvorhaben, Festen (→ Höfische Feste und ihr Schrifttum) oder ähnlichem, die Steuererhebung und die sog. Heeresanschläge.

Vielfach riefen größere Sonderausgaben oder andere, über die übliche Rechnungsführung hinausgehende Ereignisse, die Abfassung von Anschlägen hervor, wobei es sich meist um nur punktuelle Anforderungen handelte, die keine Wiederholung fanden. So kann die als Uberslag bezeichnete Haushaltsrechnung Graf Eberhards V. von Württemberg 1468 als Grundlage für einen projektierten Ausgabenvoranschlag für die Zeit seiner Abwesenheit auf der Pilgerfahrt gedeutet werden (Zeilinger, Dienst, S. 115) (→ Rechnungen). Für Bauvorhaben läßt sich die Mahnung Sebastian Brants von 1494 aus dem städtischen Entstehungskontext in einen allgemeinen Rahmen übertragen: Wer buwen will / der schlag vor an / Was kostens er dar zu muß han / Er würt sunst vor dem end abstan (Sebastian Brant, Narrenschiff, S. 40). Wesentlich stärkeren Niederschlag hat der Begriff im Bereich der Steuererhebung gefunden. Spätestens seit der Mitte des 14. Jahrhunderts erscheint er im Zusammenhang mit den üblichen Abgaben und Landsteuern, aber auch bei einmaligen Sondereinhebungen. So wird bspw. in den Tiroler Raitbüchern die zu erwartende Steuereinnahme als der heurige anslag bezeichnet (Dopsch, Gesamturbare, S. 433). In den Territorien des Reiches wurden die Steuerbücher ab der Mitte des 15. Jahrhunderts oftmals mit »Anschlag« tituliert, wobei für dieselben Schriftstücke auch lediglich »Buch« oder »Rechnung« verwandt wurde. Dabei benennt der Anschlag Teile des eigentlichen Steuererhebungsvorganges bei der Veranlagung, d. h. der Festlegung des Steuer-Solls (Vogeler, Steuerbücher, Zitat: S. 273, 282). Bei der Einhebung von außerordentlichen Steuern begegnet der Begriff ebenfalls. Diese wurden bspw. 1446 durch König Friedrich III. anläßlich der Vermählung seiner Schwester Katharina mit dem Markgrafen von Baden erhoben. In dem Schreiben an die innerösterreichischen Prälaten, Städte und Ämter heißt es: Vermerkht der anslag der stewer zu junkfrawen Kathreyn (siehe unten B.I., Steierische Landtagsakten, S. 133).

Reichsweite Bedeutung hatten Anschläge durch die enge Verknüpfung mit der Planung von Kriegszügen. In den sogenannten Heeresanschlägen wurde die Anzahl der zu stellenden Pferde und Soldaten für eine Kriegsunternehmung aufgeführt. Mit der auf dem Nürnberger Reichstag beschlossenen Heeres- oder Reichsmatrikel von 1422 wurde dabei erstmals für das gesamte Reich eine entsprechende Aufstellung gemacht. Unter dem Titel Anslag des teglichen kriegs zu Beheim wurde getrennt nach den Reichsständen die Anzahl der für den Hussitenkrieg zu stellenden Truppen aufgeführt (siehe unten B.II.). Diese Anschläge fanden im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrfach eine erneute Aufstellung. Mit der Wormser Reichsmatrikel von 1521 anläßlich des Romzugs Kaiser Karls V. erreichten die Matrikel grundlegenden Gesetzescharakter über die Reichsunmittelbarkeit der dort aufgeführten Stände. Die sich daraus ergebenden Zahlungen in Höhe des Solds eines Monats, dem sog. Römermonat, begründeten die später zu leistenden Matrikularbeiträge an das Reich. Somit wurde auch der Heeresanschlag zu einem Steuerinstrument.

Im Verlauf des 15. Jahrhunderts erlangte der Anschlag eine über die beschriebenen Funktionen hinausweisende Aufgabe. Unter dem Druck der finanziellen Lage entwickelte sich der Wunsch, Ausgaben auf territorialer Ebene für ein Rechnungsjahr im Voraus aufzunehmen und somit eine Vorform des Etats zu bilden (Mersiowsky, Rechnungslegung, S. 348) (→ Rechnungen). Impulse kamen dabei aus den Ratgeberschriften für die Fürsten. So wurde in der Regimentsordnung für den Kölner Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz 1469 ein Voranschlag der jährlich benötigten Naturalien und Gelder zur Planung der Ausgaben gefordert (Janssen, Beobachtungen, S. 140). Auch Ludwig von Eyb regte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Abfassung eines solchen Planungsinstrumentes an (siehe unten B.III., Kotelmann, Finanzen des Kurfürsten, S. 98f.), zur »Vergleichung der künftigen Einnahmen und Ausgaben und die planmäßige […] Verwendung der Mittel« (Bamberger, Finanzverwaltung, S. 225). Besonders bei von Eyb kommt dabei zum Ausdruck, daß auf Grundlage der Vorgängerrechnungen der zu erwartende Etat formuliert werden sollte. Ähnliches läßt sich auch bei der Steuererhebung erkennen, wo die Vorgängerrechnungen für die aktuelle Veranlagung an die mit der Steuererhebung beauftragten Beamten ausgegeben wurden (Vogeler, Steuerbücher, S. 218). Somit läßt sich der Anschlag nur gemeinsam mit den vergangenen Jahresrechnungen betrachten und steht darüber hinaus in einem engen Zusammenhang mit den → Hofordnungen, da auch sie in der Angabe des zu versorgenden Hofpersonals planenden Charakter haben. Weiter setzt die Abfassung von Anschlägen das Vorhandensein einer Organisationsstruktur der Finanzen voraus und geschah vielfach als Folge der Auseinandersetzungen zwischen Herren und Landständen um die Finanzierung des Hofes durch ordentliche und außerordentliche Steuern. Somit steht das Aufkommen der Anschläge zu Beginn der sich entwickelnden Finanzbehörden und der Staatsfinanzen (Mersiowsky, Rechnungslegung, S. 348), wobei es sich immer um situationsbedingte Einzelaktionen handelte, die bis in die Neuzeit hinein nicht Grundlage eines größeren wirtschaftlichen Planens wurden (→ Rechnungen). Als besonderes Beispiel eines frühen projektierten Staatshaushaltes kann die Taxation des Bruttoeinkommens bei der Schaffung des Herzogtums Pfalz-Neuburg 1507 genommen werden, die ebenfalls mit Beileufiger Anslag überschrieben war (siehe unten B.IV., Rankl, Staatshaushalt, S. 11). Weitergehend war die Entwicklung in Burgund, wo sich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits frühe Etats überliefert haben (Arnould, estimation, Arnould, budget).

B.

I. Heiratssteueranschlag König Friedrichs III. für seine Schwester Katharina von 1446

Vermerkht der anslag der stwer zu junkfrawn Kathrey, unsers gnedigsten hernn kunig Fridreichs swester, als sy Margkgraf Karlen, Magkhgraven zu Paden und zu Spanhaym gegeben und gen Regenspurg geantwurt ist worden anno domini etc. [im 14] 46. [jar]: Von erst im land Steyr auf die prelaten, abtessin und pryorin und Juden vor dem perg und in dem perg: der […] abt von Admund 2000 fl. – abt von sand Lamprecht 1600 fl. – abt vom Newnperg 300 fl. – abt von Rewn 500 fl. – item abt von Ovbernburg […]

Steirische Landtagsakten 1396-1519, Tl. 1: 1396-1452, S. 133f.

II. Heeresmatrikel, beschlossen auf dem Reichstag zu Nürnberg von 1422

Zum ersten Mencz 50 Erzbischove Colln 40 mit gleven Triere 40 Pfalzgrave 50 Sachsen 20 schuczen gerittner Brandenburg 50. […]

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, S. 157.

III. Ludwig von Eyb der Ältere, Ordnung zur Rechnungslegung

Item so die jor rechnung auß ist, so wer gut, das der herr selbst mit den retten uber seß und sech darein, was das jor verpraucht und auß geben sey. Das fint man auß diser rechnung. Wa es dann nit recht gehandelt ist, das mag man wenden mit verendrung der amptlewt, wie man den handel findet. Und das der her und die ret alzdan ein anschlag auff ein ander jor wider machen in die hauß haltung und den auff schreiben, den selben anschlag in yedes ampt verzaicht geben, wo er das sein, das man in sein ampt prauchen soll, nemm und bey wem und uber das nicht ferner in die ampt greyff on de herrn wissen.

Ludwig von Eyb der Ältere, Schriften, S. 259.

IV. Herzog Albrechts IV. Taxation des (Brutto-)Einkommens der »Jungen Pfalz« im Jahr 1507

Beileufiger Anslag der Gullt und Nutzung aller Sloß Stet und Flegken, so Hertzog Freidrichen von Bayern als Vormunder zueggestellt und bey ainem beylichen auf die Tax und Zuefall Römischer kunigklicher Mt. Obman in ettlichen Ambten aufgangen und bei yedem Ambt antzaigt wortnn, weyter Erfarung zethun not sein wirdet, wie dann hernach volgt. Actum 1507.

Rankl, Staatshaushalt, S. 77.

C.

Quellen

Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 29. Aufl., Stuttgart 1959. – Ludwig von Eyb der Ältere, Schriften. Denkwürdigkeiten. Gültbuch. Briefe an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/74. Mein Buch, hg. von Matthias Thumser, Neustadt a. d. Aisch 2002 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 1: Fränkische Chroniken, 6). – Rankl, Helmut: Staatshaushalt, Stände und »Gemeiner Nutzen« in Bayern 1500-1516, München 1976 (Studien zur Bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte, 7). – Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, Abt. 2: 1421-1426, hg. von Dietrich Kerler, Göttingen 1956 (Deutsche Reichtagsakten. Ältere Reihe, 8,2). – Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Faksimile der Erstausgabe Basel 1494 mit dem Nachwort von Franz Schultz (Straßburg 1913), hg. von Dieter Wuttke, Baden-Baden 1994 (Saecula Spiritalia, 6). – Die ältesten Steirischen Landtagsakten 1396-1519, Tl. 1: 1396-1452, bearb. von Burkhard Seuffert und Gottfriede Kogler, Graz u. a. 1953 (Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark, 3).

Arnould, Maurice-A.: Une estimation des revenues et des dépenses de Philippe le Bon en 1445, in: Recherches sur l'historie des finances publiques en Belgique, Bd. 3, hg. von Dems. u. a., Brüssel 1974 (Acta Historica Bruxellensia, 3), S. 131-219. – Arnould, Maurice-A.: Le premier budget du duc Charles de Bourgogne (1467-1468), in: Bulletin de la Commission Royale d'Historie 150 (1984) S. 226-271. – Bamberger, Elisabeth: Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters (1200–1500), in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 77 (1923) S. 168-255. – Dopsch, Alfons: Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus dem Mittelalter, Wien 1910 (Österreichische Urbare. 1. Abt.: Landesfürstliche Urbare, 2). – Fouquet, Gerhard: Adel und Zahl – es sy umb klein oder groß. Bemerkungen zu einem Forschungsgebiet vornehmlich im Reich des Spätmittelalters, in: Adel und Zahl. Studien zum adligen Rechnen und Haushalten in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Harm von Seggern und Gerhard Fouquet, Ubstadt-Weiher 2000 (Pforzheimer Gespräche zur Sozial-, Wirtschafts- und Stadtgeschichte, 1), S. 3-24. – Isenmann, Eberhard: Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für historische Forschung 7 (1980) S. 1-76 und 129-218. – Janssen, Wilhelm: Beobachtungen zur Struktur und Finanzierung des kurkölnischen Hofes im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 69 (2005) S. 104-132. – Kotelmann, Albert: Die Finanzen des Kurfürsten Albrecht Achilles, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 3 (1866) S. 1-26, 95-105, 283-309, 417-449. – Mersiowsky, Mark: Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten. Spätmittelalterliche Rechnungen, Verwaltungspraxis, Hof und Territorium, Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 9). – Vogeler, Georg: Spätmittelalterliche Steuerbücher deutscher Territorien, Tl. 1: Überlieferung und formale Analyse, in: Archiv für Diplomatik 49 (2003) S. 165-295; Tl. 2: Funktion und Typologie, in: Archiv für Diplomatik 50 (2004) S. 57-204. – Zeilinger, Gabriel: Dienst und Gunst. Der Uracher Hof Graf Eberhards im Bart zwischen Alltag und Festtag, in: Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, hg. von Peter Rückert, Stuttgart 2006 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen, 167), S. 115-148.