Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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ABENSBERG

A. Abensberg

I.

Die A.er gehörten zu den Adelssippen, die aufgrund ihres erfolgreichen Herrschaftsaufbaus Ende des 12. Jh.s – im Zeitraum der Erhebung der Wittelsbacher zu bayerischen Hzg.en und des dabei zu beobachtenden, zeitweiligen Machtvakuums – sich den Gf.entitel zulegten bzw. von der Umgebung zuerkannt erhielten. Bei den A.ern ist dies um 1180 beobachtbar, eine Verbindung zu karolingischen Gf.en bzw. eine Verwandtschaft mit Karl dem Großen sind nicht belegbar. Der als Stammvater herangezogene Babo bleibt eine Fiktion, zumal die Babonen als Ursprung vieler bayerischer Adelsgeschlechter herangezogen wurden. Die Familie ist seit den 1170er Jahren, ihr Stammsitz seit 1256 definitiv greifbar.

II.

Die A.er waren eine der wenigen Familien innerhalb des Hzm.s, die durch das Hin- und Herwechseln zwischen Reichsunmittelbarkeit und pragmatischer Nähe zu den Wittelsbachern ihre Position halten konnten und nicht landsässig wurden. So verzichteten sie ab 1275 nach dem Aussterben der Rottenegger Linie auf den Gf.entitel und nannten sich fortan ›Herren von Abensberg‹. Mehrere A.er sind in bayerischen Diensten (als hzgl. Räte, Richter und Pfleger) zu finden, ohne daß sie in die Landständigkeit herab gesunken wären. Der berühmteste Vertreter der Familie dürfte der 1485 ermordete Nikolaus von A. gewesen sein. Seine schillernde Persönlichkeit war mit einem hohen Standesethos verbunden; seine erstaunliche Mobilität führte ihn nach Sachsen, Ungarn, gar bis in das Hl. Land. Sein aufwendiges Grabmal erinnert noch heute in der A.er Karmelitenkirche an ihn.

Neben Allodialbesitz haben die A.er bes. über Kl.- und Stiftsvogteien ihre Herrschaft ausgebaut. Hinzu kommt die von Kg. Karl IV. erstmals 1350 bestätigte Reichsunmittelbarkeit der Herrschaft, die bis zum Aussterben der Familie 1485 ein unabh. Adelsterritorium an der Nahtstelle zwischen Ober- und Niederbayern erlaubte. In den Jahren 1444 bzw. 1477 bestätigte Friedrich III. die reichunmittelbare Stellung (siehe unten Art. B.).

III.

Am eindringlichsten erinnert die sog. A.ertumba mit dem Wappen an die Familie. Zusammen mit dem bereits erwähnten Epitaph von Nikolaus von A. befindet sie sich in der A.er Karmelitenkirche. Ein weiterer Ort der Familienmemoria war das Augustinerchorherrnstift Rohr: Seit 1332 bis zur Gründung des Karmelitenkl.s 1389/91 war dort in der Hl. Geist-Kapelle die alleinige Familiengrablege. Einige Grabplatten sind noch vorhanden. Insgesamt erinnert Weniges an die Familie.

IV.

Johannes Turmair, gen. Aventin, hat den ausgestorbenen Herren seiner Heimatstadt eine seitdem populäre Gründungstradition zugeschrieben (Bayerische Chronik Buch VII cap. 1). Der erst graff von Abensperg sei Babo gewesen, der in der ersten Hälfte des 11. Jh.s gelebt und 30-32 Söhne und acht Töchter mit zwei Ehefrauen gezeugt haben soll. Jener Babo soll bereits in Kg.sdienst Heinrichs II. gestanden haben, um die Kg.snähe der A.er von Beginn an zu betonen. Im 19. Jh. kam es zu einer Kontroverse über die Echtheit dieser These zwischen Karl Heinrich Ritter von Lang und Roman Zirngibl. Auch wenn gesichert ist, daß der Stammvater des Geschlechts der Babonen bereits in der zweiten Hälfte des 10. Jh.s Gft.srechte im nordwestlichen Donaugau ausübte, so ist eine Brücke zu den A.er wissenschaftlich überprüfbar nicht zu bauen.

Der erste eindeutig belegbare Sproß der Familie war ein Altmann von A. seit 1171, nach 1180 läßt er sich – als Reaktion auf die wittelsb. Machtübernahme in Bayern? – als comes belegen. Ein Herkommen dieses Altmanns über einen Eberhard aus dem Sippenverband der Ebersberger-Moosburger wird angenommen (Tyroller), ebenso eine Verbindung zu den Diepoldingern.

Hinter dem Begriff A.er stand ein vielköpfiger regionaler Sippenverband mit den nach A. und Altmannstein bezeichneten Haupt- und den mit Siegenburg (um 1158 erloschen), Ratzenhofen (1279 erloschen) und Rotenegg (zweite Hälfte 13. Jh. erloschen) bestimmten Nebenlinien. Die genealogischen Abgrenzungen erweisen sich als schwierig, zumal die Familie sich ab dem 13. Jh. wechselweise als de Abensperch, de Stain (Lapide), nobiles de Abensperch benannte. Verwechslungen mit den Vögten der Bamberger Kirche, den Abenbergern, sind für das 12. Jh. zu beobachten und Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Ältere Linien derer von (Altmann-)Stein bzw. A. können nur in Umrissen erschlossen werden. Sicheren Boden betritt man mit einem Altmann (gest. 1241/42), in dem der Besitz der beiden älteren Linien zusammenfloß, um sofort in zwei jüngeren Linien wieder auseinander zu treten. Die jüngeren (Altmann-)Steiner Linie erlischt bereits 1307, mit Ulrich I. (gest. 1324) beginnt dann die jüngeren A.er Linie (Genealogische Skizze bei Flachenecker, Grafen, S. 562).

In ihrem Selbstverständnis sahen sich die A.er als Hochfreie an, also als Teil jener sozialen Gruppe, welche die Turnierfähigkeit besaß. Sie gehörten zur kleinen Zahl nichtgfl., hochfreier Adelsfamilien in Bayern und standen damit sozial auf einer Stufe mit den benachbarten Breiteneckern (ausgest. nach 1287), Hagenauern (ausgest. nach 1307) und Laaberen (ausgest. 1475). Verwandtschaftliche Beziehungen unterhielten die A.er im 13. Jh. zu den Herren von Laaber bzw. zu den Gf.en von Graisbach. Ab dem ausgehenden 14. Jh. sind dann erstmals Eheverbindungen mit Familien, die aus der Ministerialität aufgestiegen waren, zu beobachten. Die Familie gehörte zum niederbayerischen Ritterbund von 1347. Ab diesem Zeitpunkt ist die bevorzugte soziale Stellung als Hochfreie nicht mehr zu halten, ein Zusammengehen von reichsunmittelbaren mit landsässigen Adelsgeschlechtern in den Ritterbünden war nicht mehr zu verhindern.

Quellen

Johannes Turmair's genannt Aventinus Sämmtliche Werke, Bd. 5: Bayerische Chronik, hg. von Matthias Lexer, München 1884. – Patritius Dalhammer, Canonia Rohrensis documentis, monumentis et observationibus historico-criticis illustrata, Regensburg 1784. – Urkundenbuch zur Geschichte der Stadt Abensberg, hg. von Peter Dollinger und Nikolaus Stark, Tl. 1, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 12 (1867) S. 249-328; Tl. 2, 13 (1868) S. 1-72.

Europäische Stammtafeln, hg. von Detlev Schwennicke, NF, Bd. 16: Bayern und Franken, Berlin 1995, Tafeln 74 und 75. – Flachenecker, Helmut: Die Grafen von Abensberg, in: Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. von Ferdinand Kramer und Wilhelm Störmer, München 2005 (Studien zur Bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte, 20), S. 539-562. – Freilinger, Hubert: Der altbayerische Adel im Raum an der Oberen Donau unter besonderer Berücksichtigung der Herren von Abensberg, in: Abensberger-Vorträge 1977, hg. von Karl Bosl, München 1978 (ZBLG. Beiheft 9), S. 64-80. – Die Grafen und Reichsherren zu Abensberg, hg. von Peter Dollinger und Nikolaus Stark, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 14 (1869) S. 1-234. – Sitzmann, Gerhard-Helmut: Das jüngere Haus Abensberg als Nachkommen Karls des Großen und seiner Gemahlin Hildegard, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 108 (1982) S. 79-87. – Tyroller, Franz: Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter, in: Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, hg. von Wilhelm Wegener, Göttingen 1962-1969, S. 293-297 (Tafel 22).